Das wahre Morgen

– XI –

Kraft der Geschichte

„Watch the dreams and fantasies of a society and you can catch the foreshadowings of its future – sometimes.“
John Michael Greer

Der Mann auf dem Thron ist Kaiser eines mächtigen Imperiums. Er verlangt vom Mann vor seinem Thron Antworten auf drängende Fragen, die seine Herrschaft betreffen.
Hari Seldon, Mathematiker von Helicon, einer eher unbedeutenden Randwelt des Galaktischen Imperiums, die nach seiner Aussage eher bekannt ist „für ihren Kampfsport und weniger für ihre Mathematiker“, hat sich einen Doktorgrad erworben und Jahre damit verbracht, eine mathematische Theorie soziologischer Phänomene zu erarbeiten, die er Psychohistorik nennt.
Hofbeamte des Kaisers haben davon Wind bekommen und den Mann auf dem Thron erzählt, daß der Mann aus der Provinz eine Möglichkeit gefunden habe, die Zukunft vorauszusehen. Natürlich ist das nicht richtig, denn, wie Seldon dem Kaiser bei seiner erzwungenen Audienz erklärt, beschäftigt seine Theorie sich lediglich mit mathematischen Vorhersagen auf Wahrscheinlichkeitsbasis.
Subjekt dieser Berechnungen ist allerdings tatsächlich die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.
Für die wiederum sehe es nicht gut aus, so erläutert Seldon seinem monarchischen Herrscher, eigentlich müsse er sogar davon sprechen, daß das Galaktische Imperium seinem Untergang entgegensehe.
Aufgrund der ermutigenden Aussagen dieser Art haben die Hofbeamten den impertinenten Kerl überhaupt vor den Kaiser gebracht, denn sie finden solche Aussagen defätistisch. Immerhin existiert das Imperium zu diesem Zeitpunkt bereits fast 12.000 Jahre. Der Mann mit dem Spitznamen „Rabe“ Seldon ist also offensichtlich nur darauf aus, die Autorität des Kaiserreichs zu untergraben.

Seldon erläutert Cleon I., dem Mann auf dem Thron, im weiteren Gespräch dann, daß er bereits kein Kaiser mehr ist. Er ist längst eine Schachfigur, die beschränkt ist auf den Imperialen Palast und von der Außenwelt nichts mitbekommt, was nicht bereits sorgfältig vorgefiltert und kommentiert ist.
Alle wirklich wichtigen Dinge werden von Hofbeamten und Ministern entschieden, von denen mehr als einer oft sein eigenes Süppchen kocht und nicht etwa Befehlen des Monarchen folgt.
Der wiederum möchte auch nicht befehlen, sondern mehr Kumpel aller Umgebenden sein – was für einen Monarchen generell eine absolute Unmöglichkeit darstellt, denn irgendwer kann den Chef der Regierung immer nicht leiden. Ganz besonders in einer besiedelten Galaxis.
Der Vater des aktuellen Kaisers ist ausnahmsweise eines natürlichen Todes gestorben, was für den aktuellen Herrscher wohl nicht zutreffen dürfte, so erläutert Seldon dem Mann auf dem Thron ein weiteres Zeichen des Verfalls.
Als sich Kaiser und Minister über diese Anmaßung erzürnen, legt der Mathematiker ihnen kühl dar, daß die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiser, durch Methoden eher zweifelhafter Legalität aus seinem Amt zu scheiden, innerhalb des letzten Jahrhunderts auf etwa 2:1 gestiegen sei. Von diversen Militärputschen einnmal abgesehen. Oder der Tatsache, daß die imperiale Hauptwelt Trantor, ein komplett über- und unterbauter Planet mit 40 Milliarden Bewohnern, keinerlei nützliche Dinge hervorbringt.
Trantor, die Welt-Stadt im wahrsten Sinne des Wortes, des griechischen Wortes οἰκουμένη für „Weltkreis“ nämlich, ist eine Ökumenopolis. Man bezieht Energie aus Sonne und Wind und dem Planetenkern. Kein Quadratmeter des Bodens ist unbedeckt. Nur die allergrößten Ozeane und das Gebiet des Kaiserlichen Palastes – einige hundert Quadratkilometer – sind als Planetenoberfläche unter freiem Himmel erhalten geblieben.
Das planetarische Zentrum des Reichs frißt Weizen, Mais, Brot, Wurst und Gemüse aus aller Herren Sonnensysteme und produziert dafür Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und Regularien. Die Bürokratie des Imperiums ist hierarchisch, wenig effektiv, unfaßbar gigantisch und vor allem vollständig abhängig von Frachtrouten über Hunderttausende von Lichtjahren. Die Existenz des gesamten Systems hängt am seidenen Faden, und der ist bereits arg ausgefranst. Trantor ist Herz und Hirn des Imperiums, aber es hängt am Tropf. Continue reading →

