– IV –
Being Gandhi
„I’m no genius, and others can outwork me. What I do is ask the naive, honest questions, and then I’m not satisfied until I get the answers.“
Herman Daly
Entscheidungen treffen. Die echten Probleme der Gesellschaft erkennen. Auch diese Idee ist heute nicht ganz unproblematisch. Sobald eine Idee größeren Zulauf gewinnt, verwandelt sie sich oft in etwas, das von der Politik vereinnahmt wird. Was für die Gesellschaft zu machen, sich um die Zukunft kümmern – das sind ja gerne Etiketten, mit denen sich Politik geradezu definiert. Meistens ist dann gerade Wahlkampf. Deshalb kann es durchaus auch passieren, daß größere Bewegungen aus dem politischen Raum heraus entstehen. Menschen schließen sich zusammen, die sich nicht kennen und nicht mögen. Wenn eine Gruppe Menschen eine gewisse Größe überschreitet, beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß sich darunter Menschen befinden, die man ums Verrecken nicht ausstehen kann, exakt den Wert Eins.
In Frankreich hat gerade erst eine Bewegung einen Präsidenten an die Macht gespült, der auch Frank Schröder heißen könnte, was seine neoliberale Wirtschaftspolitik angeht und der deshalb Präsident wurde, weil die Gegenkandidatin die rechtsnationalistische Le Pen gewesen ist.
Schon andere Politiker haben ihre Parteien als Bewegung bezeichnet. Das muß nichts Schlechtes sein. Aber Kassandra ist faul und möchte immer ganz gerne herausfinden, wer denn da zur Bewegung aufruft und vor allem: In welche Richtung soll es gehen? Wer legt das fest? Und wie eigentlich?
Es ist möglicherweise nicht genug für eine wirklich konstruktive Zusammenarbeit, wenn man durch ein Prinzip gesellschaftlicher Gerechtigkeit vage miteinander verbunden ist. Politik und das, was heute unter der Bezeichnung Aktivismus läuft, haben dasselbe Problem wie Demokratie auch.
Aktivismus an sich ist eigentlich eine gute und auch nicht unwichtige Idee. Das Problem an der Sache ist, daß es den genauso wenig gibt wie Demokratie. Aktivismus besteht heute darin, möglichst laut rumzubrüllen und zu verlangen, irgendwer anders solle mal endlich was machen. Weniger konsumieren. Weniger fliegen. Das verdammte CO2 nicht mehr in die Luft pusten. Die Weltwirtschaft anders regeln. Die Russen hassen. Die Russen nicht hassen. Was auch immer.
Leider hat das exakt nichts mit Aktivismus zu tun. Heutiger Aktivismus ist exakt derselbe Pavianfelsen wie die Politik, die er gerne zu bekämpfen und zu kritisieren vorgibt. Man ist nicht aktiv, wenn „die da“ wieder mal was machen wollen.
Man ist dann aktiv, wenn man den Teil der eigenen Stadtverwaltung, der für Klima und Umwelt zuständig ist, einfach mal fragt, ob es denn Bemühungen gibt, zusammen mit den örtlichen Supermarktbetreibern die verdammten Plastiktüten aus dem Handel zu verbannen. Oder Plastikverpackungen allgemein möglichst da zu lassen, wo sie hingehören, nämlich als Rohöl im Boden.
Gibt es nicht, in Falle der Bambushütte von Kassandra. Der Herr vom Umweltamt, der mich vor der Stadtbücherei zum Thema Klimaschutz bürgerwirksam ansprach, schien über so ein Anliegen eher überrascht zu sein. Dabei hatte er mich angesprochen, um über das Thema „Klimafreundlicher leben“ zu sprechen. Woraufhin ich mein Fahrrad präsentieren konnte. Das Amt sammelte nämlich Geschichten solcher Art und entsprechende Statements und Fotos von Mitbürgern. Eine Werbeaktion, wenn man so möchte. Also Aktivismus.
„Wie wäre es mal überhaupt mit Demokratie?“ fragte ich neulich. Wie wäre es mal überhaupt mit Aktivismus?
Natürlich kann man zum G20-Gipfel fliegen, sich da zusammenrotten, mit dem neuen, 1.200 Euro teuren Smartphone ablichten und das Video vom gemeinsamen Protest gegen „die da“ live ins Netz streamen, auf den eigenen youtube-Kanal. Das Schlauphone teilt die Bilder ja ohnehin automatisch im Instagram-Account.
Allerdings wirken derartige Aktivistenproteste gegen die Folgen des idiotischen Konsumismus doch eher befremdlich. Solche Angelegenheiten sind längst zum Ritual verkommen.
Die angeblich Mächtigen treffen sich, während die wirklich Mächtigen daheim in ihren abgeschotteten Luxus-Wohngebieten bleiben. Die angeblichen Aktivisten protestieren lautstark. Allerdings außerhalb der jeweiligen Bannmeilen, denn wo kämen wir denn da hin, wenn diejenigen, gegen die sich ein Protest richtet, davon womöglich etwas mitbekämen?
Geht gar nicht heutzutage. Du sollst keinen Pavianfelsen haben neben mir. Derartige Geisteshaltungen bei Politikern zeigen überdeutlich, daß angeblicher Aktivismus längst zur genehmigten Show verkommen ist. So wie Whale watching, um die Wale zu retten und die Banner an Kohlemeilern oder Braunkohlebaggern. Protest als Beweis dafür, selbst auf der besseren Seite zu stehen. Im binären Denken, das in solchen Fällen üblicherweise vorherrscht, steht man sogar auf der einzig richtigen Seite. Das ist einer der Punkte, die heutzutage die öffentliche Diskussion beherrschen.
