Sic transit gloria Mutti

Das Schlimme an einer Demokratie sind manchmal ja tatsächlich die Wähler.
Der schlichtweg faschistische Präsidentschaftskandidat Bolsonaro, Angehöriger einer eher kleinen Partei Brasiliens, wird neuer Präsident. Sein angehender Superminister für Wirtschaft und Gedöns hat bereits im Vorfeld verkündet, wie sein Reformprogramm für die taumelnde Wirtschaft aussehen wird. In deutschen Medien taucht das Wort „ultraliberal“ auf. In Wahrheit verbirgt sich dahinter exakt das, was bereits seit Jahren und Jahrzehnten als offizieller ökonomischer Kurs aller Industrieländer durch die Weltgeschichte geistert: Wirtschaftsfaschismus. Oder besser, ökonomischer Totalitarismus. Bolsonaro könnte also auch FDP-Bundeskanzler sein und Hundekrawatten tragen, man würde keinen Unterschied bemerken.
Abschaffung von Arbeitnehmerrechten, Frauen zurück an den Herd und in den Kreißsaal – denn dadurch werden viele Arbeitsstellen frei – offene Bewunderung von freundlichen Typen der Menschheitsgeschichte wie Adolf H. aus B. – mit all diesen Dingen möchte das dynamische Duo aus der Hölle das fünftgrößte Land des Planeten wieder dahin zurückführen, wo es schon einmal war. Nämlich ins Südamerika der 70er Jahre, als Militärdiktaturen die eher linksliberalen Demokratien ablösten und danach Menschen folterten, wegsperrten oder einfach gleich umbrachten, weil sie einem radikalwirtschaftlichen Kurs der Alleinherrschaft von Banken, Wirtschaft und Politik irgendwie im Weg standen. Beispielsweise mit Berichterstattungen über Elendsquartiere von Tagelöhnern oder so. Die Wirtschaft störte sich nicht daran, VW do Brasil schrieb geile Gewinne in seine Bilanzen und nutzte die moderne Sklaverei aus, wo es nur ging.

Als Menschen getarnte Lebewesen wie ein Milton Friedman, Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften, flogen gerne als Berater zu den damaligen uniformierten Amtsträgern, um ihnen klarzumachen, daß nur völlige Marktbefreiung zum Erfolg führen würde. Also Befreiung der Konzerne von Steuern und Regularien, ganz besonders. Klassisches Material der sogenannten Chicagoer Schule, deren ökonomisches Denken seit Anfang der 50er Jahre mehr und mehr die Welt beherrscht. Eine menschenverachtende Ideologie, getarnt mit dem Mantel mathematisch korrekter Modelle. Bis zu seinem leider viel zu spät eingetretenen Tod bestritt ein Kerl wie Friedman jeglichen Zusammenhang seiner ökonomischen Tätigkeit mit danach umgesetzten politischen Modellen, die zum Tod hunderttausender Menschen führten, direkt oder indirekt.
Der neu gewählte Präsident Bolsonaro hat bereits angekündigt, wichtige Ämter der Verwaltungsebene mit Militärs besetzen zu wollen. Die Amtszeit dieses Mannes bedeutet eine Rückkehr der Militärdiktatur in allem außer dem Namen. Gestern hat Brasilien aufgehört, eine Demokratie zu sein. Abgewählt wurde sie besonders von denen, die alles zu gewinnen haben, weil sie ohnehin zu den oberen 5 Prozent des Landes gehören, und von denen, die nichts mehr zu verlieren haben, weil sie zu den unteren 20 Prozent gehören.
Das es diese Armen und Armseligen sein werden, die mit ihren sklavenähnlichen Schuftereiverträgen in Zukunft die Gewinne der Oberen Zehntausend ins Obszöne aufblasen werden, hat diese Leute keinesfalls daran gehindert, für ihre eigene Schlachtung auf der angeblich ultraliberalen Bank zu stimmen. Wobei selbstverständlich nicht geschlachtet, sondern ausgeblutet wird, denn das verspricht den höchsten ökonomischen Gewinn. Für die Wirtschaftsideologie der Chicagoer Schule ist nichts so sehr überschätzt wie ein Menschenleben. Vermutlich ist das der Grund, warum sich die Deutsche Bank schon mal über den neuen Mann gefreut hat.

