Das Schlimme an einer Demokratie sind manchmal ja tatsächlich die Wähler.
Der schlichtweg faschistische Präsidentschaftskandidat Bolsonaro, Angehöriger einer eher kleinen Partei Brasiliens, wird neuer Präsident. Sein angehender Superminister für Wirtschaft und Gedöns hat bereits im Vorfeld verkündet, wie sein Reformprogramm für die taumelnde Wirtschaft aussehen wird. In deutschen Medien taucht das Wort „ultraliberal“ auf. In Wahrheit verbirgt sich dahinter exakt das, was bereits seit Jahren und Jahrzehnten als offizieller ökonomischer Kurs aller Industrieländer durch die Weltgeschichte geistert: Wirtschaftsfaschismus. Oder besser, ökonomischer Totalitarismus. Bolsonaro könnte also auch FDP-Bundeskanzler sein und Hundekrawatten tragen, man würde keinen Unterschied bemerken.
Abschaffung von Arbeitnehmerrechten, Frauen zurück an den Herd und in den Kreißsaal – denn dadurch werden viele Arbeitsstellen frei – offene Bewunderung von freundlichen Typen der Menschheitsgeschichte wie Adolf H. aus B. – mit all diesen Dingen möchte das dynamische Duo aus der Hölle das fünftgrößte Land des Planeten wieder dahin zurückführen, wo es schon einmal war. Nämlich ins Südamerika der 70er Jahre, als Militärdiktaturen die eher linksliberalen Demokratien ablösten und danach Menschen folterten, wegsperrten oder einfach gleich umbrachten, weil sie einem radikalwirtschaftlichen Kurs der Alleinherrschaft von Banken, Wirtschaft und Politik irgendwie im Weg standen. Beispielsweise mit Berichterstattungen über Elendsquartiere von Tagelöhnern oder so. Die Wirtschaft störte sich nicht daran, VW do Brasil schrieb geile Gewinne in seine Bilanzen und nutzte die moderne Sklaverei aus, wo es nur ging.
Als Menschen getarnte Lebewesen wie ein Milton Friedman, Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften, flogen gerne als Berater zu den damaligen uniformierten Amtsträgern, um ihnen klarzumachen, daß nur völlige Marktbefreiung zum Erfolg führen würde. Also Befreiung der Konzerne von Steuern und Regularien, ganz besonders. Klassisches Material der sogenannten Chicagoer Schule, deren ökonomisches Denken seit Anfang der 50er Jahre mehr und mehr die Welt beherrscht. Eine menschenverachtende Ideologie, getarnt mit dem Mantel mathematisch korrekter Modelle. Bis zu seinem leider viel zu spät eingetretenen Tod bestritt ein Kerl wie Friedman jeglichen Zusammenhang seiner ökonomischen Tätigkeit mit danach umgesetzten politischen Modellen, die zum Tod hunderttausender Menschen führten, direkt oder indirekt.
Der neu gewählte Präsident Bolsonaro hat bereits angekündigt, wichtige Ämter der Verwaltungsebene mit Militärs besetzen zu wollen. Die Amtszeit dieses Mannes bedeutet eine Rückkehr der Militärdiktatur in allem außer dem Namen. Gestern hat Brasilien aufgehört, eine Demokratie zu sein. Abgewählt wurde sie besonders von denen, die alles zu gewinnen haben, weil sie ohnehin zu den oberen 5 Prozent des Landes gehören, und von denen, die nichts mehr zu verlieren haben, weil sie zu den unteren 20 Prozent gehören.
Das es diese Armen und Armseligen sein werden, die mit ihren sklavenähnlichen Schuftereiverträgen in Zukunft die Gewinne der Oberen Zehntausend ins Obszöne aufblasen werden, hat diese Leute keinesfalls daran gehindert, für ihre eigene Schlachtung auf der angeblich ultraliberalen Bank zu stimmen. Wobei selbstverständlich nicht geschlachtet, sondern ausgeblutet wird, denn das verspricht den höchsten ökonomischen Gewinn. Für die Wirtschaftsideologie der Chicagoer Schule ist nichts so sehr überschätzt wie ein Menschenleben. Vermutlich ist das der Grund, warum sich die Deutsche Bank schon mal über den neuen Mann gefreut hat.
Dieser neue Mann an Brasiliens Spitze paßt wunderbar in das Schema unseres globalisierten ökonomischen Systems. Er ist Ex-Soldat und Militärfanatiker, was Brasiliens Nachbarn freuen dürfte. Er steht auf Rinderzucht, was dazu paßt, daß er aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen möchte. Falls da jemand gerade das Geräusch von Kettensägen gehört hat, war das richtig.
Er hält auch nichts von einem säkularen Staat, sondern behauptet, daß Brasilien christlich an der Bibel ausgerichtet sei, schon immer. Natürlich katholisch-christlich und nur in der Interpretation, daß Frauen und womöglich geschlechtlich eher minderheitlich orientierten Menschen keinerlei Rechte zustehen. Sicherheit will er in seinem Land dadurch gewährleisten, daß er die Waffengesetze lockert. Vermutlich dürfte das aber nur für Menschen gelten, die in Wohngebieten leben, in denen es auch ordentlich was zu klauen gibt. Totalitäre Typen wie Bolsonaro waren schon immer ein Freund der Bewaffnung derjenigen, die den größten Teil der Vermögenswerte besitzen. Falls diese Beschreibung jemanden an den Präsidenten des mächtigen Kollegen im nördlichen Amerika erinnert – stimmt. Die beiden tun sich nichts.
Eben dieser Donald Trump steuert auf die allseits mit Spannung erwarteten midterms zu, die Zwischenwahlen zum Senat und Repräsentantenhaus in den USA, also den beiden Kammern, aus denen der Kongreß besteht. Ohne daß mir meine eigene Prophezeiung gefällt behaupte ich, daß die Republikaner, zu denen das Trumpeltier offiziell gehört, diese Wahlen nicht etwa erdrutschartig verlieren werden, wie es sich so viele Demokraten erhoffen.
Denn der einzige Grund, aus dem diese sich einen solchen Ausgang erhoffen, ist die Tatsache, daß jetzt, im Jahr Zwei nachdem Hillary nur wegen der bösen Russen nicht Präsidentin geworden ist, doch wohl auch der Letzte eingesehen haben muß, was für ein unfähiger Arsch dieser Typ im Weißen Haus ist.