Wenn ein G20-Gipfel stattfindet in Kanada und man lebt in den USA – warum kann man da nicht mit dem Zug hinfahren? Was spricht dagegen, Bilder mit der zehn Jahre alten Digiknipse zu machen und die anschließend ins Netz zu stellen?
Warum protestiert überhaupt einer gegen Politiker und nicht gegen die Hersteller der acht Meter langen Panzerlimousinen mit eingebautem Chauffeur als Dienstwagen, die vom jeweils bevorzugten nationalen Anbieter zur Verfügung gestellt werden?
Warum bezahlen Politiker ihre Flüge nach Überall nicht gefälligst selber aus ihrem Netto-Gehalt, wie normale Bürger auch? Eine Abrechnung schreiben kann man ja hinterher immer noch. Wenn das Budget nicht überschritten wird, natürlich. Warum wird das verdammte Kerosin nicht einfach ordentlich besteuert, so daß der Flug nach Malle mal pro Nase vier Stellen kostet? Warum wird ein G20-Gipfel in Hamburg abgehalten, die Hälfte der Staatsgäste Verbrecher, die auf jeder Fahndungsliste gut aussehen würden, und außerhalb der Bannmeile zertrümmern Hasenhirne des sogenannten Schwarzen Blocks bei den Aktivisten die Schaufenster der lokalen Kiez-Drogerie? Das sind Fragen, die man ordentlich durchdenken sollte. Die Tatsache, daß die so gewaltbereiten Demonstranten von Polizeikräften durchsetzt waren, die sicherlich nicht nur zum Zugucken dabei waren, lassen wir mal ganz unerwähnt. Auch die Tatsache, daß solche Herren natürlich nicht gegen das Vermummungsverbot verstoßen, wenn sie in so einer Demo dann fleißig mitmischen.
Echter Aktivismus brüllt nicht rum. Echter Aktivismus steht neben der Oma im Supermarkt, die gerade dabei ist, Kohlrabi in eine dieser dünnen Tüten zu packen, die an jeder Gemüsetheke zu finden sind. Und ihr höflich die Frage zu stellen, warum sie denn das Gemüse da auch noch in Plastik einpackt. Das gilt ebenso für Möhren. Die wiederum kann man in meinem Supermarkt lose kaufen. Auch Äpfel haben etwas, das man im Volksmund eine Schale nennt. Diese Dinge sind bereits verpackt. Die wachsen quasi mit Verpackung. Schlangengurke, Paprika, Lauch – nichts davon muß eingepackt werden. Das wird daheim ohnehin abgewaschen und/oder geschält und dann verarbeitet.
Stattdessen leben wir in einer Welt, in der zur Himbeer- und Brombeerzeit abgepackte Himbeeren für 1,30 Euro auf hundert Gramm im Plastikcontainer in der Kühltheke liegen. Aus tibetanischem Öko-Anbau, versteht sich. Ich warte darauf, daß es eines Tages einzeln verpackte Erdbeeren zu kaufen gibt. Das ist der Tag, an dem sich stiller Aktivismus in lautstarken verwandeln wird, was mich betrifft. Die geladene Kettensäge liegt bereit.
Es hilft alles nichts. Wenn man Menschen von etwas überzeugen will, muß man manche Dinge eben auch selber tun. Wobei mich niemand davon überzeugen könnte, Veganer zu sein. Erstes esse ich sehr wohl Dinge, die einen Schatten werfen. Zweitens halte ich Menschen, die ihre Hunde, Katzen und Kinder zwangsweise mangelernähren, für psychologisch behandlungsbedürftig. Als Kinderarzt würde ich derartige Körperverletzer melden. Man lebt eigene – und idiotische – Überzeugungen nicht auf Kosten der eigenen Kinder aus, das ist indiskutabel.
Wer sich allein nur von Steinen und Plastik ernähren will – bitte. Aber allgemein ist der gehypte Veganismuswahn ein wunderbares Beispiel für das inzwischen typische Syndrom „Mein Affenfelsen besser als dein Affenfelsen“, das sich durch die Szene des politischen Aktivismus zieht. Wobei natürlich alles politisch ist, ist klar. Dabei geht es bei Veganismus um Ernährung. Zumindest dachte ich das immer.
Nach Kassandras Theorie finden die allermeisten Veganer ihre Ernährung eigentlich scheiße. Aber man hat sich halt drauf eingelassen, weil es gerade so unfaßbar in war und so total öko und weltbewußt. Deshalb nerven einen die allermeisten Angehörigen dieser Spezies ohne Unterlaß mit ihren Eßgewohnheiten und missionieren nicht nur inquisitorisch, sondern auf dem Niveau des Islamischen Staates. Damit alle anderen gefälligst auch so beschissenes Futter mit langen Zähnen von der Bambusgabel ziehen, wie sie das tun müssen.
Denn man hat sich ja commited. Man hat coming out gemacht, sich gegeißelt, weil man jahrelang falsch gegessen hat, und hat danach jeden Tag pflichtbewußt das ökologisch korrekt zubereitete Sägemehl auf Instagram gepostet. Aus Sojaprotein gestricktes „veganes Schnitzel“, das fünfmal mehr Energie verballert als argentinisches Rindfleisch, wird auf dem Hausaltar des Eßtisches präsentiert, umgeben von Weihrauchstäbchen. Binäres Denken, falls ich es noch nicht erwähnt hatte, ganz sehr schnell in realitätsfreie Extreme münden.
Will man Menschen von etwas überzeugen, muß man ihnen zeigen, daß es auch anders geht. Wenn Politik und Demokratie aus Affenfelsen bestehen, sollte man den Grundsatz beherzigen: Monkey see, monkey do. Alles andere ist Politik oder Greenpeace.
