Das wahre Morgen

– V –

Alles unter Kontrolle

„It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.“
Jiddu Krishnamurti

Kontrolle. Es geht immer nur um Kontrolle. Aber längst haben wir Menschen, wir Bewohner der industrialisierten Konsumgesellschaft, diese Kontrolle abgegeben. Was früher auf lokaler Ebene geregelt wurde, oft auch ohne Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage, wird heute von Institutionen verwaltet, die im Laufe von Jahrzehnten immer größer und gesichtsloser geworden sind.
Die Wissenschaften. Die Regierung. Die Reptiloiden, die 9/11 eingefädelt und die Mondlandung vorgetäuscht haben. Ähmmm..was habe ich da gerade gesagt?

Wir haben das nicht freiwillig getan. Es war und ist ein Prozeß der Konzentration von immer mehr Macht in verschiedensten Formen in den Händen von immer weniger Menschen. Das Credo der Wissenschaften lautet Kontrolle. Das Credo der Regierungen lautet Kontrolle. Über Terroristen. Über Medien. Über die jeweiligen Bürger. Innere Sicherheit heißt das immer so schön. Jetzt gerade wieder aktuell auf Wahlplakaten, in Wahlprogrammen und in Wahlreden.
Wenn erst einmal alles gespeichert wird, alles aufgezeichnet, alles auswertbar gemacht von jedem, wird es Kontrolle geben. Dummerweise ist totale Kontrolle auch nicht von Terrorismus zu unterscheiden und totale Sicherheit unerreichbar.
Und aufgezeichnet werden nur private Dinge. Ausgewertet von staatlichen Stellen. Der Anwalt, der einem Privatmenschen eine Urheberrechtsverletzung vorwirft, erhält routinemäßig Auskunft über IP-Adressen und kann seine als Arbeit getarnte Erpressung und Nötigung beginnen.
Der Bürger, der eine Behörde nach Akten oder Vorgängen befragt, blitzt mit derlei Ansinnen routinemäßig ab. Von Einblick in Tun und Lassen großer Konzerne kann selbst die Politik nur träumen, der Normalbürger schon nicht mal mehr das.

Kontrolle von Dingen des täglichen Lebens auf kommunaler oder gar individueller Ebene ist schon längst nicht mehr vorgesehen. Kontrolle bedeutet nur noch „die da“. Die sollen mal was machen. Natürlich sind „die da“ auch an allem Schuld. An was auch immer.
Kontrolle ist längst nur noch Datenverwaltung und -interpretation durch Spezialisten. Wozu sollte man Anwohner fragen, wie manche Dinge eventuell geregelt werden solltem, wenn man doch mit einem Gutachten von irgendwem, der nicht mal in der Nähe der betreffenden Stadt war, alles klären kann?
Aber natürlich renovieren wir die Straße aus dem Dorf raus endlich mal. Die hunderttausend Euro Kommunalbeteiligung für die Anwohner sollten ja wohl kein Problem darstellen, oder? Immerhin besitzen die ja alle Häuser.
Längst sind uns viele Dinge völlig aus der Hand geglitten, haben sich von uns entfernt. Was nützen Mietpreisbremsen, wenn eine willige Politik sie mit massenhaft Ausnahmen durchlöchert wie einem Mindestlohn, der gar nicht erst notwendig wäre, gäbe es die immer wieder propagierte Selbstregulierungsfähigkeit des Marktes tatsächlich.
Der Markt. Früher ein Ort, an dem man eingekauft hat. Ein Schwätzchen gehalten über Tomaten, Möhren, Äpfel und Blumenkohl hinweg. Ein Ort, an dem weitaus mehr passierte als nur der Austausch von Waren gegen das angebliche Tauschmittel des Geldes. Heute ist „der Markt“ der Euphemismus für unsere angeblich so phantastische globalisierte Wirtschaft, von der wir alle profitieren. Wenn der Markt etwas so will, dann kann man da halt nichts machen. Continue reading →

Das wahre Morgen

– III –

Vorboten

»Insanity is relative. It depends on who has who locked in what cage.«
Ray Bradbury

Ein amerikanischer Professor fragte einmal seine College-Studenten, wie weit sich denn der Mensch in ihrer Lebenszeit von der Erde entfernt hätte. Also etwa seit 1980, das ist schon eine Weile her und auch Studenten werden älter.
Die minimal mögliche Antwort war „600 Kilometer“. Das entspricht etwa einem Zehntel des Erdradius, denn unser Heimatplanet weist einen Äquatorialdurchmesser von 12.756 Kilometern auf und ein Radius ist ein halber Durchmesser.
Diese Zahlen habe ich jetzt nicht nachgeschlagen, die liegen in meinem Kopf rum, seitdem ich irgendwann Anfang der Achtziger begann, jede Menge Zeugs über Astronomie zu lesen, vorwiegend mit unserem Sonnensystem als Hauptdarsteller. Ein paar Dinge sollte man über den eigenen Planeten wissen, beispielsweise die mittlere Dichte von 5,5 Gramm/cm³ oder die Fluchtgeschwindigkeit von 11,18 km/s oder die Schwerebeschleunigung von 9,81 m/s². Ganz besonders, wenn einen der Collegeprofessor schwierige Dinge fragt.