Dieser neue Mann an Brasiliens Spitze paßt wunderbar in das Schema unseres globalisierten ökonomischen Systems. Er ist Ex-Soldat und Militärfanatiker, was Brasiliens Nachbarn freuen dürfte. Er steht auf Rinderzucht, was dazu paßt, daß er aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen möchte. Falls da jemand gerade das Geräusch von Kettensägen gehört hat, war das richtig.
Er hält auch nichts von einem säkularen Staat, sondern behauptet, daß Brasilien christlich an der Bibel ausgerichtet sei, schon immer. Natürlich katholisch-christlich und nur in der Interpretation, daß Frauen und womöglich geschlechtlich eher minderheitlich orientierten Menschen keinerlei Rechte zustehen. Sicherheit will er in seinem Land dadurch gewährleisten, daß er die Waffengesetze lockert. Vermutlich dürfte das aber nur für Menschen gelten, die in Wohngebieten leben, in denen es auch ordentlich was zu klauen gibt. Totalitäre Typen wie Bolsonaro waren schon immer ein Freund der Bewaffnung derjenigen, die den größten Teil der Vermögenswerte besitzen. Falls diese Beschreibung jemanden an den Präsidenten des mächtigen Kollegen im nördlichen Amerika erinnert – stimmt. Die beiden tun sich nichts. Continue reading →

Die Politik des Zwielichts

– III –

Kongreß der Paviane

„Es ist ja nun mal so:
Wenn‘s läuft, dann waren‘s immer alle
wenn es nicht läuft, immer alle anderen.“
Großstadtgeflüster

Demokratie ist eigentlich eine ganz brauchbare Sache. Deswegen wollen sehr viele diese Regierungsform auch gerne in die Zukunft hinüberretten. Nur sehr wenige scheinen sich und anderen die Frage zu stellen, ob so etwas wie Demokratie das Richtige sein kann oder sein wird im Jahre…sagen wir, 2070.
Im Hintergrund schwingt dabei derselbe Gedanke mit, der bei vielen anderen Dingen ebenfalls immer unterschwellig angenommen wird. Die Zukunft wird so sein wie heute, nur mehr davon. Und grüner. Irgendwie. Ob jetzt Windkraftanlagen oder Elektromobilität, alle diese projektierten Dinge sollen nach dem unerklärten Willen von Konzernherrschern und Politiksprechern lediglich weiter ermöglichen, exakt so zu leben wie heute in einem demokratischen Wohlstandsstaat deutscher oder amerikanischer Prägung.
Im Grunde, so könnte man sagen, hat heutige Politik zusammen mit den transnationalen Konzernen, die längst die eigentlichen Herrscher dieses Planeten sind – machen wir uns da nichts vor – in etwa dieselbe Aufgabe wie ein Nutri-Matic-Getränke-Synthesizer. Dieses Wundergerät, für diejenigen, die es nicht kennen, wird hergestellt von der Sirius-Kybernetik-Corporation und liefert nach sorgfältiger Analyse der Geschmacksnerven und der Biochemie des Getränkeanforderers mit einem freundlichen Spruch immer ein Getränk ab, das ein bißchen, aber eben nicht völlig anders als Tee schmeckt.
Politik liefert heute immer etwas ab, das ein bißchen, aber nicht völlig anders aussieht wie das Heute, in dem wir leben, wenn es um Dinge wie die Zukunft geht. Denn alles andere würde den Wähler vermutlich verunsichern.

In einer derartigen Atmosphäre das Richtige® zu tun wird relativ schwierig. Wie jemand neulich anmerkte, wird das Richtige immer radikaler. Aber das ist nicht korrekt. Das Richtige, wenn es erst einmal halbwegs brauchbar bestimmt ist, verbleibt in seiner Form. Was immer radikaler wird, sind politische Lösungen für Probleme, die erst durch Unfähigkeit oder Unwilligkeit eben dieser Politik zu solchen gigantischen Misthaufen wie Klimazerstörung, Ozeanen aus Plastik oder einer angeblichen Flüchtlingskrise, die gar keine solche ist, heranwachsen konnten.
Es gab eine Menge Zeitfenster seit dem Beginn der 70er Jahre, in denen man durchaus etwas hätte unternehmen können gegen eine Wirtschaftstheorie, deren psychopathische Menschenverachtung und geballter Realitätsverlust in einem geistigen Amoklauf mündete, der uns die Welt eingebracht hat, wie sie heute ist. Anstatt offensichtlich bekloppte angebliche Ökonomen wie Milton Friedman und andere Auswüchse einer Weltsicht namens „Chicagoer Schule“ so schnell wie möglich in ein Sanatorium zu bringen, um herauszufinden, was mit ihren Gehirnen nicht stimmt, machte man sie zu Wirtschaftsberatern und verlieh ihnen Nobelpreise.
In trauter Eintracht mit der Wirtschaft entschloß sich die Politik nach einem Jahrzehnt erstaunlich brauchbarer Ansätze, all diese Dinge in die Tonne zu treten und sich der drogengeschwängerten Party anzuschließen, die wir heute als „Industriegesellschaft“ bezeichnen. Im wahrsten Sinne des Wortes faßte man den Entschluß, einfach mehr Öl ins Feuer zu gießen und dann auf die Sintflut zu warten. Wenn man aber mehr Öl ins Feuer gießt, hat man dadurch insgesamt nicht mehr Öl. Continue reading →