Wie schon seit November 2016 vergessen die Demokraten dabei geflissentlich einige Dinge. Beispielsweise, daß die letzten Wahlen nicht verlorengingen wegen irgendwelcher im Internet auf den asozialen Medien herumwildernden Russentrolle. Oder sind das dann Internet-Bären? Trolle gehören irgendwie nach Skandinavien, glaube ich.
Jedenfalls war die versuchte Wahlbeeinflußung über moderne virtuelle Medien nach allen dazu gestarteten ernsthaften Untersuchungen völlig wirkungslos. Es ist überhaupt enorm witzlos, sich über Propaganda zu beschweren, wenn man gerade versucht, eine Frau ins Weiße Haus zu hieven, die wie keine andere ein Sinnbild des „Weiter so“ in der Politik ist wie Hillary Clinton.
Donald Trump hat die US-Gesellschaft auch nicht gespalten und zerissen. Das ist es, was ihm seine Kritiker vorwerfen. Wieder einmal. In Pittsburgh erschießt ein Amokläufer ein Dutzend Menschen, allesamt Juden, denn seine Opfer werden in einer Synagoge von ihm aufgesucht. Sowohl die Clintons als auch andere erklärte Gegner und Kritiker Donald Trumps erhalten Brief- und Paketbomben zugeschickt. Auch hier ist der Täter ein bekennender Fan des Präsidenten.
Der wiederum sieht keinerlei Zusammenhang mit seiner martialischen Arschlochrhetorik, die er zum Stil erhoben hat. Wenig verwunderlich. Zusammenhänge zu erkennen war noch niemals etwas, das ein Donald Trump hinbekommen hätte.
Die Demokraten allerdings auch nicht, denn sonst wären sie bei ihrer Wahlanalyse nach zwei Jahren mal etwas weiter als bei der Behauptung, alle anderen seien schuld, nur sie selbst nicht. Miss Clinton hat ein ganzes Buch darüber schreiben lassen, warum alle anderen schuld sind. Echte Erkenntnis sieht anders aus. Die Demokraten sind quasi die spd der USA. Und Hillary ist Andrea Nahles.
Der Zerfall der industriellen Demokratien beschleunigt sich weiter. Das Phänomen ist global sichtbar. Schuld daran sind nie Politik und Ökonomie, sondern immer jemand anders.
Wenn allerdings die Wirtschaftszahlen sich dank erfolgter Steuersenkungen für Reiche, Superreiche und Konzerne verbessern, dann nimmt Trump das gerne für sich in Anspruch. Da ist er ganz Politiker. In Deutschland reden auch immer alle davon, wie toll sie Arbeitsplätze schaffen. Selbst wenn das bedeutet, der Erpressung von Konzernen nachzugeben, die mit dem Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen drohen, nachdem sie massiven Betrug begangen haben. Arbeitsplätze, das Argument zieht immer. Ob es morgen noch Fische gibt, wen interessiert das schon? Wir brauchen heute Arbeitsplätze für Fischer und keine Fangquoten, denn dann hätten die ja weniger Arbeit. Ich verweise nach oben auf die Logik unseres allseits beliebten Wirtschaftssystems.
Auch sonst könnte es für den Donald nicht besser laufen. Laufen tun nämlich auch einige Millionen Migranten, die aus Ländern stammen, die noch ärmer sind als Mexiko, durch das sie durchlaufen müssen, um die USA zu erreichen. Eigentlich sind es nur ein paar Tausend, aber faschistoide Paranoiker, wie Trump-Fans nun mal sind, neigen gerne zur Übertreibung. Glaubt man den entsprechenden Webseiten in den USA, steht der Untergang der weißen Herrenrasse durch sie totvögelnde Untermenschen mit brauner Haut unmittelbar bevor. Das ist keine Erfindung meinerseits, sondern in etwa das, was hirnkranke Menschenhasser wie Alex Jones und seine Anhänger gerne mal von sich geben. Falls jemand den Mann nicht kennt: Googeln Sie ihn nicht, der ist nur was für sehr starke Nerven und verzerrte Weltbilder. Trump jedenfalls spielen diese Ereignisse in die Hände, das Militär ist bereits zur Südgrenze unterwegs. Bessere Wahlpropaganda hätte sich keiner ausdenken können.
Zum Sieg bei den midterms wird Trump aber die Debatte um seinen zweiten Richter am Supreme Court verhelfen. Der hysterische Twitter-Feminismus unter seinem #mewhatever-Banner hat dafür gesorgt, daß sämtliche Errungenschaften für Minderheiten jetzt auf Jahrzehnte hinaus wieder in Frage gestellt sind. Im Grunde haben die USA mit der Ernennung dieses zweifelhaften Charakters ihr eigenes Auseinanderbrechen klar beschleunigt. Denn nichts anderes spielt sich vor unseren Augen seit einiger Zeit deutlich ab. Die USA sind inzwischen nur noch ein fiktives Wortgebilde. Trump hat diesen Zustand allerdings nicht herbeigeführt, wie seine Kritiker gerne unterstellen. Er hat ihn lediglich ausgenutzt und auf der Klaviatur gespielt, die er vorfand. Ebenso wie sein Kollege in Brasilien.
Die Hysterie um den Richter für den Supreme Court, Mr Kavanaugh, hat vor allem eines getan: die Wahlbasis der Republikaner zu mobilisieren. Das sage nicht ich, das sagte ein Sprecher der Republikanischen Partei, nachdem der Kerl schließlich mit exakt den 50 Stimmen zum obersten Bundesrichter ernannt worden war, die dazu notwendig sind.
Eigentlich waren einmal 60 Stimmen im Senat nötig, um einen Richter zu berufen. Aber diese Regelung wurde 2017 gekippt, als der erste Kandidat Trumps zu scheitern drohte. Also der Mann, dessen Platz noch in Obamas Amtszeit längst wieder hätte besetzt werden müssen. Das ging aber nicht, weil sich die Republikaner dagegen sperrten. Kaum waren sie an der Macht, warfen sie dem politischen Gegner Blockadehaltung vor und setzen dann die erwähnte Änderung durch.