Die weiteren Antworten im Angebot waren 6.000 Kilometer, also ein ganzer Erdradius. Dann 36.000 Kilometer. Das mag seltsam erscheinen, ist aber die gerundete Zahl für einen geosynchronen bzw. geostationären Orbit.
Geosynchron bedeutet lediglich, daß sich der umlaufende Körper exakt so schnell um die Erde bewegt, wie diese selber rotiert. Dabei kann das Objekt auch gegen die Rotationsrichtung der Erde fliegen – das wäre ein gegenläufiger Orbit. Oder es fliegt über die Pole, dann ist das eine Polarbahn.
Der spezielle Spezialfall ist der erwähnte geostationäre Orbit. Die exakte Zahl hierfür ist 35.786 Kilometer. Denn nach den Gesetzen, die der schon einmal erwähnte Herr Kepler im 16. Jahrhundert aufstellte, bewegen sich Dinge, die um andere Dinge kreisen, um so langsamer, je weiter weg sie sind. Oder um so schneller, je näher sie dran sind.
Die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde beträgt 465 Meter pro Sekunde. Was nicht besonders beeindruckend klingt, sich aber auf etwa 1.670 Kilometer pro Stunde summiert, was wiederum eine ganze Menge ist. Nur in dieser einen Entfernung ist ein Satellit also so schnell, daß er immer über dem gleichen Punkt der Erdoberfläche steht. Bei sehr vielen Wetter- und Kommunikationssatelliten ist das der Fall. Ein geostationärer Orbit liegt deshalb auch immer auf Äquatorhöhe.

Die angefragte Höhe von 600 Kilometern läuft astronomisch unter „LEO“, das ist die Abkürzung für Low Earth Orbit. Die Entfernung von 6.000 Kilometern liegt bei „MEO“, was, logisch konsequent, Medium Earth Orbit bedeutet. Er liegt zwischen 2.000 und den besagten 36.000 Kilometern, die der Professor als dritte Möglichkeit anbot.
Die Möglichkeit Nummer Vier lautete dann „385.000 Kilometer“. Ebenfalls eine Zahl, die ich aus Jugendtagen heraus sofort erkennen würde. Sie bezeichnet die mittlere Entfernung von der Erde zum Mond. Möglichkeit Fünf lautete schlicht „Jenseits des Mondes“. Continue reading →

Das wahre Morgen

– II –

Das Summen von Bienen

„Die Vergangenheit ist passé, Darling.
Sie lenkt von der Gegenwart ab.“
Edna Mode

Das auf entsprechenden Festivitäten präsentierte Mittelalter macht auf mich in etwa denselben Eindruck wie Pornographie: Soll geil machen auf die Sache, aber kein Mensch mit mehr als drei Hirnzellen kann das für das echte Leben halten.
Alle reden in diesem Zusammenhang immer von Frauen-Diskriminierung. Das Männer reine Muskelberge sind, die möglichst lange den Ständer hochhalten müssen, damit sich die jeweilige Dame entsprechend in Szene rücken kann – oder die Szenen – wird von feministischer Seite seltsamerweise nie kritisiert.
Trotz dieser offensichtlichen Diskrepanz zwischen Realität und Fiktion haben Pornos meines Wissens großen Zulauf. Ein Drittel des Netzwerkverkehrs im Internet besteht aus pornographischen Inhalten, schätzt man in diversen Studien. Was dem Wort „Verkehr“ eine quasi völlig neue Bedeutung gibt. Man könnte auch sagen, das Internet wäre nicht das, was es heute ist, gäbe es keine Pornographie. Und damit wäre auch unsere Welt nicht so, was sie heute ist. Manchmal haben Wirkungen Ursachen, an die alle, die davon profitieren, nicht erinnert werden möchten.

Im Grunde ist das auf Burgfesten oder anderswo präsentierte Mittelalter sogar noch schlimmer. Es ist Softporno. Die Dinge, die wirklich interessant sind, werden also nur angedeutet, nicht wirklich gezeigt.
Eine Art romantischer Wiedererweckung einer Zeit, die so weit zurückliegt, daß niemand ohne Expertenwissen genau sagen kann, ob diese Interpretation, die sich hier vor meinen Augen abspielt, nicht doch der Realität entspricht oder einmal entsprochen hat.

