Den Elefanten fühlen

„Derjenige, der etwas zerbricht, um herauszufinden, was es ist, hat den Pfad der Weisheit verlassen.“
Gandalf zu Saruman

Es gibt da diese schöne Geschichte von den blinden Männern und dem Elefanten. Nach allem, was ich weiß, stammt die Geschichte aus Indien, was ja auch annähernd logisch wäre, denn da gibt es Elefanten.
Falls das jemand nicht kennt, die Geschichte geht etwa so: Eine Gruppe blinder Männer begegnet einem Elefanten. Von den lauten Geräuschen des Tiers sehr deutlich auf dessen Existenz hingewiesen, beschließen die Männer verblüfft, einen der ihren loszuschicken, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Der erste Blinde erwischt ein Bein des offensichtlich gutmütig gestimmten Dickhäuters und kehrt zu seinen Kollegen zurück, um ihnen zu berichten, es handle sich bei der Quelle der Geräusche wohl um eine Art Säule.
Der zweite Mann erwischt den Schwanz des Elefanten und erzählt etwas von einer Art Seil. Der dritte erwischt eines der Ohren und spicht von einem Fächer. Der vierte wiederum berührt die Flanke des Elefanten und spricht von einer Wand. Der fünfte erwischt den Rüssel und spricht von einer Art Schlange. Der sechste berührt einen Stoßzahn und sagt, das Etwas müsse eine solide Röhre sein.

Die Geschichte existiert in unterschiedlichen Varianten. Mal ist die Zahl der Männer anders, mal sind sie nicht blind, sondern es ist ein dunkler Raum. Es gibt Unterschiede in der Art der Auflösung. Einmal streiten sich die Männer gewalttätig, in anderen Versionen diskutieren sie die Sache friedlich. Auch die Art und Weise der Beschreibung der Körperteile differiert.
Die von mir präsentierte Version beruht auf einer Übersetzung dieser Parabel ins Englische, die aus dem 19. Jahrhundert stammt und die bei uns im Westen wohl am besten bekannte Variante darstellt.
Die Geschichte wird gerne als ein Gleichnis angeführt, um besonders religiöse Streitigkeiten darzustellen. Denn gerade Theologen sind wunderbar in der Lage, über Dinge zu zanken, die sie niemals gesehen haben. Da macht es keinen Unterschied, welcher Religion der jeweilige Oberpriester so angehören mag.
In Wirklichkeit stellt die Geschichte eben die Frage: „Was genau ist Wahrheit und wie kommen wir da ran?“ Continue reading →

Die Biene des Achilles

„Menschliche Richter können Gnade walten lassen. Aber gegen die Naturgesetze gibt es keinerlei Berufungsinstanz.“
Arthur C. Clarke

Der 2015 verstorbene amerikanische Soziologe William R. Catton prägte in einem der wohl wichtigsten Bücher der 80er Jahre den Ausdruck ,,Homo Colossus“ für die menschliche Rasse.
Inzwischen streiten sich führende Wissenschaftler gerade ein wenig darüber, ob man nicht ein ganzes Zeitalter nach dem Menschen benennen muß, da unsere Auswirkungen auf die Umwelt immer deutlicher an allen Ecken und Enden zu sehen, zu fühlen und zu messen sind.
Keine andere Spezies des Planeten hat es jemals hingekriegt, mit ihrem Handeln selbst geologische Zeiträume verwischen zu lassen. Mensch tut dies in den letzten 200 Jahren mit wachsender Begeisterung.
Der Homo Colossus stampft über den Planeten und erzeugt sich seine eigene Zeit, das Anthropozän.

Das klingt gut, etwa so, als wären wir das überhaupt Wichtigste auf diesem Planeten und als würden wir alle Hindernisse auf unserem Weg zu den Sternen mit unserem Erfindungsgeist aus dem Weg räumen. Mensch ohne Limit. Falls ich das nicht deutlich genug erzählt haben sollte: Diese Grundhaltung ist so abgrundtief blöde, daß einem der Kopf schmerzen sollte, wenn man sie hört.
Aber natürlich ist das auch exakt der Mythos, in dem die meisten Menschen leben. Die Geschichte unserer eigenen Großartigkeit und der Unüberwindlichkeit des menschlichen Erfindungsgeistes begleitet uns von Kindesbeinen an und bildet das Fundament aus Lügen. Continue reading →