Nicht umsonst hat man das in der Senatspolitik als „nuclear option“ bezeichnet. Denn es ist ein sehr viel gefährlicherer Zug als die eigentliche Ernennung eines Richters mit möglicherweise dubioser Vergangenheit. Bis dahin war immer ein Kompromiß notwendig zwischen den beiden Parteien der USA, um so einen Posten zu besetzen. In den allermeisten Fällen hatte nie eine Seite über 60 Stimmen der 100 Senatoren für sich. Es gab also sehr wohl einen guten Grund, warum diese Stimmanzahl notwendig war.
Diese Einschränkung hat Trump weggewischt. Die Checks and Balances, auf die Amerikaner in ihrem präsidialen System so stolz sind, funktionierten schon länger nicht mehr wirklich. Trumps Präsidentschaft beseitigt die hinderlichen Trümmer endgültig. Ebenso wie seine Rhetorik alle Schranken weggewischt hat, die es noch gab. Ganz genau diese Taktik verfolgen sowohl Bolsonaro in Brasilien als auch die „AfD“ in Deutschland. Demokratie wird normalerweise nicht einfach ermordet. Sie wird vergiftet, auf die Intensivstation gebracht und dann zieht irgendwann einer den Stecker raus.
Es reicht einfach nicht, sich dahinzustellen und Schilder zu schwenken, auf denen steht „Ich glaube ihr!“, wenn einem Mann, der als Kandidat für ein hohes Amt gehandelt wird, sexuelle Verfehlungen vorgeworfen werden.
Anschuldigungen der vorgebrachten Art haben nichts mit glauben oder gar Glauben zu tun. Sie müssen gründlich untersucht werden. Eventuell auch gerichtlich.
Das ist selbstverständlich nicht geschehen im Falle Kavanaugh. Denn eine „Untersuchung“ durch das FBI, die keine Woche dauern darf, um Dinge zu klären, die mehr als 30 Jahre zurückliegen, ist keine Untersuchung, sondern eine Farce.
Im Grunde hat Donald Trump eine Untersuchung angeordnet mit der Maßgabe, daß diese nichts finden darf. Woraus die angeblich widerständigen Senatoren der Republikaner dann auch kamerawirksam den Schluß zogen, daß nichts passiert sei. Schließlich hat das FBI ja keine Hinweise geliefert, die die Vorwürfe bestätigen. Das wäre aber auch ohnehin nicht sein Job gewesen. Der kreischende Twitter-„Feminismus“ unter metoo-Segeln, der Anschuldigungen mit Beweisen gleichsetzt, solange der Beschuldigte nur ein Mann ist, hat also mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür gesorgt, daß der kranke Mann im Weißen Haus auch bis 2024 dort verbleiben wird. Meinen Glückwunsch. Das wird die Welt sicherlich verbessern.
Denn wenn man es unter den jetzigen, noch halbwegs vorteilhaften Bedingungen nicht einmal gebacken kriegt, die Midterms zu gewinnen, wird es in zwei Jahren auch keine Mehrheit für einen Demokraten geben. Kassandra sagte bereits, daß die Wahlen von 2016 das politische System der USA schlicht endgültig zerstören würden. Es war nur die Frage, welche der beiden angeblichen Parteien es zuerst zerreissen wird. Die Antwort dürfte sehr bald deutlich werden. Der erträumte Erdrutschsieg der Demokraten wird ebenso ausbleiben wie der herbeiphantasierte unabdingbare Sieg bei den letzten Wahlen. Am Ende werden die Republikaner womöglich sogar stärker sein als vorher, wenn alles ganz schlecht läuft.
Trump wird also weiter das weltpolitische System Zug um Zug in Trümmer legen. Seine Aufkündigung des INF-Vertrags ist nur ein weiterer Schritt. Dieser Vertrag regelt die Vernichtung von Atomwaffen mittlerer Reichweite, die sich in den Arsenalen der USA und der ehemaligen Sowjetunion befanden. Wobei „mittlere Reichweite“ alles zwischen 500 und 5.500 km umfaßt. Er gilt als Meilenstein nuklearer Abrüstung, der dazu geführt hat, daß wir uns heute nur noch drei- oder viermal nuklear auslöschen können und nicht mehr 21mal wie noch zu meinem Zeiten auf dem Gymnasium. Fortschritt ist schon eine klasse Sache.
Sollte diese Kündigung Donald Trump zu dem Fehlschluß verleiten, er könne in Europa und speziell in Deutschland, seinem ansonsten willigsten Vasallen, neue Atomwaffen stationieren, wird es Zeit, wieder auf die Straße zu gehen. Falls jemand alt genug ist, um sich an die Proteste gegen den NATO-Doppelbeschluß zu erinnern: Ich hätte das dann gerne in dreifacher Ausfertigung, falls die Rüstungsindustrie der USA, belebt von Prässident Donald, ihre Produkte unbedingt bei uns parken möchte.
Denn wer dagegen nicht protestieren will, der wählt auch weiterhin CxU oder spd und ist ohnehin jemand, dessen Wahlrecht man einziehen und meistbietend an jemanden versteigern sollte, der noch was damit anfangen kann. Die Bundesregierung, bestehend aus den genannten Parteien, „bedauert“ den Schritt der USA, statt auf der diplomatischen Bühne den Mittelfinger zu heben und den US-Stützpunkten in Deutschland endlich mal den Strom abzustellen, damit die Truppen verschwinden.
Vermutlich haben so manche Wähler in Hessen ähnlich gedacht, dem Bundesland, das jetzt fünf Jahre lang überraschend geräuschlos von einer schwarz-grünen Koalition regiert wurde. Vor fünf Jahren, als Volker Bouffier darüber öffentlich nachdachte, diese sympathische Valiumtablette mit einem Gesicht zwischen Teddybär und alternder Bulldogge, da ging in der Presse die Welt unter. Mit den Ökofritzen zu koalieren als CDU-Ministerpräsident? Eine Panikwelle rollte durch Frankfurt am Main und wühlte den Ebbelwoi im Gerippte* auf, das des Stöffche nur so über den Rand schwappte. Und heutzutage muß derselbe Mann dann verkünden, die CDU habe ja zwei klare Wahlziele gehabt. Unter anderem, stärkste Partei zu werden.