Eine Kritik solcher Art würden Vegetarier von mir nicht zu hören bekommen, obwohl ich auch keiner bin. Vegetarisches Essen ist einmal durchaus lecker, tut zum zweiten nicht so, als wäre es ein Schnitzel und drittens kann man damit alles an Vitaminen, Mineralen und sonstigem Zeugs zu sich nehmen, das eine menschliche Biochemie so benötigt, ohne dabei ständig mit dem Tricorder scannen zu müssen, wann man was gegessen hat, um sich nicht der Mangelernährung zu erfreuen. Ein ganz erhebliches Argument ist für mich, daß bei vegetarischer Ernährung die Energiebilanz stimmt. Statt acht Kalorien ins Fleisch zu ballern und dafür nur eine rauszukriegen, liegt die Schüssel leckerer Salat hier deutlich besser im Rennen.
Sagt man allerdings Vegetariern, daß dank unserer Landwirtschaft auch ihr Gemüse nicht energieneutral angebaut wird und rechnet ihnen die 1.000 Transportkilometer auf dem Mittagstisch mal zusammen, reagieren auch hier manche beim Hinweis auf den fehlenden Gemüsegarten hinterm eigenen Haus etwas ungehalten. Da mußte halt der Golfrasen hin. Machen ja alle so.
Ich bin mir sicher, daß eines Tages die ersten Artikelreihen auftauchen werden über Veganer, die abends heimlich über die Grenze ins Nachbarbundesland fahren, um dort den Doppelwhopper Cheese einzuwerfen oder sich das fette Steak gönnen, das mit der herrlich künstlich aromatisierten BBQ-Sauce. Das ist so wie Mißbrauch in der katholischen Kirche. Wie viele Prediger in den Glaskathedralen Amerikas verdammen Schwule mit Feuer und Schwefel von ihrer aus Kanzel herunter, bezahlt von den Spendengeldern ihrer treuen Zuhörer, nur um dann in Lackleder gewickelt zusammen mit ihren Freunden beim Dreier erwischt zu werden?
Nach meiner Erfahrung sind diejenigen, die am Lautesten schreien, wenn sie bestimmte Verhaltensweisen als das einzig Wahre einfordern von anderen, immer diejenigen, die sich selber nicht dran halten. Die wollen nur, daß alle anderen genau so unglücklich sind wie sie selber auch. Das fanatische Gepose vor den Kameras ist nichts weiter als virtue signaling. So nennt man dieses soziologische Verhalten nämlich. Es dient keiner Problemlösung oder -analyse, sondern lediglich dazu, anderen Gruppenmitgliedern mitzuteilen, daß man eben Mitglied der Gruppe ist, indem man lautstark – und heutzutage auch üblicherweise öffentlich – die jeweiligen angeblichen Grundwerte gegen jede Kritik verteidigt.
Selbst Fragen nach wissenschaftlichen Hintergründen werden sofort als Majestätsbeleidigung niedergebuht. Alles, was mit der angeblichen Gendertheorie zusammenhängt, ist ein prima Beispiel. Esoterischer Blödsinn, der es sogar an Unis geschafft hat, weil es irgendwann nicht mehr möglich war, dem zu widersprechen, ohne seinen Job als Unikanzler oder -präsident sofort los zu sein. „Gendertheorie“ gehört in den Esoterikladen an der Ecke, direkt neben die Orgonkristalle und die Essigsäure zum Auflösen von Chemtrails. Um Kassandras Position ganz klarzustellen: Auch die Religionen gehören dahin. Egal, welche Theologie – Geschichten und Mythen rund um imaginäre Freunde haben an Universitäten nichts verloren. Das kann man alles anbieten und auch unterrichten, keine Frage. Nur eben nicht im wissenschaftlichen Rahmen.
Engagierte sogenannte „Feministinnen“, die sich bei Vorwürfen des sexuellen Mißbrauchs hinstellen und sofort lospöbeln, das Männer hierbei gefälligst die Schnauze zu halten hätten. Oder die Hashtags auf Twitter veröffentlichen, die da lauten, daß alle Männer Abfall sind. Anschließend wird rumgeweint, man sei ja das Opfer, wenn man – oder besser, frau – auf derartigen Mist seltsamerweise die eine oder unfreundliche Reaktion bekommt. Falls das irgendwen an miese Rechte erinnert, die auch immer sofort von Zensur und Meinungsunterdrückung weinen, wenn ihnen jemand ihre schwachsinnigen Weltvorstellungen mit Schwung ins Gesicht zurückdrückt – diese Parallele ist kein Zufall und zieht sich durch sehr viele Aspekte der politischen Rechts-Links-Schubladisierung.
Ist auch blöd, wenn plötzlich mal eine Frau in einer Machtposition mit denselben Vorwürfen des Mißbrauchs konfrontiert wird. Sofort stehen dieselben Frauen in Reih und Glied – oder muß es hier heißen, in Reih und Vagina? – und benutzen exakt dieselben Argumente zum Schutz ihrer Geschlechtgenossin, die solches Verhalten selbstverständlich als klaren Beweis dafür werteten, daß das nazistische Patriarchat existiert, käme es von einem Mann. Da wird sogar ernsthaft argumentiert, man solle da nicht vorverurteilen, schließlich sei die Dame ein anerkannt leistungsfähiges Mitglied der akademischen Gesellschaft. Zum Glück habe ich das nicht gesagt. Ich bin ja ein alter weißer Mann. Da hätte ich womöglich direkt mal meine Privilegien checken müssen.