Die Kräuterfrau beispielsweise kann auf ihren Führungen mit profundem Fachwissen aufwarten, da hilft mir das eigene Biologiestudium weiter. Welche Kombination von Pflanzen sich wie auf welches Befinden auswirkt, meist unter Hinzufügen von Alkohol, ist eine Wissenschaft für sich. Nur wurde die Wissenschaft eben erst später erfunden. Vor zweitausend Jahren wurde dieses gesammelte Wissen von Druidenmund zu Druidenohr weitergegeben, wie wir aus Asterix wissen. Das kommt davon, wenn man keine Schriftkultur hat.
Wenn man dann eine entwickelt, kratzen Menschen Rezepte für Tränke und Tinkturen und anderes Zeug auf Pergament. Dazu braucht es übrigens Tinte. Diese wiederum ist eine Erfindung, die irgendwann im 4. Jahrtausend vdZ gemacht wurde und damals aus Ruß bestand, vermischt mit Gummi arabicum, also dem Harz diverser Baumarten. Dieses Zeug ist kein Verwandter des umgangssprachlichen Gummis, denn das ist Naturkautschuk, also abgezapfter Baumsaft von Hevea brasiliensis, dem Kautschukbaum, dessen ursprüngliche Heimat in Brasilien liegt, wie der Name zart andeutet.
Irgendwann im 3. Jahrhundert ndZ kam jemand auf die Idee, Galläpfel auszukochen. Wer wie ich als Kind noch Nahkampfkontakt mit Bäumen hatte, kennt diese Dinger. Mittelgroße, grünbraune Schwellungen an Blättern, Rinde oder Zweigen von Eichen. Die wiederum sind die Folge von Stichen der Eichengallwespe, die im Herbst ihre Eier in diesen Pflanzen ablegt, was als Abwehrreaktion zur Bildung der Gallen führt. Und in denen wächst dann die Brut ungestört heran. Beim Rumklettern im Wald hängt man früher oder später an einem Ast, an dem es diese Beulen gibt.
Wenn man diese Dinger sammelt, zerstampft und zerkocht, entsteht Gallussäure. Dazu gibt man Eisenvitriol. Rein chemisch ist das Eisen(II)-Sulfat und das wiederum gewann man, indem man pulverisiertes Eisen in zwanzigprozentiger Schwefelsäure aufkocht. Vermischt mit Wasser und dem Gummi Arabicum – das im Gegensatz zum Latex wasserlöslich ist – entsteht das, was man über Jahrhunderte als Dokumententinte benutzt hat. Das Wort „Kanzleitinte“ spricht für die juristische Festigkeit des Stoffs. Continue reading →

Geistiger Grillanzünder

,,Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.“

Konfuzius

Eine Zeit, in der aus einer ländlichen Kultur eine städtische wird, aus einer kommunalen eine stark individualistische. Eine Zeit beständiger Kriege und Kleinkriege. Unaufhaltsame technologische Veränderungen drängen in den Alltag. Beängstigende neue Waffen mit vorher nie gesehener Zerstörungskraft. Neue Wege der Kommunikation und des Denkens. Alte Hierarchien, in der Politik und im Religiösen, im weltlichen wie im spirituellen Leben, die nicht mehr in der Lage sind, der sich schnell verändernden Lage Herr zu werden.
Verzweifelung in den Konferenzen der Herrschenden, die nicht so recht zu verstehen scheinen, was um sie herum passiert und warum es passiert. Ein weitverbreitetes Empfinden von Angst und Unsicherheit angesichts einer sich verändernden Welt, deren Wandelgeschwindigkeit kaum noch zu verfolgen ist. Eine Zeit des Zusammenbruchs, aus der neue Sichtweisen der Welt entstehen. Neue Arten, zu leben. Neue Auffassungen darüber, was es bedeutet, Mensch zu sein. Welchen Platz Mensch in der großen Matrix der Dinge einnimmt.

Klingt beängstigend nach unserer heutigen Zeit. Ist aber die Beschreibung der Achsenzeit, wie Karl Jaspers sie verwendet.
Jaspers, seines Zeichens in der Rubrik „Philosoph“ tätig, prägte den Begriff Achsenzeit im Rahmen seiner Arbeit im Jahre 1949. Er bezeichnet damit eine Periode, die sich etwa vom 8. bis zum 3. Jahrhundert vdZ erstreckt.
In dieser Zeit kam es in den beherrschenden Regionen der Erde zu großen Veränderungen in der menschlichen Lebensweise. In den Zivilisationen von China, Persien, Griechenland, Indien und im Nahen Osten breiteten sich ökonomische, technologische und gesellschaftliche Veränderungen aus, die noch nie dagewesen waren.
Die Eisenverarbeitung war eine dieser Veränderungen. Die Entstehung großer Städte, etwas, das wir heute Urbanisierung nennen würden. Mündliche Kulturen verschriftlichten sich, zum Beispiel die griechische, in der ein Dichter namens Homer die Ilias zu Papier oder besser, zu Pergament brachte und somit eine Geschichte festhielt, die schon Jahrhunderte vorher erzählt worden war. Ich hatte das schon mal irgendwo erwähnt, glaube ich.
Marktwirtschaft breitete sich aus. Ja, Marktwirtschaft und Kapitalismus sind tatsächlich Dinge, die nicht deckungsgleich sind, wie es uns heute immer gerne erzählt wird und wie wir das gerne annehmen, sei es aus Ahnungslosigkeit oder Bequemlichkeit.
Nach den Worten von Jaspers wurden in dieser Zeit „die Fundamente gelegt, auf denen die Menschheit noch heute steht“. Und das halte ich als Aussage für vollkommen korrekt.