Die CDU. In Hessen. Das ist in etwa so, als würde in Rom das Konklave zusammentreten und als Zielvorgabe formulieren, der neue Papst müsse ja schon ein katholischer Mann sein. Das die CDU weiterhin stärkste Partei in Hessen sein würde, stand überhaupt niemals zur Debatte. Aber das derartige Selbstverständlichkeiten inzwischen als erreichte Ziele getarnt werden müssen, um davon abzulenken, daß man vom Wahlvolk gerade schon wieder eins auf die Fresse bekommen hat, zeigt das Siechtum der ehemaligen Großparteien Deutschlands überdeutlich.
Gute 50 Prozent aller Hessen-Wählerinnen, – Wähler und – WähleriXe sagten im Nachhinein, sie hätten protestgewählt, um ein Signal nach Berlin zu senden. Da fragt man sich, wie viele Signale man eigentlich noch dahin senden möchte, bevor einer den Schuß hört. Aber jetzt scheint es funktioniert zu haben. Die Kanzlerin aller Deutschen (außer „AfD“-Wählern) stellte sich hin und räumte ein, sie habe als Parteichefin und Regierungschefin wohl auch eine gewisse Verantwortung für die miesen Wahlergebnisse.
Wochenlang war bereits in Medien diskutiert worden, was denn Anfang Dezember geschehen werde. Denn da ist Bundesparteitag der CDU und der Vorsitz wird neu gewählt. Schon immer hat Frau Merkel dieses Amt mit der Kanzlerschaft in Personalunion als untrennbar betrachtet.
Seit gestern ist diese Frage ebenfalls beantwortet: Angela Merkel kandidiert einfach nicht mehr zum Vorsitz, will aber Kanzlerin bleiben. Untrennbarkeit? Mir doch schnuppe. In unnachahmlicher Merkeligkeit zuckt der Hosenanzug Deutschlands mit den Schultern. Exakt das, was ich erwartet hatte. Es gab noch nie einen Punkt in der Politik, der einer Angela Merkel im Zweifelsfalle nicht egal gewesen wäre.
Das sie jetzt den Parteivorsitz abgeben will, ist tatsächlich ein Schritt der Erkenntnis. Aber es ist auch ein typischer Fall von „Too little, too late.“
Frau Merkel hat denselben Fehler gemacht wie bisher alle Kanzler: Den richtigen Moment zum Gehen nicht erkannt zu haben.
Vor zwei Jahren, nach der Sommerpause 2016, hätte sie sich vor ihre Partei stellen müssen und sagen: „Ich bin dann mal amtsmüde und stehe für eine weitere Kanzlerkandidatur nicht zur Verfügung.“
Zeter, Mordio, Panik und Verwüstung bei der CxU hätte es gegeben. Messerstechereien auf den Fluren des Bundestages. Erklärte Gegner ihrer Politik hätten mit kreideweicher Stimme öffentlich verkündet, daß sie natürlich weitermachen müsse – was ja auch tatsächlich passiert ist im Wahlkampf.
Jetzt hat auch die CxU ihr Hauen und Stechen und blickt entsetzten Auges in den politischen Abgrund, den sechzehn Jahre Helmut Kohl und dreizehn Jahre seiner geistigen Ziehtochter ihr hinterlassen haben. Allerdings vor dem Hintergrund wesentlich mieserer Wahlergebnisse. Parteiweit nur unzulängliches Mittelmaß, und auch das nur mit großzügiger Bewertung.
Statt selbstbestimmt zu gehen, ist die Kanzlerin besiegt und getrieben. Sie wird keine drei Jahre mehr im Amt bleiben. Das wäre genau die politische Arroganz, die so viele Wähler vergrätzt und aus CxU und ehemaliger spd Volksparteien ohne Volk gemacht hat. So wie die SPD nicht erkannt hat, daß Parteiselbstmord zum gerne von ihr beschworenen „Wohl des Landes“ wenig sinnvoll ist, war Merkels Beharren auf Unersetzlichkeit ein Bärendienst für das Land und ihre Partei. Es muß jetzt enden.
„Wohl des Landes“ bedeutete bereits am Wahlabend im September letzten Jahres, daß die SPD niemals hätte in diese Koalition gehen dürfen.
Aber dann wurde sie von diversen Seiten medial hineingeschrieben und ist – wie immer eigentlich – umgefallen.
Ich habe kein Mitleid mehr übrig für diese Abwracktruppe, die immer noch Wahlergebnisse analysieren möchte, statt einzusehen, daß man den eigenen Wählerkern vor 20 Jahren ohne Fallschirm aus dem Flieger geworfen hat. Schon vor Hartz IV war Schröders Politik ja nichts, was mit Sozialdemokratie zu tun gehabt hätte.
Natürlich braucht Deutschland eine sozialdemokratische Partei. Aber hier gilt dieselbe Antwort wie bei FDPlern, die immer betonen, das Land brauche eine liberale Partei: „Wer denkt denn dabei an euch?“
Wer heute sozialdemokratische Politik will, muß Die Linke wählen. In der ehemaligen spd wird man bei Andeutung von Sozialdemokratie wegen parteifeindlicher Umtriebe doch sofort verhaftet. Die Linkspartei wählt aber auch keiner, weil die sich seit anderthalb Jahrzehnten als komplett unfähig erweist, ihre Wahlklientel auch mal da aufzusuchen, wo sie eben wohnt und meistens nicht wählt.
Und die CxU? Nun ja – die konnte noch nie umfallen, weil sie für nichts steht oder stand. Jetzt laufen ihr die angeblichen Konservativen weg, für die dieses Wort schon immer bedeutet hat „Alles meins!“ Das Bewahren von Werten kann man eben auch anders verstehen. Von wem man da was zusammengerafft hatte, war egal. Hauptsache, man hat’s halt und die anderen kriegen nichts.
Wer sollte es also tun – in die Fußstapfen der abstürzenden Entenkanzlerin treten?