Die Zukunft ist smart

„Es ist erschreckend offensichtlich geworden, daß unsere Technologie unsere Menschlichkeit
überflügelt hat.“
Albert Einstein

Dem Ölland mit den „größten Reserven der Welt“ fehlt es an Sprit. So schreibt es die FAZ über Venezuela. Ja, Venezuela, nicht etwa Saudi-Arabien.
So weit dann zu „Reserven“. Oder „Öl“. Erstens ist venezolanisches „Öl“ ein fieses Zeug voller Schwefel und relativ zäh. Kein Vergleich mit dem, was früher so aus dem Boden sprudelte, wenn man einen Stock in einen Tümpel im Sumpf gerammt hat. Das war so in den 50er Jahren. Was Venezuela heute fördert, fällt unter „Schwerstöl“. Das heißt nicht umsonst so.
Zweitens muß man eben dieses zähe Zeug gründlich und langwierig raffinieren, um was daraus zu machen. Benzin, beispielsweise. An eben diesen Kapazitäten mangelt es dem Land gewaltig. Das angebliche Ölland muß einen Großteil des Benzins importieren. Voll nützlich, dieses ganze Öl, wenn man keine Raffinerien hat.
Ach ja – drittens hat man die venezolanischen Reserven vermutlich das letzte Mal bewertet, als der Ölpreis bei 115 Dollar lag. Denn „Reserven“ bedeutet grob: Alles, was aussieht wie Öl und eventuell ökonomisch ausgebeutet werden kann zu aktuellen Bedingungen. Im Grunde müßten also die „Reserven“ von allem – denn das Prinzip gilt für alle Rohstoffe – regelmäßig neu bewertet werden. Die meisten Länder tun das aber nicht. Aus Gründen.

Venezuela gehört zum Beispiel zur OPEC und dieser Laden legt seine Förderquoten fest im Verhältnis zu den Reserven, die ein Land angibt.
Öl, Kohle, Gas, Eisenerz und andere Dinge sind nur dann „Reserven“, wenn sie auch ökonomisch nutzbar sind. Alles andere fällt definitionsmäßig unter „Ressource“. Die großen Ölgesellschaften der Welt haben schon Anfang 2014 und davor dank so horrend teurer Methoden wie Fracking mit Verlusten gearbeitet. Das war vor dem Rückgang der Preise um gute 60 Prozent. Sollte jetzt eine Firma wie – sagen wir mal, Exxon Mobil – gezwungen sein, die eigenen Investitionen neu zu bewerten, dann würde der Wert des gesamten Konzerns um eben diese Prozente sinken. Denn plötzlich wäre mein Öl in den Büchern eben mit realistischen Werten verzeichnet. Das wäre allerdings für börsennotierte Großkonzerne der Energiebranche ziemlich unangenehm. Deshalb verzichtet man großzügig auf derartig kleinliche Bilanzierungsregeln. Immerhin hat man das bei den Großbanken ja auch getan. Wenn man früher miese Papiere ausgelagert hat, um sie dann aus den eigenen Büchern zu streichen und so zu tun, als sei alles tiptop in Ordnung, war das Bilanzbetrug. Heute ist es längst gängige Praxis.

Im Moment fördern sich die größten Ölländer der Welt allesamt in den finanziellen Ruin. Unter anderem natürlich auch Venezuela, denn dieses Land braucht nach verläßlichen Schätzungen einen Ölpreis von etwa 85 Dollar pro Barrel, um profitabel arbeiten zu können. Dieser Preis ist aber seit dem Herbst 2014 nicht mehr existent und auch derzeit nirgendwo in Sicht. Die Wahrscheinlichkeit, daß Venezuela also an den zu niedrigen Ölpreisen stirbt und sich in einen failed state verwandelt, steigt quasi seit gut zweieinhalb Jahren täglich. Wie Griechenland, nur eben mit Öl.
Von irgendwelchen ökologischen Aspekten oder der Tatsache, daß auch Bergbau nicht mit Hamstern betrieben wird, reden wir da mal gar nicht. Prost, Gemeinde! Continue reading →