Früher™ konnte man Frauen die Tür aufhalten, ohne sich was dabei zu denken. Heute wird man womöglich drei Minuten später auf Twitter irgendeiner sexistischen Kackscheiße bezichtigt. Also halte ich heute keiner Frau mehr die Tür auf. Ist aber auch wieder falsch. Womöglich rennt die aufgebrezelte Zwanzigjährige hinter mir dann gesenkten Hauptes in die sich schließende Glastür, weil es wieder wichtiger ist, auf das Schlauphone zu achten statt die eigene Umgebung. Typisches Ausüben männlicher Dominanz halt. Voll frauenverachtend. Affenfelsen sind nicht nur in der Politik zu finden heutzutage. Dank antisozialer Medien ist die Primatenkolonie erheblich in ihrer Größe gewachsen.
Eine Minderheit zwingt einer Mehrheit ihre stellenweise absurden Vorstellungen auf. Angeblich unabdingbarer Konsenszwang verhindert jede sinnvolle Aktivität.
Aktivismus ist nicht der G20-Gipfel, den ich mit dem SUV besuche, auf dessen Heck der Aufkleber prangt „Kein Blut für Öl“. Solche Dinge sind kognitive Dissonanz in bester Form. Wir tanken schon so lange Blut, da waren Autos fast noch Streitwagen zu dem Zeitpunkt.
Aktivismus hat zweifellos seine Berechtigung. Aber wer die Selbstzerstörung der Klimawandel-Bewegung mitverfolgt hat oder die Umwandlung der Grünen in einen einzigen, Partei gewordenen Joschka Fischer, der sollte sich klar sein darüber, was mit jedem Aktivismus passiert, wenn die Aktivisten keinerlei Anzeichen dafür erkennen lassen, daß sie die Limits, die sie von anderen einfordern, nicht auch selbst zu akzeptieren bereit sind. Das gilt für um die Welt jettende Klimawissenschaftler auf Bali ebenso wie für Aktivistendinge wie beispielsweise Occupy Wall Street.
Die haben sich auch unter dem demokratischen Vorwand von Idioten kapern lassen, daß nur durch angewandte Gerechtigkeit für alle eine Mehrheit eine Minderheit nicht unterdrücken kann. Was auch stimmt. Immer mehr setzt sich eine Demokratieauffassung durch, in der Demokratie ein Instrument ist, um einer beliebigen Minderheit zu gestatten, eine Mehrheit zu dominieren und auch noch beleidigt zu sein, wenn jemand gegen diese doch etwas seltsame Interpretation protestiert. Begründet wird das immer mit der unbedingten Notwendigkeit von Konsens. Aber das ist ebenfalls Blödsinn vom Affenfelsen. Konsens ist überhaupt nicht überall und jederzeit notwendig, ja, nicht einmal wünschenswert. Jedenfalls nicht, wenn eine Gesellschaft auf Dauer ihre Funktionsfähigkeit erhalten möchte. Die Frage ist: Will sie das?
Wenn auch manche Menschen sich diesen Gedankenlosigkeiten in extremerer Form hingeben als andere – beispielsweise auf dem neuen 6.000-Mann-Luxusliner die nächste Kreuzfahrt zu buchen, angetrieben von leckerem Schweröl – es hilft trotzdem nichts, sich ausschließlich auf diese Leute zu konzentrieren. Ich verweise auf das Sündenbock-Syndrom, das ich schon angesprochen hatte. Eine kleine Gruppe ausgewähler Vollsympathen für die Idiotie aller auf den Scheiterhaufen zu werfen, hilft der Gesamtgesellschaft auch nicht.
Das betrügerische Verhalten diverser Wall-Street-Arschlöcher schreit geradezu nach Bestrafung, das ist richtig. Stattdessen haben alle Regierungen der Welt in zehn Jahren Finanzkrise dubiose Geschäftspraktiken im Nachhinein für legal erklärt und überall Bilanzierungsregeln so geändert, das Dinge, die vor einer Dekade als massiver Finanzschwindel mit diversen Jahren Knast geahndet worden wären, heute den üblichen Geschäftspraktiken aller größeren Bankhäuser entsprechen. Schlechte Zahlen einfach aus Büchern raussschneiden und sie anderswo verstecken war früher eine Straftat. Heute ist es Tagesgeschäft. Allerdings haben diese Betrügereien nicht ursächlich damit zu tun, daß viele Amerikaner heute darum kämpfen müssen, ökonomisch irgendwie über Wasser zu bleiben, sei es mit einem Job, ohne einen Job, oder mit dreien davon. Außerdem muß ja irgendwer auch die Geschichte geglaubt haben, daß Immobilienpreise ausschließlich steigen können.
Aktivismus ist eine Frage eigener Analyse, Reflexion und Überzeugung. Er ist die Frage, ob es Urban Gardening in der eigenen Stadt gibt. Ich bevorzuge den Ausdruck Urban Agriculture. Ob irgendwer schon mal etwas vom Konzept der essbaren Stadt gehört hat, wenn er neben einem Himbeeren kauft. Oder eben Kohlrabi in Plastiktüten packt. Die ältere Dame hat übrigens auf meine Anfrage erstaunt reagiert – über sich selbst. Offensichtlich war ihr gar nicht aufgefallen, was für einer recht sinnfreien Tätigkeit sie gerade nachging. Auch eine Generation, die zweifellos noch einen eigenen Gemüsegarten als Standard erlebt hat in ihrer Kindheit, ist also vor den Sirenengesängen der idiotischen Moderne nicht gefeit.
Wenn es das Handeln oder Nichthandeln einer Regierung ist oder eines Konzerns, die es zu adressieren gilt, ist Aktivismus in dieser Richtung gerechtfertigt. Liegt das Problem aber in Angewohnheiten und Gedankenlosigkeiten, die von sehr vielen oder allen Menschen geteilt werden, bringt die Demo vor dem Firmensitz nicht das Geringste. Dann verpacken alle Leute Obst und Gemüse mit ordentlichen Schalen drumherum in Plastiktüten und ärgern sich anschließend in der Zeitung – wahlweise auch auf Facebook oder Twitter – darüber, daß der Scheiß in jedem Park und auf jedem Feld vom lauschigen Sommerwind durch die Gegend getragen wird.