Die ehemalige spd, die sich jetzt zitternd und weinend in dunklen Ecken an ihre Parteiämter klammert und sich vor Neuwahlen in einer Demokratie fürchtet wie weiland Vlad Dracul vor Knoblauchessenz mit Weihwasser, ist mit dem Adjektiv „erbärmlichst“ noch diplomatisch wohlwollend beschrieben. Frau Merkel kann man zumindest attestieren, den Schuß dann doch endlich einmal gehört zu haben. Andrea Nahles, Olaf Scholz und Lars Klingbeil stecken sich noch immer die Finger in die Ohren und singen LaLaLa, um den Lärm der sich zusammenrottenden Menge auf dem Schloßplatz nicht hören zu müssen. Wenn das Volk kein Brot hat, soll es halt Kekse essen. Wir müssen Wahlergebnisse analysieren und Fahrpläne aufstellen.
Ich hatte schon bei den Wahlen 2013 dringend dafür plädiert, die SPD in die Opposition gehen zu lassen. Aber sie wollte Macht. Ich habe noch vehementer für Opposition plädiert vor einem Jahr. Doch wieder einmal ließen die armseligen Reste deutscher Sozialdemokratie jeglichen politischen Überlebensinstinkt vermissen. Auf der Titanic, auf der Nahles und Konsorten Dauerkarten haben, wird die Kapelle spielen, bis der rottende Kahn in den eisigen Fluten versinkt. Und selbst dann wird für Andrea Nahles noch irgendwer oder – was schuld sein, nur sie selbst nicht oder die Agenda 2010.
Ich muß das nicht mehr analysieren. Die ehemalige spd wird nicht mehr gewählt wegen ihrer beschissen menschenverachtenden Politik. So simpel ist das. Dank der erfolgreichen Arbeit diverser Großer Koalitionen führt nicht nur unsere glorreiche Armee als Beschwerde ins Feld, daß sie über zu wenig Personal und Ausrüstung verfüge, sie wird dabei auch noch vom fußlahmen und gichtkranken Heer der Pflegekräfte in Deutschland überholt. Die haben auch weder das eine oder das andere, kriegen aber noch weniger Geld. Dafür großartige Tips vom Bundesgesundheitsminister.
Das merkelsche Kaiserinnenreich krankt an derselben Symptomatik wie schon Rom. Man tut so, als wäre man eine Republik, obwohl man längst imperial verwaltet wird. Um aber den Anschein zu wahren, gibt es keine Nachfolgeregelung. Nirgendwo ist auch nur ein Schatten politischer Kompetenz zu sehen, den ich wählen würde – selbst als CDU-Wähler nicht. Wie Roundup Ready® von Bayer hat das Totalherbizid Angela Merkel, ganz nach kohlscher Manier, jedes hoffnungsvolle Pflänzchen auf politischem Boden gnadenlos ausgerottet. Ein Totalpolitizid quasi.
Was soll die Partei an sich tun?
Die CDU könnte nach rechts rücken. Allerdings hat ihre unselige Schwester CSU exakt das in den Bayern-Wahlen versucht und ist dafür ebenfalls massiv abgestraft worden. Angela Merkel hat die CDU so weit nach links gerückt, das sie von dort nicht einfach wird zurückkehren können.
„Links“ ist hier natürlich relativ zu verstehen. Nimmt man die CDU des Jahres 1990 als Maßstab, gab es von dort schlicht keine andere politische Richtung, wollte man nicht hakengekreuzigt werden.
Sollte die CDU also versuchen, mit einem „Rechts schwenkt, marsch!“ in alte Gefilde zurückzukehren, wird sie sehr viele jüngere Wähler und Mitglieder damit vergraulen. Denn auch die gibt es ja schließlich. Es ist mir persönlich unverständlich, wie man als 23jähriger Student schon derartig depressiv keine Zukunftsvorstellung haben kann, daß man in der Jungen Union tätig wird, aber solche Leute existieren.
Insgesamt ist diese Klientel aber in einem völlig anderen Deutschland aufgewachsen als Menschen, wie ich einer bin. Trotz aller Fehler unserer Gesellschaft und aller Bemühungen innerlicher Hundekrawattenträger handelt es sich beim Deutschland des 21. Jahrhunderts um eine deutlich liberalere und progressivere Gesellschaft als die von 1990 oder noch früher. Es waren die angeblich Konservativen, die die Wehrpflicht erlegt haben, die Doppelstaatsbürgerschaft eingeführt und die Ehe für alle auf den Weg gebracht. Zu spät und widerwillig, aber immerhin.
Ein offen Homosexueller wie Jens Spahn wäre noch vor dreißig Jahren in der Regierungspartei zu einem doppelmoralischen Heuchlerleben verdammt gewesen wie es heute eine Alice Weidel als Galionsfigur der Alternative für Deppen ist.
Nach rechts schwenken und in ihre glorreich erträumte Vergangenheit zurückkehren, ist für die CDU unmöglich. Dieses Schiff ist unter Merkels Kanzlerschaft verbrannt und gesunken.
Eine Rückkehr nach rechts würde die CDU also die Wähler und Unterstützer verlieren lassen, die eine Zukunft für die Partei darstellen könnten, weil sie ihre Grabstellen noch nicht gebucht haben wie so viele andere Wähler dieser Partei. Der zweitgrößte Verlustblock für die CDU waren bei der Hessenwahl im Vergleich zu 2013 nicht die Überläufer zur AfD, sondern die Ausgesegneten in die Ewigen Jagdgründe. Damit folgt das Bundesland dem nationalen Trend.
Tote wählen aber nicht, weil Zombies sonnige Wahlsonntage nun einmal nicht mögen und sie außerdem keine Einladung mehr bekommen. Ein Mann wie Jens Spahn könnte also einen erneuten Rechtsschwenk der CDU weder glaubwürdig vertreten noch würde er damit mehr Stimmen gewinnen. Selbst wenn ein Teil der zur „AfD“ Entfleuchten zurückkäme, wäre die Anzahl der von dieser Gruppe mittelfristig noch zu erwartenden Wahlkreuze eindeutig geringer. Die Träger der Zukunft eines Landes sind nun einmal nicht die Leute, die noch dem Kaiser in seiner Droschke zugejubelt haben.
Was an dieser Stelle auch einen Kandidaten wie Wolfgang Schäuble, genannt „Der Unbestechliche“, in vollem Umfang ausschließt.
