Crystal Meth auf der Rolltreppe

Kennt hier jemand die seit einiger Zeit gängigen „Jugendformate“ von Online-Medien?
DIE ZEIT versucht, sich mit gruseligen Gendertexten an 12jährige Daggi-Fans ranzumachen, die Schminktips auf youtube für innovativ krass halten und nicht wußten, daß man Haarspray nicht essen darf. Das größtenteils recht unselige Format heißt „zett“.

Die Erbsenpistole der Demokratie versucht, sich bei Leuten unter 30 – die sich nicht mehr dran erinnern können, daß DER SPIEGEL mal was mit ernsthaftem Journalismus zu tun hatte – mit „bento“ einzuschleimen. Dabei kommen dann Sachen raus, die Schulpersonal wieder ausbügeln darf. So wie die angebliche Wissenschaftssendung  „Galileo“, wo mal behauptet wurde, eine Kompaßnadel zeige nach Norden, weil da ganz viel Eisenerz im Boden liegt.

Da ich hier im Blog ja gerade noch eine kleine Reihe über Kunst und speziell SF laufen habe, wenn die Politik mich nicht ablenkt, habe ich da mal wieder reingelesen. Und Furchtbares entdeckt.

Wie man sich im Jahre 1900 das Jahr 2000 vorstellte.

Ohne jetzt übermäßig pingelig sein zu wollen, ist dieser Artikel eindeutig unter aller Sau. Da stellen sich mir die Nackenhaare auf, wenn ich dran denke, daß irgendwelche Lehrer derartigen Mist dann wieder korrigieren müssen, wenn ihre Schüler damit ankommen. Noch gruseliger ist der Gedanke, daß heutiges Lehrpersonal das schon selber nicht mehr hinkriegen würde mit dem korrigieren. Continue reading →

Das wahre Morgen

– VII –

Science Fiction…

„Die einzig revolutionäre Kraft ist die
menschliche Kreativität. Die einzig revolutionäre
Kraft ist die Kunst.“

Joseph Beuys

Wenn unsere Kunstformen ein Indiz dafür sind, wohin die Reise unserer Zivilisation geht, dann ist eindeutig Vorsicht geboten. Aber gleichzeitig ist Kunst die einzige Form der Verständigung, die einzige Möglichkeit der Kommunikation, die noch bleibt angesichts der Sprachlosigkeit, die das Ende eines Zeitalters immer zu begleiten scheint. Sie ist auch die einzige Möglichkeit, das andere Symptom zu überwinden: Die gnadenlose Geschwätzigkeit über vollkommen unwichtige, oberflächliche Dinge, diesen verzweifelten Versuch, Dinge, die längst nicht mehr normal sind, dadurch als normal erscheinen zu lassen, daß sie in einer Flut aus Belanglosigkeit ertränkt werden.
Kunst ist die einzige Möglichkeit, noch etwas auszurichten, etwas zu verändern, etwas anzusprechen in Menschen und Einfluß zu nehmen auf die Dinge, die da kommen werden. Alles andere hat versagt.

Eine der am weitesten verbreiteten Kunstformen ist die Literatur. In meinem speziellen Fall natürlich die Literatur aus dem Genre Science Fiction und Fantasy.
Denn die Aufgabe dieser Gattung des Gedruckten war es schon immer, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Natürlich ist auch diese Kunstform nicht immun gegen den Verlauf der Zeit und den Einfluß der realen Welt. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß Menschen die derartige Literatur schreiben, völlig weltfremde Spinner sein müssen oder sind, irgendwie abgehoben.
Ganz im Gegenteil waren ein Großteil der erfolgreichsten und einflußreichsten SF-Autoren des 20. Jahrhunderts von ihrer eigentlichen Ausbildung her Naturwissenschaftler oder in Berufen tätig, die eine recht hohe Affinität zur Realität erfordern. Es ist quasi unabdingbar, die Realität der Welt gut einzuschätzen, wenn man eine brauchbare SF-Geschichte schreiben möchte.
Außerdem ist die Gattung „Science Fiction“ deutlich älter als gemeinhin von den Lesern anderer Genres angenommen wird. Oder von denen, die eben nur ins Kino gehen. Heute, nach etwa anderthalb Jahrhunderten der Entwicklung, bietet gerade die Science-Fiction-Literatur eine ganze Menge Zukunftsvisionen, die ganz schön von gestern sind. Ein geradezu perfektes Material für eine Kassandra. Oder Blogger in ihrer Bambushütte am Rande der Gesellschaft. Continue reading →