Man kann auf Karten im Internet heutzutage nachschauen, wo im öffentlichen Raum Kirschbäume stehen, Brombeeren wachsen und auch Himbeeren. Nicht alles an moderner Digitaltechnik ist schlecht, denn damit werden die Karten gefüttert. Warum soll ich in manchen Jahren acht Euro für ein Kilo Kirschen berappen, wenn die woanders faulend vom Baum fallen? Solche Dinge ergeben keinen Sinn.
Ich bin da eigennützig. Denn erstens gibt es so leckeres Obst der Saison und zweitens kostet es mich nur Arbeit, kein Geld. Ich hänge hier ausdrücklich keine politische Aussage zur Rettung der Welt dran an dieses Verhalten meinerseits. Wie ich schon einmal erwähnte, ist Containertauchen nichts, das Hitler aufgehalten hätte. Es ist vor allem auch nicht notwendig, irgendwelche Dinge immer am Politischen zu messen.
Demokratie ist nicht der Affenfelsen. Demokratie ist der Marktplatz. Klassisch griechisch die Agora. Die Arena mit den Stufen, bei denen man als Redner unten steht und die Zuhörer oben sitzen.
Ebenso wie Aktivismus funktioniert Demokratie am besten lokal. Genauer betrachtet, funktioniert beides nur lokal. Die aktuelle Zeit der zerbrechenden Globalisierung ist also perfekt geeignet, sich genau darüber Gedanken zu machen. Vielleicht schreibt man einfach mal eine eMail an die Stadtverwaltung, die gerade heiß darüber diskutiert, ob man Busspuren für eAutos freigeben soll. Man könnte sie fragen, wie es denn mit Konzepten aussieht, Autos einfach völlig aus urbanen Gebieten herauszuhalten, ungeachtet ihrer Antriebsmethode.
Man könnte fragen, ob die Herren Stadtplaner etwas vom Konzept der „walkable society“ verstehen. Das ist der Grundgedanke, daß alle wesentlichen Dienstleistungen des Alltags in fußläufiger – oder leicht zu erradelnder – Entfernung liegen sollten für einen Zivilisten. Also einen Stadtbewohner. Der Begriff ist aus dem Englischen importiert, weil gerade die USA von einem derartigen Konzept wohl vollkommen überrascht waren, als jemand auf diese Idee kam. In keinem Land der Erde werden Städte mehr für Maschinen geplant als für Menschen.
Wir werden der Zukunft nicht besser vorbereitet entgegensehen können, wenn sie in den Köpfen aus Parkhäusern in der Innenstadt besteht, in denen es dann eben Ladesäulen gibt. Business as usual mit grünem Lack ist noch immer Business as usual. Lautstärke und Twitter-Dominanz sind kein Aktivismus. Egal für welche Thematik. Sie sind ökologisches Massenwichsen zur Gewissensberuhigung.
Es bringt nichts, verbal auf einen geistig minderbemittelten Verkehrsminister einzuprügeln, egal in welchem Land. Blöd sein und eine politische Marionette ist kein Straftatbestand. Wenn man unbedingt Krach schlagen will, zündet man die Konzernzentrale von VW an. Mit den Vorständen darin, versteht sich. Dann hängt man keine Banner an Schaufelradbager. Man fährt mit dem Scheißding da vorbei, wo die Vorstände der Energiekonzerne gerade Golf spielen und baggert die Hütte weg. Oder man setzt das Gerücht in Umlauf, daß unter dem jeweiligen Wohnort dieser Menschen riesige Mengen an BRaunkohle gefunden worden sind. Berlin oder so.
Korrekter Aktivismus muß Dinge nicht nur vorleben. Er muß die Quelle von Problemen auch korrekt benennen. G20-Instagram-Empörer sind Bühnenshow. Wichtig ist immer das, was hinter den Kulissen liegt. Man glaube denen nicht, die am Lautesten rufen. Ganz besonders dann nicht, wenn sie andere irgendeiner Sache beschuldigen.
Natürlich kann man von „denen da“ verlangen, etwas zu tun. Gerade eben erst hat Vize-Kannsnich Olaf Scholz (ehemalige SPD) doch dreisterweise vorgeschlagen, man – also die nicht ganz so Große Koalition – solle doch in Sachen Renten eine Garantie beschließen, die weit über dem Niveau liegt, das ab 2025 tatsächlich real gelten soll. Daraufhin paviante der stellvertretende Fraktionsfelsenherrscher der CDU, Hermann Gröhe, sofort zurück. Der Mann verwies todernst darauf, man habe ja eine Kommission eingesetzt, die „Empfehlungen erarbeiten soll für das Rentensystem ab 2030.“ Kein Witz. Hat er so gesagt.
Heißt also übersetzt Politisch – Deutsch: „Wir müssen jetzt nichts machen und die nächsten zwölf Jahre auch nicht, weil wir ’ne Expertenrunde beauftragt haben, der überübernächsten Regierung mal was zu empfehlen, was man denn machen könnte.“
Ob diese fiktive Regierung, von der Herr Gröhe und alle anderen nicht mehr Teil sein werden, dann wirklich etwas tut von dem, was ihr empfohlen wird? Kassandra hätte da so eine Ahnung. Sollte es eventuell Geld kosten, das nicht an die jeweilige Stimmklientel geht, eher Nein.