Ich gehe auf das halbe Jahrhundert zu und bin sicherlich kein CDU-Wähler, aber wäre ich es, könnte ich den Streitwagen ihrer merkeligen Majestät schon wegen seiner verbleibenden Restlebensdauer nicht wählen. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht, sollte schlicht nicht mehr wählbar sein dürfen in Deutschland. Auch eine Änderung, die längst überfällig ist.
Friedrich Merz, diese beleidigte Leberwurst, die seit einem Jahrzehnt für die freie Wirtschaft juristet und inzwischen Millionen damit verdient hat, Konzerne vor den Folgen ihrer kriminellen Machenschaften zu schützen, wäre ebenfalls kein Kandidat für mich. Er wird medial als „wirtschaftsliberal“ bezeichnet. Ich verweise auf meine brasilianische Einleitung.
Außerdem ist der Kerl führendes Mitglied der „Atlantik-Brücke“, dieses propagandistischen Leuchtturms neoliberalistischer Sklavenhaltermentalität unter amerikanischer Führung. Ich verweise auf meinen amerikanischen Zwischenteil. Wer solche angeblichen Verbündeten hat, braucht keine Feinde mehr extra.
Es gibt bereits genug Drehtürpolitik amerikanischer Prägung in Deutschland. Schlimm genug, wenn Ex-Kanzler sich dem Schalke-Sponsor in die Arme werfen. Aber ein Typ, der aus der Wirtschaft ins Kanzleramt wechseln will, kommt nicht in Frage. Außerdem kann man kaum „liberaler“ sein als Frau Merkel.
Ob Dieselskandal, strengere Grenzwerte von seiten der EU oder Braunkohle – stets hat Angela die Alternativlose derartig tief im Auspuff der angeblichen Zukunftsindustrie Autobau gesteckt, daß ihr Gesicht am Frontgrill als Markenzeichen wieder rauskam. Und das ist nur ein Beispiel.
Gerade eben erst hat man als großen Erfolg verkaufen wollen, daß sich Arbeitgeber jetzt wieder komplett paritätisch an den stetig steigenden Gesundheitskosten beteiligen müssen. Hätte man dieses System nicht vor einigen Jahren gekippt, müßte man jetzt gar nicht dran rumlaborieren. Auch sonst zeigen Cum-Ex-Skandal und Panama Papers wunderbar, daß „freier Markt“ vor allem bedeutet, Konzerne von Steuerzahlungen zu befreien und die Last übernutzter und verrottender Infrastruktur der Gesamtgesellschaft aufzubürden, sofern diese nicht mehr als fünf Mille brutto nach Hause bringt von der Arbeit. Für die kinderlosen Jens Spahns dieser Welt gibt es jenseits davon die Beitragsbemessungsgrenzen.
Weder ein Jens Spahn in seiner arroganten Vollidiotie noch eine Ursula von der Leyen, die Volksempfängerin der Nation, kommen für eine Merkel-Nachfolge ernsthaft in Frage. Auch eine hochgehypte Hausmutter im Steppwestchen wie Annegret Kramp-Karrenbauer wird keinesfalls Kanzlerin Deutschlands werden. Die Frau braucht einen Stilberater, einen Haarschnitt und ist zudem eine klare Ansage für das „Weiter so“, in der Fachpresse des deutschen Politjournalismus auch Kontinuität genannt.
Exakt das wollen die Wähler aber offensichtlich nicht mehr haben. Wenn man mit der Politik kontinuierlich in den Abgrund und hinter die Fichte geführt wird, ist das auf Dauer kein Wunder. In Brasilien hat die Wahlbevölkerung die amtierenden Korruptionsschergen und ihre politische Arroganz derartig gehaßt, daß sie auch einen Werwolf zum Präsidenten gewählt hätte. Jetzt ist es noch schlimmer gekommen.
Klar kann man also die Gesichter dieser Personen auf Plakate drucken, aber wer sollte die wählen?
Gesundheits-Jens würde Langzeitarbeitslosen vermutlich Überstunden empfehlen, damit sie im 1-Euro-Job mehr verdienen, Volksmutter vdL würde als Kanzlerin jedes Jahr 150 Milliarden für Beraterfirmen ausgeben, in denen ihre Kinder arbeiten, und die dann nach ausgiebiger Analyse verkünden würden, daß die Politik einfach das Volk entlassen sollte, um wieder konstruktiv arbeiten zu können. Das ist nämlich das Ergebnis, mit dem Unternehmensberater immer auf den Markt kommen. Die Ministerien für Verteidigung und Gesundheit sind wie der BER in Berlin. Um das ordentlich hinzukriegen, müßte man den ganzen Mist wegsprengen und neu hochziehen, unter Ausschluß aller vorher daran Beteiligten, versteht sich. Wer solche Ministersessel übernimmt, ist auch einfach zu doof, um Kanzler sein zu können.
Neuwahlen, das Untergangsgespenst der Antidemokraten der spd, sind unvermeidlich. Quasi alternativlos, möchte ich sagen.
Eine Sondierung von Jamaika ohne Neuwahlen, wie es einige Medien spekulieren, auch angesichts des plötzlich etwas kleinlauten Chefs der Linder-Partei, wird es nicht geben. Die Grünen wären enorm dämlich, gerade jetzt auf Neuwahlen zu verzichten, die dann erst in einigen Monaten stattfinden würden. Irgendwo im März oder April vermutlich.
Sollten die Zahlen der CxU bis dahin weiter sinken und die der Grünen weiter steigen, könnte die ehemalige Öko-Partei sogar stärkste Kraft im Bund werden. Aber auch, wenn ein neuer Kanzlerkandidat die Stimmen beleben sollte und die CxU zehn Prozent drauflegte, es würde für schwarz-gelb in einem Sechs-Parteien-Parlament niemals genügen. Ebenso wie in Hessen wird auch nach den Neuwahlen eines sicher sein: Ohne die Grünen geht nichts.
Geil wäre es, es gibt Neuwahlen und die CxU kriegt 23 und die Grünen 25 Prozent. Dann tragen sie den Gauland nach seinem Schlaganfall mit den Füßen voran aus dem AfD-Wahlstudio. Ich bin mal gespannt, ob die AfD dann auch wieder postet und twittert, daß wir nur ihr das alles zu verdanken haben, wenn es einen grünen Kanzler geben sollte. Die behaupten ja sonst immer, sie wären für alles verantwortlich. Natürlich nur für das, was ihnen in den politischen Kram paßt.