Das wahre Morgen

– I –

Flucht aus dem 21. Jahrhundert

»Post-modern civilization: The Dark Ages with advanced technology.«
Marty Rubin

Eine wunderhübsche junge Dame mit langem Blondhaar und überaus strammen Waden, umgürtet von Spangen. Keltischen Ursprungs, wie ich vermute. Die Spangen, nicht die Waden. Die Spangen sind zu gleichmäßig gearbeitet und die Waden zu blaß und zu unverkratzt, um wirklich jeden Tag so ins Freie gehalten zu werden. Es ist ein unfaßbar heißer Tag heute. Über dem Gelände liegt die Hitze, als wolle einem der Himmel zwar nicht auf den Kopf fallen, aber sich zumindest draufsetzen.
Ich passiere zwei römische Legionäre, mit Helm und recht ausgefransten roten Umhängen. Demzufolge müßten sie beide Zenturionen sein, wenn ich mich da nicht irre. In der glühenden Sonne lassen sie sich an einem Stand mit Kleidung das Licht auf den Helm brennen. Die spinnen, die Römer.
Eine Gruppe fahrender Barbaren bietet ihre Gesänge dar. Ein Typ mit einer Kutte und Pestmaske läuft an mir vorbei. Eine diese Schnabelmasken, wie man sie von Aufzeichnungen aus dem 14. Jahrhundert und später kennt. Die damaligen Ärzte hatten unter den Schnäbeln nasse Tücher mit Kräutern eingebunden, um die verseuchte Luft nicht atmen zu müssen, die alle anderen Menschen krank machte.

Damals glaubte man nämlich noch an die Lehre vom Miasma, das stammt aus dem Griechischen und aus dem 5. Jahrhundert vdZ. Schon wieder so ein Grieche. Aber dieser Kerl war nicht irgendein alter Grieche, sondern Hippokrates. Ja, der Hippokrates. Der mit dem Eid, von dem viele glauben, daß Mediziner ihn heute noch ablegen. Was aber gar nicht stimmt.
Denn der antike hippokratische Eid würde bedeuten, daß ein Mediziner keine operativen Eingriffe vornehmen darf, um nur ein Beispiel zu nennen. Er ist, kurz und knapp, schlicht nicht mehr zeitgemäß.
Die Bedeutung des Mannes und seiner Auffassungen wird dadurch für eine medizinische Berufswahl nicht geringer. Denn Hippokrates erklärte auch, daß Hygiene ein Grundprinzip ärztlichen Handelns sein solle. Damit meinte er sowohl körperliche als auch geistige Hygiene, was schlicht bedeutet, daß auch der Arzt moralisch und ethisch verwerfliche Dinge nicht tun sollte und er sich in einem vernünftigem Zustand befinden muß, wenn er einen Patienten behandelt. Niemand möchte auf dem Tisch eines Neurochirurgen liegen, der ein Alkoholproblem hat und gerade darüber nachdenkt, mit wem seine Frau ihn gerade betrügt.
Der Arzt, so Hippokrates, soll sorgfältig beobachten und untersuchen und auch Befragungen durchführen, damit er systematisch eine Diagnose stellen und eine Therapie erarbeiten kann. Auch das geistige Wohl des Patienten ist hierbei zu beachten.

Die Technik der heutigen Anamnese, also der Vorgeschichte eines Patienten, entstammt dieser Zeit und ist bis heute gültig, ebenso wie die anderen genannten Prinzipien. An dieser Stelle ist Hippokrates von Kos völlig zeitlos.
Leider glaubte Hippokrates auch, daß die Erde selbst üble Wolken ausstößt, die wiederum zur Übertragung von Krankheiten führen. Miasmen eben. Denn das Wort bedeutet soviel wie „übler Dunst“, aber auch „Befleckung“.
Was heute irgendwie lächerlich erscheint, ist auf der anderen Seite nicht ganz falsch. Denn manche Krankheit wird ja tatsächlich über die Luft übertragen. Die Pest des 14. Jahrhunderts gehört nicht dazu, weshalb die Schnabelmasken den damaligen Pestärzten nicht hilfreich gewesen sein dürften. Strenggenommen gab es im 14. Jahrhundert noch keine Ärzte, insofern waren die Menschen damals ohne echte medizinische Versorgung. Die Lehre von den Miasmen hielt sich noch bis ins 19. Jahrhundert hinein, bis man eben dank Entwicklung der Optik endlich die vielen kleinen Tierchen betrachten konnte, die in einem Tropfen Blut oder Wasser so herumschwimmen können. Und von denen so manches unangenehme Wirkungen auf Menschen hat. Continue reading →