Dabei wollte Herr Scholz doch bloß eine Garantie auf einem Papier abgeben, daß alles in Zukunft viel besser wird. Denn man würde besseres Renteniveau versprechen. Also auch auf keinen Fall irgendwas tun wollen. Das ist nämlich das Versprechen der Politik. Zudem muß man natürlich das Versprechen eines „weit über dem bisherigen“ liegenden Rentenniveaus auch noch übersetzen. Heißt dann vermutlich: „Statt 43 Prozent vom letzten Netto gibt es dann 48 Prozent.“
Was für die vierzig Prozent deutscher Arbeitnehmer mit einem Bruttosalär von 2.000 Euro also auf etwa 700 Mäuse hinausliefe. Im Jahre 2030 und später. Lebensversicherungen haben auch einmal Zinsen garantiert für ihre Beitragszahler. Die müssen sie aber nicht mehr zahlen, weil das ökonomisch total unfair wäre gegenüber den Versicherungen. So ist es inzwischen höchstrichterlich festgeklopft.
Die Paviane pöbeln also mal wieder um nichts. Denn die kriegen gar keine Rente. Die kriegen Beamtenpensionen und zusätzliche Versorgungsbezüge aus nicht-gesetzlichen Absicherungen. Herr Gröhe ist übrigens Mitglied der genannten Kommission. Sehr verantwortungsvoll von ihm. Natürlich kann man verlangen, daß „die da“ etwas tun. Aber mit solchen Leuten ist eben kein Staat zu machen. Das kann man wohl als einzige Garantie auf die Zukunft festhalten. Ich rede da lieber mit dem Leiter des Supermarkts.
Wir haben das Konzept der essbaren Stadt. Der Leiter vom Grünflächenamt steht dahinter und lässt gerne Obstbäume pflanzen. Nur die Bevölkerung will nicht. Weil da sind dann Wespen, und denken sie mal an die Kinder! Wir haben auch ganz viele Baumhaseln. Die Nüsse kann man essen. Noch nie sah ich jemanden (außer mir) dieselbigen aufheben. Ja, als die Zeiten noch schlechter waren (so vor ca. 5 Jahren), da wollten alle Urban Gardening machen. Jetzt kauft man lieber wieder die Bioheidelbeeren aus Peru.
Bei Leuten, die diesen Scheiß-Satz bringen, denke ich immer an die Kinder. Drum sollte man denen auch alle wegnehmen. Sollen sie ihre Brut doch unter der Käseglocke aufziehen. Die Evolution erledigt das dann schon. Beim Wandern die Bucheckern auflesen – und essen. Haben wir gemacht. Würde solche Eltern sofort den Notarzt rufen lassen vermutlich. Exakt das meinte ich: Wir sind halt intelligenzallergische Idioten und erwarten, daß alle anderen darauf Rücksicht nehmen.
Mache ich aber nicht mehr. Ich bin zu alt für diesen Scheiß! 😀
Meine Kinder gehen an eine sogenannte „Assischule“. Festes Regime der Lehrer. Ich begleitete die Klasse zu einem Konzert. Wir marschierten mit den Kindern 30 min bei Sonnenschein zur Konzerthalle, besuchten das Konzert und marschierten zurück. Keine Taschen, keine Trinkflaschen. Alle haben überlebt, alle waren gutgelaunt. So kann es auch noch gehen.
Wie konnten das nur alle überleben? Völlig unverantwortliches Verhalten! Zu Fuß auch noch!
Ich hatte neulich zwei junge Damen vor mir stehen an „meinem“ Bibliothekstresen – lange Geschichte, ein andermal. Jedenfalls kauften die Bücher und Platten. Die Vinyldinger, man erinnert sich. Keine hatte ein Smartphone dabei, weswegen auch keine von ihnen draufstarrte oder Stöpsel im Ohr hatte. Es war eine Begegnung der fünften Art. Aber es gibt hier und da Zeichen, daß noch nicht alles verloren ist 😉
Und bei Sarah gab es eine erste Rückmeldung. Nochmal die Bitte, seine Daten zu hinterlegen, die Frage, welche Themen einen eigentlich interessieren und die Frage nach Emailadressen von Freunden. Das letzte finde ich persönlich doof. Ich würde nicht wollen, dass mich meine Freunde bei irgendwas anmelden. Sie können es mir ja gerne sagen, und mich auf etwas hinweisen. Aber dieser Scheiß-Facebook-Sprech: „Lade deine Freunde ein“, kotzt mich an…….
Ist auch nach DSGVO nicht statthaft, glaube ich. Einfach wen über zwei Ecken einladen wollen geht nicht.
Ich habe soeben im Hintergrund aus Blödheit einen Kommentar gelöscht, der im Spam-Ordner gelandet ist. Ich entschuldige mich.
Der Kommentator merkte in etwa Folgendes an:
Deine Argumente gegen veganes Futter zünden nicht.
Das sehe ich anders. Vegane Ernährung ist selbst mit Tricorderscan eine mangelhafte Sache. Wer Hunde, Kleinkinder und / oder Katzen vegan ernährt und auf Instagram vorführt, will damit beweisen, daß er ein besserer Mensch als alle anderen ist – das „holier than thou“-Ding, das ich angesprochen hatte. Solche Leute sollten weder Kinder noch Haustiere haben dürfen und brauchen einen Kopfklempner. Ich bleibe dabei.
Auch vegetarisches Essen ist keinesfalls energetisch viel besser als Fleisch.
Das hatte ich eigentlich angemerkt. Zumindest denke ich das. Vegetarisches Essen scheitert heute oft an der industriellen Landwirtschaftsmethodik, was die Angelegenheit mit Kalorien rein > Kalorien raus angeht. Wäre unsere Landwirtschaft aber anders geregelt – etwa wie vor hundertfünfzig Jahren – wäre vegetarische Ernährung von der reinen Logik her eindeutig ein korrektes Ding.
Auch für Ei und etc. werden Tiere getötet usw.