Wobei noch immer das Problem bestehen bleibt, daß man auf Bundesebene immer auch mit der CSU koalieren muß, wenn man die CDU dabei hat. Das ist ein Knoten, der auch endlich mal gelöst werden muß. Das mit der ewigen Union der beiden C-Parteien ist innenpolitisch so, als hätte der Kerl mit den italienischen Lederschuhen immer Scheiße am Hacken, während er über den neuen Seidenläufer im Konferenzsaal trampelt.
Angela Merkel kann nicht noch drei Jahre im Amt bleiben. Sie darf es nicht. Es ist vorbei und eigentlich wissen das alle spätestens seit dem letzten Wochenende.
Wie soll die größte Volkswirtschaft Europas in den nächsten Jahren bei Verhandlungen auftreten?
Wenn es gilt, den Brexit zu verwalten oder Italien nicht aus dem Euro brechen zu lassen? Was soll passieren, wenn man sich entschließen muß, den demokratisch ebenfalls wegdriftenden Polen und Ungarn das europäische Stützrad zu entziehen?
Denn auch diese Entscheidung kann nur noch bedingt vertagt werden. Wer den – gerade im Brexit immer wieder betonten – angeblichen europäischen Werten nicht folgen will, wer als katholisch-christliches Polen keinerlei Barmherzigkeit oder Hilfsbereitschaft aufzubringen bereit ist, der muß gehen. Mit 10 Milliarden pro Jahr und 13,5 Milliarden erhalten Ungarn und Polen mit Abstand das meiste Geld aus europäischen Töpfen. Die Regierungen nutzen das Geld, um die Demokratie auszuhöhlen und Zäune zu bauen und natürlich, um ihre wirtschaftspolitische Kompetenz zur Schau zu stellen.
Wenn Europa 2020 noch existieren will, kann es dieses lächerliche und beschämende Spiel nicht länger hinnehmen. Bei all diesen Dingen ist ein deutscher Regierungschef gleich welchen Geschlechts, der nicht nur eine lahme, sondern auch eine blinde und einbeinige Ente ist, auf keinen Fall akzeptabel. Europapolitik kann nicht mit einer stetig im Vakuum dahintaumelden Führungsetage in Deutschland stattfinden.
Kassandra hat im Rahmen der Langen Dämmerung als eines der klaren Zeichen die Zunahme politischer Instabilität genannt, ein Verschwinden von Demokratie und freiheitlichen Elementen. Diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren verstärken, allen Versuchen zum Trotz, dieses Symptom einzudämmen. Denn alle Parteien, sei es in Deutschland oder anderswo in Europa, sei es in China oder seien es die Grünen, werden sich weiterhin weigern, die eigentliche Krankheit sehen zu wollen.
Die Zukunft politischer Großgebilde wie der EU, den USA, Rußlands, Chinas oder anderer ist bestenfalls ungewiß.
Aber zumindest könnte eine Regierung, die in zunehmendem Zerfall einen kühlen Kopf behält, notwendige Dinge noch geplant abwickeln. Je länger ein Land wie Deutschland nicht-regiert wird, also in CDU-typischer Manier verwaltet, desto weniger Möglichkeiten wird es in Zukunft geben, Dinge noch in eine halbwegs brauchbare Richtung zu lenken. Das gilt auf Ebene der internationalen Politik ebenfalls.
Mit jedem Monat werden Optionen verloren gehen, Möglichkeiten unwiederbringlich verstreichen, Handlungsrahmen immer kleiner werden und immer wirkungsloser. Die Kapelle mag noch so laut spielen, auf das Sinken des Schiffs hat das keinerlei Auswirkungen. Nichts wird das Sinken der Sonne zum Horizont aufhalten können. Nur mit dieser Erkenntnis ist es möglich, sich auf die Nacht vorzubereiten.
„des Gerippte“ ist im Hessischen das typische Glas für den allseits beliebten Apfelwein, also Ebbelwoi.
Jep, treffend analysiert und wie immer schön formuliert. Nach dem proklamierten Ende Kassandras nun doch der Phönix? Sei‘s drum, ich freue mich, daß du nicht endgültig verstummt bist. Ein wacher Geist der nicht nur brütet und im Stillen sammelt tut Not, gerade mehr denn jeh. Auch wenn du hier nur mehr oder weniger offene Türen einrennst, da gibt’s sicher einen trickle-down-effect 😉
Rechtzeitig zu Halloween klappert es ordentlich im Gruselkabinett und die lange Dämmerung wirft immer kürzere Schatten. Früher (TM) bezogen die Menschen in den „entwickelten“ Ländern ihre Informationen halt aus den Abendnachrichten und der Zeitung und Politik war unnahbarer. Die sozialen Netzwerke, (a)sozialen Medien und entsprechende Blasen, Echokammern oder wie auch immer befeuern die Diversifikation aber auch den Bruch mit gesamtgesellschaftlichen Konzepten. Pick this, pick that, so haben ehemalige Volksparteien die Probleme die sie eben haben. Jeder ist sich selbst der Nächste und das ist das Grundproblem der Menschheit und warum der Kapitalismus so erfolgreich ist. Und woran die Menschheit scheitern wird. Eigentlich ist es völlig wurscht, wer oder was nächstex Kanzlerdandidatx wird. Die „Erfordernisse“ bleiben bestehen und bestimmen dasTagesgeschehen. Zukunftsgerichtete Politik hat keine Chance, zumal – und das zeigt aktuell wieder die Wahl in Brasilien – der Mensch nicht so gestrickt ist. Verbesserung, Wohlstand etc. ist es, was die Leute treibt. Der „Westen (TM)“ macht es ja vor. Man kann es den Menschen in den Favelas nicht verdenken. Wer um‘s Überleben kämpft und kaum Bildung hat, kann schlecht haftbar für nachhaltige Zerstörung gemacht werden. Die Probleme sitzen tiefer. Überall. Und da sind wir wieder beim Einfluss und den Gestaltungsspielräumen derer, die schon immer am Drücker waren und das Spiel immer weiter perfektioniert haben. In ihrem Sinne. Die Milliardäre (für Millionäre reicht es nur noch begrenzt) kaufen sich in Kanada und Neuseeland ein. Die wissen, daß der Hut brennt. Aber egal, finden es halt trotzdem geil, wenn brasilianische Börsenkurse von Homzfirmen etc. steigen und mal wieder – schwups – ein Naturschutzgebiet für private Zwecke erworben werden kann, damit die eigene Brut so toll und unbelastet aufwachsen kann, wie es sein sollte. Ich hab grad Probleme nicht an meinem Erbrochenen zu ersticken.