Gestern wird der Krieg zurückkehren

„War. War never changes.“
Fallout 4

28. Juni 1914. Sarajevo, Bosnien-Herzegowina.
Der Chauffeur des Erzherzogs Franz-Ferdinand, seines Zeichens designierter Thronfolger der k.u.k.-Monarchie Österreich-Ungarn, und seiner Ehefrau, der zu diesem Zeitpunkt schwangeren Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg, begeht einen folgenschweren Fehler. Er biegt rechts ab, in die Franz-Josef-Straße, statt nach links.
Der kaiserliche Thronfolger beschwert sich vehement. Der Chauffeur hält das Fahrzeug an, kann jedoch nicht sofort zurücksetzen, denn das moderne Fahrzeug der Marke Gräf & Stift, Baujahr 1910, verfügt zwar über einen Rückwärtsgang in seinem Getriebe, doch der muß erst einmal gefunden werden.
Am Straßenrand stehend sieht ein Mann namens Gavrilo Princip die Szene vermutlich etwas ungläubig. Eigentlich auf dem Weg, sich etwas zum Mittagessen zu besorgen, zieht Princip eine Pistole und schießt zweimal.
Die erste Kugel durchschlägt das Türblech des Fahrzeugs, sodann die Bauchdecke der Herzogin und fügt ihr schwere innere Verletzungen zu, an denen sie augenblicklich zu verbluten beginnt. Die zweite Kugel dringt in den Hals des Thronfolgers und zerreißt Halsvene und Luftröhre. Der vor ihm sitzende Graf Franz von Harrach dreht sich entsetzt um, greift zur Schulter des Erzherzogs und fragt: „Majestät, was ist Euch?“
Franz-Ferdinand erwidert noch: „Es ist nichts“, bevor er das Bewußtsein verliert.
Es werden seine letzten Worte sein. Sowohl der Thronfolger als auch seine Frau versterben an ihren Verletzungen, noch bevor der Wagen das Krankenhaus erreicht. Es ist das Krankenhaus, zu dem man ohnehin unterwegs war und zu dem man links hätte abbiegen müssen.
Denn bereits am Morgen dieses sonnigen Tages hatte es einen Anschlag auf das Paar Majestäten gegeben. Die vom Attentäter geworfene Bombe prallte jedoch am Verdeck des Wagens ab und verletzte zwei Personen des Gefolges sowie diverse Zuschauer. Franz-Ferdinand hatte trotz des Schocks beschlossen, im Krankenhaus nach dem Befinden der Leute zu sehen. Continue reading →

Ein Wechsel der Perspektive

„Eine Idee, die nicht gefährlich ist, ist es nicht wert, überhaupt eine Idee genannt zu werden.“
Oscar Wilde

Im 3. Jahrhundert vdZ wurde der bereits einmal erwähnte Grieche Archimedes von König Hieron II. an seinen Hof gerufen, weil der König eine Aufgabe für den als durchaus innovativ bekannten Mann hatte.
Der König hatte sich nämlich eine neue Krone bestellt, wie Herrscher das wohl gelegentlich tun. Dieses aus Gold bestehende Modell war natürlich recht wertvoll und so kam wohl im König der Verdacht auf, daß der beauftragte Schmied eventuell einen Teil des Goldes durch anderes Metall ersetzt hatte. Offensichtlich neigten Menschen in Herrscherpositionen bereits in der Antike zu einem gewissen Mißtrauen. Archimedes erhielt nun die Aufgabe, genau das zu überprüfen.
Was Archimedes wiederum vor ein Problem stellte.
Eine Kugel, ein Quader, ein Kubus – alle diese Dinge wären mit der damaligen Mathematik zu bearbeiten gewesen. Aber die Krone mit ihrer unregelmäßigen Form war in Zahlen nicht zu erfassen, denn die Integralrechnung war noch nicht erfunden. Der Trick war also, das Volumen der Krone zu bestimmen, ohne sie dabei zu zerstören, denn das kam natürlich nicht in Frage.

Nach einer Weile hatte Archimedes vom Grübeln die Nase voll und beschloß, einfach mal einen Tag blau zu machen und ging in die öffentlichen Bäder von Syracus. Die Legende will es, daß sich Archimedes in einer gut gefüllten Wanne genüßlich ausstreckte und dabei ordentlich Wasser über den Rand schwappte. Woraufhin Archimedes „Heureka“ ausrief – das ist griechisch für „Ich hab’s gefunden“ – und sich im Adamskostüm sprintenderweise durch die Stadt zurück zu seiner Werkstatt begab. Die Erkenntnis, die den alten Griechen in dem Moment ereilt hatte, war die, daß ein Körper im Wasser exakt so viel Flüssigkeit verdrängt, wie er selber an Volumen aufweist.
Prompt tauchte also Archimedes die herrscherliche Krone ins Wasser und dann einen Barren Gold mit dem gleichen Gewicht. Die Krone verdrängte mehr Wasser, hatte also bei gleichem Gewicht mehr Volumen. Ergo mußte sie aus noch etwas anderem bestehen als Gold. Die Legende erzählt uns nicht, was das für Folgen für den Schmied hatte, aber sie dürften nicht zwingend erfreulich gewesen sein.

Archimedes hatte also etwas völlig Neues entdeckt und gedacht, in diesem Falle das nach ihm benannte „Archimedische Prinzip“. Im Allgemeinen ist das auch die geistige Vorstellung von „Innovation“, die wir im Kopf haben, wenn jemand dieses Wort in unserer Hörweite benutzt.
Innovation, also der Erfindungsgeist des Menschen an sich, ist ein untrennbarer Teil vom Rasiermesser des Fortschritts. Und ebenso eine Lüge. Zumindest oft. Continue reading →