Peace for our time

Ultrakurze Meldung zum Stand der Dinge. Ich möchte hier einen politischen Kabarettisten für mich sprechen lassen:
(mobile Leser klicken bitte hier drauf)

Das etwa ist der gefühlsmäßige Stand der Dinge bei Kassandra aktuell.
Wie ich dereinst einmal schrieb, gibt es für meine Generation einige Möglichkeiten, die Zeitrechnung in ein Davor und Danach einzuteilen.
Vor Chernobyl und danach. Schon damals wurde das Gefühl einer sicheren Welt tendenziell erschüttert. Auch das hatte ich einmal irgendwo erwähnt.

Es gab ein »Im Kalten Krieg« und ein »Nach dem Kalten Krieg« und das machte – zumindest mir – Hoffnung. Es war eine Chance. Eine Veränderung, aus der Gutes hätte erwachsen können, wäre unser industriell-politischer Komplex daran interessiert. Statt dessen hat man Quartalsbilanzen geboostet, Löhne gesenkt, weiterhin den Ökozid vorangetrieben und ansonsten gerade in Europa jede Chance einer echten Föderation der Idee gemeinsamer Geldscheine geopfert. Das mußte halt genügen.
Warum sollte man womöglich selbstständig werden wollen, so als Kontinent? Mit eigener Außen- oder Verteidigungspolitik? War doch bequem, immer schön bis über die Schultern im Arsch von Uncle Sam zu stecken. Darum haben unsere Politiker, diese elenden Feiglinge, das auch immer weiter praktiziert.

Es gab ein »Vor 9/11« und »nach 9/11«. Wie ich das einordne, hatte ich ganz zu Beginn dieses Blog-Experiments mal erwähnt.

Jetzt gibt es ein »Europa im Frieden« und seit heute Nacht, nach 77 Jahren relativer Ruhe in diesem Teil der Welt, ein »Krieg in Europa«. Ich fühle mich dabei stark wie hier erwähnt. Das Zerbrechen der Welt, das ich einmal beschrieb, hat einen neuen Aspekt hinzugewonnen. Einer, von dem ich gehofft hatte, er wäre in der hyperbewaffneten Welt des 21. Jahrhunderts Vergangenheit. Ein Vorgehen, das so nicht mehr benutzt werden kann. Aber leider kommt »Hitler revisited« dann eben doch in die Kinos. Wer sich eine Bedrohung herbeiquatschen kann und genug Waffen hat, kann offensichtlich noch immer Angriffskriege führen. Natürlich ist diese Erkenntnis nicht ganz neu, es gab ja bereits Aufführungen dieses Theaterstücks. Da kann man mal in Bagdad nachfragen.
Aber heute ist nicht der Tag, an dem ich darlege, warum ich den USA genau so wenig traue wie Russland. Selbst das peinliche Rumgelüge der Amerikaner vor den UN war geradezu oskarreif gegen den faschistischen Schwachsinn, den sich Putin für seinen Einmarsch ins Nachbarland aus dem Arsch gezogen hat. Würde Hitler noch leben oder hätte Nachkommen, sie hätten Putin wegen Urheberrechtsverletzung längst verklagen können.

Aber da stehen wir nun. Ab heute ist wieder Krieg in Europa. Ich hatte angedeutet, daß Vlad womöglich einen Landkorridor sichern will, der die Krim an Russland anbindet. Ich sehe das als optimistische Prophezeiung. Die gesamte Ukraine liegt unter Beschuss. Putin will das ganze Land und spricht von Demilitarisierung und Entnazifizierung.
Was bedeutet, daß in Zukunft nur noch Nazis und Waffen zugelassen werden, die der Kreml genehmigt hat. Wenn unseren Politschergen nichts Stärkeres einfällt, als Putin jetzt seine persönliche Kreditkarte sperren zu lassen, wird er nicht mit der Ukraine zufrieden sein.
Was käme danach? Schweden? Finnland? Die baltischen Republiken?

Denn die sind ebensowenig zu verteidigen wie früher West-Berlin. Diese Halbstadt, in die früher alle Bundeswehr-Verpisser geflüchtet sind, weil sie unter Vier-Mächte-Status verwaltet wurde. Die NATO weiß das. Putin weiß das.
Wladimir Putin will Europa haben. Bis zum Atlantik. Auch das hat er bereits mehr als einmal angesagt.
Es ist egal, was ich schreibe, nichts davon wird die Entscheidungen weiter oben beeinflussen. Aber jede Entscheidung, die auf ein Stück Papier hinausläuft, das irgendwer im Anzug oder Kostüm auf der Gangway eines Fliegers in die Luft hält, wird eine sein, die wir in ganz Europa sehr bald bereuen werden. Womöglich weltweit.

Die Lange Dämmerung wird uns in interessante Zeiten entführen. Ob wir das wollen oder nicht. Das habe ich immer gesagt. Das ist auch weiterhin gültig. Nur die persönliche Dimension ist ab heute eine andere.


Update 20220224:
Kurzer Hinweis an alle, die mir jetzt hinter den Kulissen irgendwie mit »Aber die NATO hat ja Russland eingekreist!111!« kommen wollen. Schenkt’s euch einfach.
Das ist genau dasselbe Idiotengeschwätz, das vor 120 Jahren von einem deutschen Kaiser zu hören war.
Guckt gelegentlich mal auf eine Landkarte, die nicht von RT gezeichnet worden ist.
Wenn Putin die Ukraine erobert, ist seine neue Westgrenze nämlich das NATO-Land Polen. Da hat er es dem bösen Westen aber mal so richtig gezeigt in dem Moment.