Das ist korrekt. Wurde allerdings von mir auch nie bestritten oder bejubelt. Allerdings wird keine vegane Ernährung der Welt etwas daran ändern. Menschen halten schon sehr lange Tiere, die Eier, Wolle, Milch und auch Fleisch liefern. Das wird auch in zweihundert Jahren noch so sein.
Mir geht es argumentativ darum, die Skalierung zu verringern. Ebenso wie Ställe immer zu klein sind, sind Felder mit Mais und Weizen immer zu groß, damit Viecher gefüttert werden können.
Wenn du dir darum keine Gedanken machst und dich selber mal… fragst, läufst du in dieselbe Konsumfalle wie alle anderen.
Falsch. Ich laufe nicht in eine Falle. Ich sehe sie. Und ich kaufe einfach das Essen, das mir schmeckt. Die erwähnten missionarischen Veganer entstammen meiner Erfahrung und sind keinesfalls erfunden. Mit Sicherheit trifft die Beschreibung nicht auf alle zu. Aber ich verweise auf den Tag „Flame“ 😉
Argumentativ: Ich versuche keinesfalls, perfekt zu sein. Denn Perfektion bleibt immer unerreicht und frustriert unnötig. Ich versuche, mir Dinge bewußt zu machen und mein Handeln entsprechend zu orientieren. Was bedeutet, dem Planeten nicht mehr auf den Sack zu gehen, als für Spaghetti Bolognese notwendig ist. Alles weitere ist Konsumismus. Ich mache nicht für jeden Unsinn ein politisches Faß auf – wie es heute oft der Fall ist.
Ich hoffe, das gegenüber dem Unbekannten hiermit geklärt zu haben. Sorry noch mal fürs Löschen. Es war ein langer Tag.
Erstmal vielen Dank für die ausführliche Antwort, das weiß ich sehr zu schätzen. An dieser Stelle auch an ein Lob an deinen Blog. Viele Dinge sind mir in deiner Sichtweise jetzt klarer geworden. Leider gehst du auf den Kernpunkt meiner Argumentation nicht ein, deswegen versuche ich das etwas pointierter darzustellen:
Ich akzeptiere es, wenn Menschen Tiere zu Nutzzwecken halten oder töten um zu überleben. Wenn man das nicht tuen würde stellt man sich unter die Tiere und das ist mit Sicherheit nicht der mittlere Weg. Mein Kommentar sollte auch kein Für oder Wider gegen irgendeine Ernährungsidiologie sein. Was mich stört ist vielmehr was anderes. Menschen essen Fleisch, obwohl sie ihn nicht zum Überleben bräuchten. Sie überlassen das Töten anderen Menschen. Und das perfide ist, dass die meisten von ihnen nicht mal in der Lage wären ein Tier selbst zu schlachten. Und das meinte ich letztendlich mit der Analogie einen Krieg zu fordern, aber nicht an die Front wollen. In diesem Modus stecken einige Menschen und das ist letztendlich einfach nur pervers.
Das Problem ist doch dieses: Aus dieser Tierethik-Diskussion wird immer mehr zu einem oberflächlichen Kampf Veganer gegen Fleischesser. Dieser Diskurs degeneriert zu einem öffentlichen Showkampf. Um den Kern der Sache, den ich oben dargestellt habe, geht es doch nicht mehr. Und das wollte ich mit Diesem Kommentar mal deutlich machen. Und ich hatte auch das Gefühl, dass du in diesem Artikel auf dieses Zug aufgesprungen bist und dieses binäre Denken Veganer – Fleischesser kultivierst und dazu beiträgt diese Tierethik-Diskussion zu verkümmern. Vielmehr sollten wir doch von Situation zu Situation schauen wann es vernünftig ist ein Tier zu töten, es töten zu lassen und wann nicht. Und nur mal am Rande: Die eigene Sinnesgier nach köstlichen Geschmäckern scheint für mich kein geeigneter Parameter für sowas zu sein.
Und das perfide ist, dass die meisten von ihnen nicht mal in der Lage wären ein Tier selbst zu schlachten.
Richtig. Ich habe das allerdings durchaus schon gemacht. Ist lange her, aber immerhin. Dieser Aspekt zieht sich aber durch sehr viele Teile des industriellen Alltags. Niemand arbeitet im Schlachthof. Ich habe sie mir mal angesehen. Immerhin. Alle sterben steril im Krankenhaus, niemand mehr zu Hause. So lange Umweltschäden in 20.000 Kilometern Entfernung den Strand mit Plastik zumüllen, ist es uns schnuppe. So lange die Sklaven im Sweat Shop in Vietnam meine Billigklamotten nähen, ist es mir egal.
Aus dieser Tierethik-Diskussion wird immer mehr zu einem oberflächlichen Kampf Veganer gegen Fleischesser
Korrekt. Sündenböcke. Wenn nur alle vegan wären, die Welt wäre gerettet 😉
dass du in diesem Artikel auf dieses Zug aufgesprungen bist und dieses binäre Denken Veganer – Fleischesser kultivierst
Nicht wirklich. Ich will eigentlich sehr oft, daß andere so etwas bemerken und sich dann denken „Hähh? Was will der Typ?“ Denn dann erst setzen sich bei vielen Leuten die Zahnräder in Bewegung. Die Dinge stehen bei mir oft zwischen den Zeilen. Hier schreibe ich, ich kann nicht anders 😉
Es gibt irgendwo eine Doku „Leben wie in der Steinzeit“. Da werden 2 Familien an einem See ausgesetzt und sollen den Sommer überleben. Alle sind sehr motiviert (und Vegetarier). Das Frühjahr und der Sommer sind völlig verregnet, die Familien und vor allem die Kinder haben echt Hunger. Das Getreide ist verspelzt, Früchte wachsen nicht so recht. Im Garten haben sie 2 Schweine. Die Blicke auf die Schweine werden immer begehrlicher, und ja, sie haben die Schweine geschlachtet und ja, auch die Kinder haben die Schweine gegessen. Insofern stimme ich Tool zu, man kann Tiere töten, wenn man hungrig genug ist. Zurzeit ist in Mitteleuropa niemand hungrig. Alle satt und gelangweilt.