Geschichte. Das ist einer der Gründe, warum ich hier, in diesem Blog, nicht ausschließlich irgendwas über den Kapitalismus erzähle. Also das, was heute unsere vorherrschende Wirtschaftsform darstellt. Denn diese Art des Wirtschaftens und des Verständnisses von Ökonomie ist noch nicht sonderlich alt. Im besten Falle 250 Jahre. Es ist etwas schwierig, das genau einzuordnen, denn – wer hätte es gedacht – Kapitalismus ist nicht einfach so entstanden, wie er heute ist.
Wir laufen nicht in einer Abstraktion herum, die sich „Kapitalismus“ nennt. Oder „Neoliberalismus“. Oder „Globalisierung“. Diese Dinge, diese Begriffe sind entstanden über einen Zeitraum hinweg. Sie haben also eine Geschichte, sie sind Geschichte und sie erzählen eine.
Innerhalb dieser Geschichte haben sich die Bedeutungen dieser Begriffe auch gewandelt. Das Vorstellungsbild im Kopf von Menschen bei einem Wort verändert sich im Laufe der Zeit. Wie ich auch schon mal hier und da erwähnte, denken wir Menschen in Geschichten. In Erzählungen. In Bildern.
Die Welt des Geistes, der Vorstellung von Menschen – und somit einer menschlichen Gesellschaft – muß sich mit der Wirtschaft und der Technologie weiterentwickeln.
Irgendwann erreicht eine Gesellschaft unweigerlich einen Punkt ihrer Entwicklung, an dem alte Antworten auf wichtige Fragen sich als beklagenswert unzureichend entpuppen. Als nicht länger angemessen. Sogar als schädlich.
In diesem Falle, in einer Gesellschaft im Umbruch, muß man neue Antworten finden. Oder womöglich neue Fragen stellen. Oder beides. Der Zusammenbruch einer Gesellschaft ist nur eine spezielle Form von Umbruch.
Das alles ist keinesfalls Zeitverschwendung. Um die richtigen Fragen zu stellen, muß man vorher über eine Thematik gründlich nachgedacht haben. Um Antworten zu finden, auch. Continue reading →

Fehler in der Matrix

,,Wir werden nur noch das lesen, was bei Amazon vorgeschlagen, bei Google gefunden und bei Facebook geliked worden ist.“

Christoph Sieber

Wir brauchen uns keine Sorgen mehr zu machen. Alles wird gut. Die Welt wird nicht untergehen. Es gibt hier nichts zu sehen, bitte leben Sie weiter.
Und dieses Leben wird ewig währen. Zumindest verkünden das, pünktlich zur österlichen Auferstehungsfeier, wieder einmal berufene Nachrichtenmagazine auf ihrem Titelblatt.
Der kollektive Traum, in dem wir uns alle bewegen, nimmt in letzter Zeit diese Art Lebhaftigkeit und Farbigkeit an, die man aus den eigenen Träumen kennt, die kurz vor dem Aufwachen in unseren Köpfen so ihr Unwesen treiben. Die Art Traum, die einen das Kissen heftig umarmen läßt, um uns dann nach dem Erwachen mit der Tatsache zu konfrontieren, daß wir jetzt das Bett neu beziehen müssen, weil wir wieder alles hemmungslos vollgesabbert haben.

Der Energiekonzern EnBW will erstmals einen Windpark ohne staatliche Subventionen bauen, heißt es.
Denn, so verrät uns der Artikel, Windenergie beginnt sich zu rechnen. Das mag durchaus sein, aber diese Rechnung wird dadurch geschönt, daß alle Stromverbaucher weiter die so verhaßte Umlage bezahlen, die den Strompreis in den letzten Jahren so schön steigen läßt. Natürlich ist das nicht der einzige Preistreiber, wie die Nuklearfans das immer wieder behaupten, aber die EEG-Umlage steht schon stark unter Verdacht, etwas damit zu tun zu haben.
Nun ja – fast alle Stromverbraucher. In Wirklichkeit sind es vorwiegend Privatverbraucher, denn die Liste der Industrien, die genau diese Umlage nicht bezahlen, ist ja vom damaligen Wirtschaftsminister in Deutschland immer weiter verlängert worden. Darum ist der jetzt Außenminister geworden, damit er sich das Gemecker nicht mehr anhören muß.
Aber Privathaushalte schreiben eben keine Bilanzen, die möglichst schön hingepfuscht werden müssen, damit der Aktienkurs stimmt und die Dividende für die Besitzer derselben auch. Wo kämen wir da auch hin, wenn diejenigen, die viel Strom verballern, auch noch eine EEG-Umlage zahlen müßten, deren erklärtes Ziel es ja ist, diese Sache mit der Energiegewinnung ökologischer zu gestalten? Kapitalismus, fuck yeah!