Soviel dazu, ich würde mich freuen, deine Wiederauferstehung noch länger begleiten zu dürfen, habe mich – schändlich, sorry – lange nicht mehr gemeldet, der Messenger ist bei mir auch Geschichte. Head up high, unicorn!
Nachtrag und allumfassende Erkenntnis: egal ob CxU, sPD, whatever…
It‘s the human race, stupid!
1. Hunger! Da ist ein Mammut. Unter maximaler Anstrengung und Gefahr erlegt. Satt.
2. Wieder Hunger. Methode zur Erlegung von Mammut perfektioniert. Wesentlich weniger anstrengend. So kann es weitergehen. Satt.
3. Immer weniger Mammuts aber Säbelzahntiger sind auch gut. Muss man sich halt anpassen. Egal. Satt.
4. Mist, keine Mammuts mehr, Säbelzähner auch knapp aber das liegt nur an den Nachbarn, die Assis passen einfach nicht auf und wollen immer mehr. Was bilden die sich ein? Klappt aber immer besser mit den Tigern und ich muss meinen Arsch weniger bewegen. Die verticke ich an die Nachbarn und zock mir noch die letzten Mammutfilets. Hauptsache satt.
5. Mist, keine Mamuts mehr. Säbler auch nur noch seeehr schwer zu bekommen aber ich hab ja vorgesorgt und meine Quellen. Hey, aber die anderen sind schuld. Die haben es ruiniert mit ihrer Gier. Für mich hätte es genug Mammuts gegeben. Sollen die halt Mäuse fressen oder noch besser verhungern. Und meine Kinder sollen es mal besser haben. Satt.
5 . Gott sei Dank hab ich mir genügend Vorteile verschafft. Die Nachbarn sind hungrig und schlagen sich die Köppe ein. Nicht mein Problem.
Hach, da kann mir jetzt die Olga den Nacken mit Säbelzähnen massieren. Die Bagage lässt sich eh nicht blicken. Die sind beschäftigt mit dem Versuch, Mammuts wieder zu züchten (klappt wohl nicht so gut) oder machen das mit den Mäusen für die Assis im großen Stil. Wo sind wir nur hingekommen? Aber satt. Macht doch was ihr wollt, undankbares Pack. Ooolgaaa! Es juckt!
Etwas verknappt dargestellt und auch das wissenschaftliche Fundament nur schwach gestreift in der Darstellung – aber nicht ungut 😀
Hallo??? Verkürzt meinetwegen aber wissenschaftlich spätestens seit „ice age“ ja wohl mehr als belegt. Pfffhhhh…
Scribebatur ergo verum est!
Oder so
Nach dem ersten… „Ding“, dass du nach deinem „Sorry we’re closed“ rausgehauen hast, war ich einigermaßen ernüchtert, um nicht enttäuscht zu sagen. Es las sich wie von jemandem geschrieben, der eigentlich keinen Bock mehr hat, aber ohne nich‘ kann, weil der Stoff immer so geil gekickt hat. Raus kam aber nur ein Methadon, dass mich gar nicht gekickt hat.
Nun Post Nummer Zwei nach dem Tag Null. Was soll ich sagen? Als wärst du nie weggewesen. Kein Methadon, sondern der harte Scheiß! Danke!!
Ich bin ’ne Droge? 😀
Freut mich, wenn es dröhnt.
Aufregen is ne Droge. News sind ne Droge. Also bist du Dealer und Addict gleichzeitig 😀
Was ja eigentlich geil ist, dann weiß ich wenigstens, was ich da an Stoff verticke. Quasi.
Du vertickst Deinen Stoff nicht – Du verschenkst ihn. Und schlimmer noch; Du bist selbst abhängig. Ich sage vorraus, dass Du in einer elenden Bambushütte an einer Überdosis zugrunde gehen wirst.
Wer sagt denn, dass die unteren 20% in Brasilien gegen ihre Interessen wählen? Ohne jetzt Brasilienprofi zu sein denke ich; die haben sich einfach revangiert. Bei der sogenannten Mittelschicht von der sie betrogen wurden. Wer in einer Favela wohnt bemerkt den Unterschied zwischen Hardliner oder Sozi in der Führungsetage gar nicht, weil diese Leute so, oder so am Arsch sind. Die Mittelschicht wird es merken. Bolsonaro hat es richtig gemacht und die Korruptionsskandale seiner Gegner medienwirksam ausgeschlachtet. Das hat ihm den Sieg gebracht. Und aus genau dem gleichen Grund sammelt hierzulande die AfD Stimmen von den Prekären. Letztere wissen nämlich, dass sie immer eine wirtschaftsliberale Politik bekommen werden, ohne eine Chance davon zu profitieren. Und für diejenigen, die komplett doof nicht einmal das merken, gibt es Stammtischparolen. Wer es heutzutage noch anders macht hat keinen Durchblick. Wer in der Lobbydemokratie punkten will, der bietet seinen Amigos eine goldene Zukunft, und einem ausreichenden Teil der blökenden Herde Rache an. Wut und Hass sind hervorragende Motivationen.
Wer in einer Favela wohnt bemerkt den Unterschied zwischen Hardliner oder Sozi in der Führungsetage gar nicht, weil diese Leute so, oder so am Arsch sind. Die Mittelschicht wird es merken.
Die merkt es auch nicht. Denn die Politik der „Hardliner“ oder der Sozis ist ja nicht unterschiedlich. Die angeblichen Sozis haben ja in Europa auch erst dann wieder Wahlen gewonnen, als sie die Politik der Neoliberalisten übernahmen. Clinton war Republikaner, Blair war Torrie und Schröder war vorher bei Blair. Die Unterschiede sind also mehr von propagandistischem Wert.