Die Angst vor der Leere

„It is far harder to kill a phantom than a reality.“
Virginia Woolf

„Die Menschen wollen einfach nicht länger belogen werden“, sagt ein Typ von der AfD über die Menschen in Görlitz, die ihn neulich als Direktkandidaten in den Bundestag gewählt haben.
Das ist im Kern erst einmal eine korrekte Aussage. Menschen wollen nicht belogen werden. Es gefällt ihnen nicht. Jedenfalls gefällt es niemandem, den ich so kenne.
Natürlich gilt das nur für den Fall, daß die Lüge eben auch erkannt wird. Ist das der Fall, ist die Begeisterung üblicherweise nicht besonders groß.
„Die Leute wissen, daß die AfD die Probleme nicht lösen wird“, sagt der Typ auch noch.

An dieser Stelle wird es interessant. Denn wenn die Leute wissen, daß die AfD die Probleme – welche genau auch immer – nicht lösen wird, warum stehen dann immer wieder Menschen rum in unserem Land und fordern von der Politik, sie müsse jetzt was machen?
Was genau, warum eigentlich, und ob das Rumgemache überhaupt den geringsten Sinn ergibt, ist schon wieder eine weitergehende Frage, die offenbar gerne vermieden wird. Aber machen muß die Politik unbedingt etwas. Augenblicklich.

So wie die ehemalige SPD. Die muß jetzt sofort politischen Selbstmord begehen und schon wieder mit der Union koalieren, weil Frau Merkel sonst in die Verlegenheit kommen könnte, regieren zu müssen. Dabei kann die das ja gar nicht. Die Bundeskanzlerin (geschäftsführend) interessiert sich gar nicht für Politik. Das ist sozusagen Merkels sahniges Geheimnis.
Auch die Pressefuzzis möchten gern an der beliebten Kanzlersimulation festhalten, denn sonst würde ja offensichtlich, wie desolat die personelle Lage der angeblichen Immer-noch-Volkspartei so ist. Frau Merkel ist so ein bißchen wie die Spielereihe FIFA von Electronic Arts. Immer wieder das Gleiche, aber neu, weil eine andere Zahl auf der Packung steht. Man weiß halt, was einen erwartet. Continue reading →

Blick über den Tellerrand

Manche Menschen müssen nicht weggehen von dort, wo sie gerade sind. Zum Beispiel türkische Soldaten, die jetzt in Griechenland bleiben dürfen, nachdem das Oberste Gericht ihre Asylanträge genehmigt hat. Die Soldaten, nach eigenen Angaben Piloten von Rettungshubschraubern und -flugzeugen, waren nach dem etwas seltsamen „Putsch“ in der Türkei nach Griechenland geflohen und hatten Asyl beantragt. Die Türkei wollte sie ausgeliefert haben, was jetzt endgültig vom Tisch ist. Zumindest juristisch.
Die Begründung des Gerichts in Athen dürfte die Zornesadern auf der Stirn des Möchtegern-Herrschers aller Türken stark anschwellen lassen. Die Richter sagten nämlich ausdrücklich nichts über eine Beteiligung oder Nicht-Beteiligung am Putschversuch. Was sie sagten war aber, daß für die Soldaten in der Türkei kein gerechtes Verfahren gewährleistet sei. Auch ein Schutz vor Folter und Mißhandlung sei nicht garantiert. Dazu käme noch die mögliche Todesstrafe – denn die will Erdogan ja gerne wieder einführen lassen. Die Türkei entspricht auf der Justizebene somit nicht den Anforderungen an einen menschenrechtlich einwandfreien Rechtsstaat und darum dürfen diese Soldaten bleiben.
Tja, wenn das mal kein Tritt in die Eier ist, weiß ich auch nicht.

Der türkische Außenminister, ein Herr namens Mevlüt Cavusoglu, sprach daraufhin davon, daß die griechische Regierung „Terroristen, Verräter und Putschisten“ beschützt. Soweit dann zu fairen Verfahren. Das wiederholt nur die bisherige Wortwahl in dieser Angelegenheit und darf dann wohl als Eingeständnis gewertet werden, daß die Richter in Athen mit ihrer Einschätzung der Lage in der Türkei vollkommen richtig liegen.
In der Reaktion will Ankara jetzt Schritte prüfen, wobei der Außenminister bereits sagte, man werde Flüchtlingsabkommen kündigen. Soweit dann zur Prüfung. Es ist dabei nicht genau klar, welche Abkommen gemeint sind.
Aber jedenfalls ist das die typische Reaktion von Leuten, die andere Leute mit irgendwelchen Forderungen anschnauzen und dann das beleidigte Opfer sind, wenn die Gegenseite nicht sofort tut, was sie wollen. Eine türkische Zeitung bezeichnete das Ganze dann auch folgerichtig als „Skandalurteil“. Das ist sogar richtig, was das gleichgeschaltete Presseorgan da von sich gibt. Nur ist es eben kein Skandal für Griechenland. Ganz im Gegenteil. Continue reading →