Eine vernünftige Gesellschaft würde zu einer Aluminiumindustrie, die mit Abwanderung droht, schlicht und einfach sagen: „Und tschüß dann!“
Oder eine Deutsche Bahn lauthals auslachen, die ein Jahrzehnt lang die Preise erhöht mit Verweis auf die gestiegenen Energiekosten. Glaubt irgend jemand ernsthaft, daß die Bahn AG – der größte Abnehmer von Elektrizität im Land – denselben Preis für eine Kilowattstunde bezahlt wie der statistische Durchschnittshaushalt?
Vermutlich würden sich die deutschen Aluminiumerzeuger dann auf Island niederlassen, wie es so viele andere auch schon getan haben. Denn dort gibt es geothermische Energie. Die ist zwar günstig und durchaus umweltverträglich, wenn man die Kraftwerke richtig baut, aber auch nicht kostenlos. Außerdem muß man sich die Rohstoffe an den Arsch der Welt liefern lassen – sorry Island, aber du liegst echt nicht im Zentrum der Handelswege des Planeten. Und natürlich muß man erst einmal neue Fabriken bauen. Da Island aber nur 300.000 Einwohner hat, hält die isländische Regierung nicht so viel davon, riesige Industrien mit Subventionen zu fördern, damit sie anschließend die Landschaft versauen können. Die ist nämlich auf der Insel sehr empfindlich und ihre Einwohner wissen das.
Und falls dann einer schreit: „Aber die Arbeitsplätze!“ – es ist für die Gesellschaft allemal billiger, die paar tausend Arbeiter der Aluminiumindustrie zu subventionieren, die dann keine Arbeit mehr haben, als die ganze Industrie selber. Interessanterweise bedeutet diese Ankündigung von EnBW übrigens im Umkehrschluß, daß bisherige Windparks massiv subventioniert worden sein müssen, was eine Tatsache ist, die die Politik auch immer gerne im gemeinsamen Tenor mit der Energiewirtschaft abgestritten hat. Dies als Hinweis für den Fall, daß demnächst wieder einer das Märchen von der total billigen Atomenergie erzählt. Was zweifellos passieren wird. Ist ja Wahljahr. Continue reading →

Das blinde Bewußtsein

– III –

Gaianer

“A learning experience is one of those things that says: ‘You know that thing you just did?
Don’t do that.”
Douglas Adams, Lachs im Zweifel

Mitte der 1960er entwarf ein Mann namens James Lovelock die Vorstellung, daß die Erde und alles, was auf ihr lebt, die sogenannte Biosphäre, als ein Lebewesen betrachtet werden kann. Kern der Hypothese ist die Annahme, daß das Leben an sich, die Gesamtheit aller Organismen, irgendwie dafür sorgt, die Bedingungen zu erhalten, die ihm selber am besten gefallen.
Lovelocks Definition von Leben – eine sehr umstrittene Sache in den biologischen und medizinischen Wissenschaften – besagt hier, daß „Leben“ sich besonders durch die Fähigkeit zur Selbstorganisation auszeichnet.
Nach dieser Idee ist die Erdoberfläche und das dort vorhandene Leben ein dynamisches System, das wiederum die Gesamtheit des Lebens stabilisiert. Eben ein sich selbst organisierendes System. Der Clou an der Geschichte ist, daß die Biosphäre also auch auf unterschiedliche Einflüsse reagieren müßte, die dazu geeignet sind, die Lebensfähigkeit des Systems zu gefährden.

Mr Lovelock war kein Schamane oder so etwas. Beziehungsweise, er ist es nicht, denn er wird dieses Jahr 98 und ist noch immer da. James Lovelock ist Mediziner, Geochemiker und Biophysiker, hat also einen recht handfesten naturwissenschaftlichen Hintergrund vorzuweisen.
Auch die Dame, die zu den stärksten Befürwortern von Lovelocks Theorie zählte, war keine Schamanin. Lynn Margulis war Mikrobiologin und hat sich in ihrer Laufbahn besonders mit der evolutionären Entwicklung von Zellorganellen wie den Mitochrondien befaßt. Man erinnert sich womöglich an diese kleinen Dinger noch aus dem Biologieunterricht, Stichwort „Kraftwerk der Zelle“.
Ms Margulis weilt nicht mehr unter den Lebenden, war aber eine Zeitlang mit Carl Sagan verheiratet, das ist der Astrophysiker, den Filmfans und natürlich SF-Fans als den Autor von „Contact“ kennen – mindestens. Ms Margulis hatte also ebenfalls einen recht starken Hang zur Naturwissenschaftlichkeit, könnte man sagen.

Im Jahre 1969 postulierte Lovelock einen Rückkopplungsmechanismus, der in der Erdatmosphäre für abnehmenden Gehalt an CO2 sorgt, wenn die Intensität der Sonnenstrahlung sich erhöht. Denn das hat sie in den letzten paar hundert Millionen Jahren getan. Die Sonne, die auf die noch insekten- und blütenlosen Wälder der Erde vor etwa 400 Millionen Jahren schien, war in ihrer Energieleistung eindeutig schwächer. Eine Sonne ist ein Fusionsreaktor, der – nach allen aktuellen Erkenntnissen – recht langsam auf seine Spitzenleistung hochgefahren wird.
Auf die Anregung eines Schrifstellers und Bekannten hin nannte Lovelock seine Idee die Gaia-Hypothese. Gaia ist die Erdmutter der griechischen Mythologie, die sich bis heute in einem Ausdruck wie „Mutter Natur“ oder „Mutter Erde“ erhalten hat und in einer abgewandelten Schreibweise – Gea – auch Bestandteil von Dingen wie Geologie ist. Oder Geochemie. Oder Geophysik.
Margulis hatte sich mit der Theorie auseinandergesetzt, wonach Mitochondrien früher einmal eigenständige Zellen gewesen sein sollen, um dann durch Symbiose zu den heutigen, internen Zellbestandteilen zu werden. Da die Gaia-Hypothese besagt, daß die Gesamtheit aller Organismen auf der Erde quasi in Symbiose einen größeren Organismus bilden, war diese Ansicht für eine Symbiose-Spezialistin wie Ms Margulis vermutlich recht naheliegend.
Der Schriftsteller, der Lovelock den Namen vorschlug, war übrigens William Golding. Den kennen wiederum einige womöglich aus dem Englischuntericht, denn sein wohl berühmtestes Werk ist „Lord of the Flies“, also „Herr der Fliegen“. Golding erhielt 1983 den Nobelpreis für Literatur, in seiner Rede wählte er Gaia Mater, die Erdmutter, als sein Thema. Continue reading →

Das blinde Bewußtsein

– I –

Vor dem Fall

„Der Mensch ist die Krone der Schöpfung. Er kann denken. Er hat Bewußtsein seiner selbst.“
René Descartes

Ein Punkt, den wir Menschen möglicherweise vergessen haben, ist, daß unsere Zeit, unsere Lebensweise und unsere gesamte Zivilisation ganz genau so von Mythen beherrscht wird, wie das bei unseren Vorfahren vor zwei- oder dreihundert Jahrtausenden der Fall gewesen ist.
Woran also liegt es, daß wir Menschen im Alltag normalerweise nicht unterscheiden zwischen Kommunikation und Sprache – wobei dahingestellt bleiben mag, ob wir das in dem Moment nicht wollen oder nicht können?
Es ist derselbe Grund, der vermutlich fast jeden Leser der letzten Woche denken ließ: „Aber das ist doch etwas völig anderes“, als ich im Text erwähnte, daß ein Stein ein Werkzeug ist, aber eben auch ein Schmutzgeier Steine benutzt, um eine Eierschale aufzubrechen.
Es ist derselbe Grund, der gleichzeitig alle Leser hat beifällig nicken lassen, als ich direkt danach erwähnte, daß Feuer ja ein abstraktes Werkzeug ist, aber ein Stein eben etwas sehr Direktes, sehr Offensichtliches. Denn alleine durch die Formulierung bestimmter Sätze habe ich das Fundament bestätigt, auf dem wir alle heute zu stehen glauben. Mit dem Eingangssatz diese Artikels hingegen nicht, denn wie kann es sein, daß wir etwas mit den Typen von 300.000 vor Brian zu tun haben sollen?

Mensch errichtet in seinen immer weiter wachsenden Städten Gebäude, die der Schwerkraft zu widersprechen scheinen, Hunderte von Metern hoch. Die Kilometergrenze ist noch nicht erreicht, wird aber in allen Projekten größenwahnsinniger Baumeister rund um den Planeten angepeilt und auch überschritten. Logisch, kleiner bauen als der vorherige Rekordhalter kommt ja nicht in Frage. Womit auch bereits der einzige Grund genannt ist, warum derartige Gebäude überhaupt errichtet werden: Um zu zeigen, daß es möglich ist.
Im aktuell entstehenden Kingdom Tower sollen Büroflächen vermietet werden, dazu Appartements vermietet und – völlig innovativ – natürlich ein Hotel mit dabei sein.
Kein anderes Lebewesen baut Städte. Continue reading →

Grillen mit Prometheus

Oh! Eine Feuermuse, die hinan
den hellsten Himmel der Erfindung stiege!

William Shakespeare, Henry V.

Wie konnte es eigentlich dazu kommen, daß Mensch jetzt auf dem Olymp herumsteht, sich umschaut und sehr oft den Eindruck erweckt, er hätte keine Ahnung, wie es vom Gipfel aus jetzt weitergehen soll?
Außer nach unten natürlich, was aber nicht die Richtung ist, in die irgendwer schauen möchte, wie ich das neulich bereits erwähnt hatte.

Es ist eine Reise, von der man nicht genau sagen kann, wann genau sie eigentlich begonnen hat. Mit der Benutzung von Werkzeugen möglicherweise? Damals, Anno Tukmich, als Mensch seinen ersten Höhlenbären in die Falle lockte, um ihn dann mit Steinen zu bewerfen, bis das Vieh tot war?
Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob unsere Vorfahren tatsächlich die Nummer mit dem Köder und der Schlucht benutzt haben, um Ursus spaeleus zu erlegen. In meinen diversen Kinderbüchern, in denen Gestalten im Lendenschurz von oben Steinbrocken auf so ein Vieh hinunterwerfen, schien diese Jagdmethode jedenfalls etablierter Forschungsstand zu sein. Oder womöglich eine der zahlreichen Lügen für Kinder, die wir in unserer Kultur so gerne verwenden, um uns den Aufwand echter Erziehung zu sparen.
Wenn ich genauer drüber nachdenke, erscheint mir schon die Bekleidung auf solchen Bildern etwas unwahrscheinlich. Denn der Höhlenbär, der übrigens so heißt, weil er in den Höhlen überwinterte, nicht, weil er darin lebte, starb vor etwa 28.000 Jahren aus. Zu diesem Zeitpunkt war die letzte Kaltzeit noch nicht wirklich zu Ende.
Das bedeutet, im heute als Gemüseexportland berühmten Spanien, gelegen auf der sonnigen und staubigen und vor allem recht trockenen iberischen Halbinsel, zogen damals Wollhaarmammuts und auch Wollnashörner über gerne mal sehr frostige Ebenen. Gut, trocken war es damals auch. Denn diese Kälte war Teil der letzten Eiszeit und in denen ist das irdische Klima immer viel trockener als heute. Was logisch ist, denn ein großer Teil der Feuchtigkeit ist dann ja im Eis gebunden. Einer der trockensten Orte unseres Planeten ist heute die Antarktis. Kalte Luft hält wenig Feuchtigkeit.
Jedenfalls waren sehr viele Tiere so schlau, sich in ordentliches Fell zu kleiden. Ich gehe daher mal davon aus, daß auch unsere Vorfahren nicht in der Badehose rumgelaufen sind oder wie Tarzan. Sonst wären wir alle nämlich nicht hier.

Begann der Prozeß, an den ich denke, mit der Erfindung der Grillparty?
Also, nachdem man den Höhlenbären erfolgreich zu den Ahnen befördert hatte und irgendwer auf die Idee kam, daß man das Fleisch ja mal ein bißchen zubereiten könnte?
Das wäre dann die Erfindung des Feuers. Wobei auch diese Bezeichnung falsch ist. Feuer war schon da, lange bevor dieser Planet auch nur dran gedacht hat, so etwas wie Leben hervorzubringen. Und auch danach existierte Feuer über sehr lange Zeit, ohne vom Menschen erfunden zu werden. Wenn wir über die „Erfindung“ des Feuers reden, dann geht es darum, daß irgendjemand dereinst auf die Idee gekommen sein muß, daß man dieses Naturphänomen auch als Werkzeug benutzen könnte. Wie einen Stein, der herumliegt und der einem beim Jagen helfen kann. Beim Öffnen irgendeiner Frucht vom Baum. Oder dabei, eben diese Frucht mit einem gut gezielten Wurf vom Baum erst einmal herunter zu kriegen.
Die Nützlichkeit des offenen Feuers dürfte unseren in modisches Fell gekleideten Vorgängern sehr wohl eingeleuchtet haben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Denn Feuer gibt Licht. Rein naturwissenschaftlich findet hier eine Energieumwandlung statt, und zwar in Form eines exothermen Prozesses, der eine enorme Menge an Strahlung emittiert, die zu einem nicht unerheblichen Teil im Bereich des sichtbaren Spektrums liegt. Continue reading →

Eine Meditation zwischen Spielzeugen

,,Logik ist der Zement unserer Zivilisation, mit dem wir unter Gebrauch der Vernunft
aus dem Chaos emporsteigen.“

T’Plana-Hath

Ein ganzer Raum voller Spiele. Mehrere Regale. Es sind Brettspiele. Kartenspiele. Würfelspiele. Einige von ihnen sind im besten Zustand. Anderen sieht man an, daß sie bereits eine Reise hinter sich haben. Aber sie sind noch vollständig und benutzbar. Nichts ist hier mehr neu. Aber alles funktioniert noch.
Alle diese Spiele haben etwas gemeinsam. Nichts an ihnen ist elektronisch. Nichts in diesen Regalen erfordert Batterien. Nichts leuchtet, klingelt, oder piepst. Es sind, so könnte man es sagen, allesamt altmodische Spiele. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen. Nichts von dem, das hier herumsteht, hat ein Tutorial. Nirgendwo blinken Pfeile, keine Sprechstimmen erzählen dem Spieler, was er zu tun hat. Nirgendwo in diesen Spielwelten gibt es ein Missionsbriefing mit einer KI nach einer dramatischen Videosequenz. Übrigens muß man auch in keinem dieser Spiele die Welt retten, soweit ich das erkennen kann. Statt mich direkt mit den Dingen vertraut zu machen, während bereits die ersten Aliens die eigene Basis angreifen, muß man hier tatsächlich zuerst irgendwelche Dinge aufbauen, in die Hand nehmen, sich fragen wofür sie gut sind, und sie dann ihrem vorgesehenen Zweck zuführen.
Dafür muß man hier, in dieser komischen Welt, Bedienungsanleitungen lesen. Geheimnisvolle Menschen haben auf Papier gedruckt, wie der Ablauf der Dinge sein sollte. Wenn sich alle an die Regeln halten, versteht sich.
Alle diese Spiele hier erfordern also, daß man sich mit ihnen beschäftigt. Sich mit Zusammenhängen auseinandersetzt. Was die Angelegenheit allerdings noch viel schlimmer macht, ist der zweite Punkt, den sehr viele dieser Spiele gemeinsam haben: Es handelt sich durchweg um sogenannte Gesellschaftsspiele.

Hier wird also erwartet, daß sich mehrere Menschen zusammensetzen, in einer Gruppe. Oft ist der Grundgedanke, daß sich ältere Menschen mit der Altersgruppe zusammensetzen, die sich eher am unteren Rand der häufig auf den Verpackungen angegebenen Anzahl gesammelter Geburtstage bewegt. Dann soll man versuchen, das Spiel zu erschließen. Gesellschaft eben, in einem recht unmittelbaren Sinne des Wortes.
Das dieses ganze Zeug in diesem Raum vor sich hin verstaubt, sagt eine ganze Menge über unsere Gesellschaft aus, finde ich.
Scheinbar spielen Eltern nicht mehr mit ihren Kindern. Oder Kinder miteinander. Jedenfalls nicht mehr, indem man sich in einem Haushalt an einen Tisch setzt. Heute teilt man sich ein gemeinsames W-LAN und ruft die Blagen über WhatsApp zum Essen. Oder indem man den Router abschaltet, das kommt ganz drauf an. Damit bricht dann auch die Multiplayer-Partie Battlefield zusammen, in der die neunjährige Tochter ihrem zwölfjährigen Bruder gerade beim Capture the Flag so richtig eins reingewürgt hat, mit dem Raketenwerfer zwischen die Augen. Wobei ich jetzt nichts gegen Raketenwerfer gesagt haben will. Der Tintenfisch-Raketenwerfer in Borderlands war überaus witzig. Continue reading →

Die Psychologie des Untergangs

,,Ozeanien führt Krieg gegen Eurasien. Ozeanien hat immer Krieg gegen Eurasien geführt.“

George Orwell

Während sich achttausend Kilometer westlich von mir der offizielle Hort von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten in eine Diktatur verwandelt, die von einem pompös aufgeblasenen Schuljungen angeführt wird, stelle ich mich unter die Dusche. Warmes Wasser rieselt auf mich, aus einem Plastikduschkopf und im Keller warmgehalten mit der Hilfe von Erdgas. Der Schaum auf meinem Astralkörper ist reine Chemie, auch wenn er so phantastisch nach Mandarinen riecht, daß ich am liebsten in den eigenen Oberarm beißen möchte.
Während die Fassade unserer Zivilisation sich mehr und mehr auflöst, spüle ich mir das Zeug aus den Haaren, das mein Fell geschmeidig glänzend macht, ein weiteres Erzeugnis chemischer Zauberküchen. Schaum verschwindet in einem sich beschleunigendem Wirbel im Abfluß. Genauso wie die bröselnden Teile unserer Kultur sich in einem immer schnelleren Strudel verwandeln, der weitere Stützen einreißt, weitere Teile der Fassade wegspült.
Die Frage, was mit einer ganzen Gesellschaft geschieht, die Zeuge wird, wie sich ihre über Jahrzehnte und Jahrhunderte aufgebauten Geschichten als Lügen herausstellen, als Märchen, als schlechter Witz – diese Frage ist für meinen Teil beantwortet. Ebenso wie einzelne Menschen können Gesellschaften den Verstand verlieren. Und sie tun es auch.

In der Psychologie gibt es den Ausdruck des „Double Bind“. Die Doppelbindungstheorie wurde aufgestellt von einem Mann namens Gregory Bateson, und zwar in den 50er und 60er Jahren. Das ungewöhnliche an Mr Bateson war, daß weder Psychologie noch Medizin zu seinen Hauptfächern gehörte. Bateson war Anthropologe mit einem Hintergrund in Kommunikationswissenschaften. Und er war ein Kybernetiker, also einer der Vertreter der damals noch sehr exotischen Gattung des Homo Nerdius. Was aber sehr wohl passend ist, denn ursprünglich beschäftigt sich Kybernetik als Wissenschaft mit der Übermittlung von Informationen.

„Kommunikation?“, denkt sich der Normalmensch.
„Was soll daran so interessant sein? Kann doch jeder. Macht ja auch jeder.“
Und dann fährt man in den Urlaub und lernt Tauchen und haut dem Lehrer eins in die Fresse, weil der einen unter Wasser ein Arschloch genannt hat. Oder man kriegt eins auf die Fresse, weil man einen Autofahrer genauso beleidigt hat.
Nur bedeutet der Kreis aus Daumen und Zeigefinger mit dem abgespreizten Rest bei Tauchern eben nicht „Arschloch“ sondern: „Alles ok hier.“
Genauso bedeutet der Daumen, der am Straßenrand irgendwo hinzeigt, bei uns an der Bundesstraße „Nimm mich mit“ und nicht „Fick dich, Penner!“
In Europas Süden ist das stellenweise eben anders. Ganz so simpel, wie es aussieht, ist das mit der Kommunikation dann wohl doch nicht. Continue reading →