Von Tool:“… und das ist letztendlich einfach nur pervers.“
Nein, ist es nicht. Das nennt sich Arbeitsteilung und ist die Basis von Zivilisation. Du hast deinen Computer ja auch nicht selbst geötet.
Von Kassandra:“Wenn nur alle vegan wären, die Welt wäre gerettet“
Das höre ich verdammt oft. Meistens dann, wenn jemand das Stichwort Überbevölkerung brachte. Ich glaube die Taktik kommt aus Bangladesch wo 165 Millionen Menschen auf der Fläche der DDR leben. Diese Fläche wird dabei auch noch immer kleiner, weil wir im Westen lieber Porsche fahren, als uns wie die Muslime zu vermehren. Natürlich sind beide Strategien voll fürn Arsch. Nun weiss ich aus sicheren Quellen, dass die Muslime auch Porsche fahren wollen, und deswegen juckt mich deren Schicksal nicht.
Von Tool:“Die eigene Sinnesgier nach köstlichen Geschmäckern scheint für mich kein geeigneter Parameter für sowas zu sein.“
Was hast Du gegen Lebensqualität? Nur mal so am Rande; es gibt da unterschiedliche Viecher die ausgesprochen lecker sind. Der Aufwand für Chicken-Curry ist weit aus geringer als der für ein Steak. Wer trotzdem nicht auf den Geschmack von Steak verzichten will, dem empfehle ich Rattenfleisch. Schmeckt fast genauso, aber ist dabei zarter und bekömmlicher.
„Nein, ist es nicht. Das nennt sich Arbeitsteilung und ist die Basis von Zivilisation. Du hast deinen Computer ja auch nicht selbst gelötet.“
Ich hätte aber kein Problem damit ein Computer zu löten, aber ein Tier zu schlachten schon. Es geht nicht darum es tatsächlich zu tun, sondern ob man es tun könnte. Ich weiß das wir in einer arbeitsteiligen Welt leben.
„Was hast Du gegen Lebensqualität?“
Gar nichts. Allerdings sollte Lebensqualität nicht davon abhängen ob man Töten (lassen) kann oder nicht.
Freundliche Grüße
„Allerdings sollte Lebensqualität nicht davon abhängen ob man Töten (lassen) kann oder nicht.“
Aber genau das ist der Fall. Und dabei geht es nicht nur um Burger, sondern auch um Wehrpflicht.
An mir soll es nicht liegen. Habe gedient und bin fähig aus 25 Metern einen Cent zu treffen. Die ersten die das zu spüren bekamen waren die Ratten, die mir das Basilikum weggeknabbert haben. Rattennest ausfindig gemacht, eine Nacht auf die Lauer gelegt, und jede halbe Stunde einen fiesen Nager via Blattschuss erledigt. Diese Lösung ist heute illegal, weil „Tierquälerei“, aber die legale Variante das Problem arbeitsteilig an so einen lizensierten Giftmischer auszulagern überzeugte mich eben nicht. Und natürlich weiss ich welche Frage Dir jetzt auf den Lippen liegt. Die Antwort ist: Nein. Stattdessen habe ich meine Beute dem Besitzer des italienischen Restaurants präsentiert, der mit seinen Müllcontainern die Biester erst angelockt hat, und mich von ihm eine Zeit lang versorgen lassen.
Das Stichwort Überbevölkerung kommt nach etwa 3,7 Minuten immer in einer Kassandra-Diskussion. Aber man weise dann einmal darauf hin, daß die „Bevölkerungsexplosion“ gar nicht mehr aktuell ist. Die durschnittliche Kinderzahl liegt in Bangladesch übrigens bei 2,4, so als Randinfo.
Man weise vor allem darauf hin, daß man da Bevölkerung reduzieren müßte, wo am meisten Ressourcen verballert werden – also bei uns. Und Zack – wird der nächste Sündenbock hervorgeholt.
Wenn wir nur alle unseren Porsche elektrisch mit Windmühlen aufladen, können wir weiter Porsche fahren.
Ansonsten – Rattenburger, anyone? 😀
3,7 Minuten sind eine brutale Verzögerung. Natürlich ist’s richtig, wir konnten uns das industrielle Verballern von Ressourcen aller Art noch nie leisten. Nicht 1950, und heute schon gar nicht. Aber es wäre arg naiv zu glauben, wenn wir es nicht machen, dann liessen es auch auch alle anderen sein. Es sei denn natürlich, man sei der Meinung alle anderen würden das gar nicht auf die Reihe bekommen, weil das Verballern ja doch so einiges an westlichen KnowHow verlangt.
Wie viele Kinder die heute in Bangladesch im Schnitt produzieren ist doch komplett egal. Es sind 165 Millionen. Ganz aktuell. Das lässt sich auch mit Randinfos nicht relativieren.
Trotzdem bin ich ganz bei Dir, wenn du hier die Bevölkerung reduzieren willst. Glücklicherweise sehen unsere zivilisierten Mitbürger das genauso und verhüten fleissig. Wenn sich jetzt noch die Sabotage durch Einwanderung irgendwie verhindern liesse…
Ich guck gleich mal ob da eine Partei Lösungsvorschläge anbietet und wähle die dann bei nächster Gelegenheit. Andernfalls müßte ich mir ja vorwerfen lassen hier nur doof daher zu schwätzen.
Für mich bitte keinen Porsche, ich will den Kalaschnikow.
Wenn sich jetzt noch die Sabotage durch Einwanderung irgendwie verhindern liesse…
…dann wäre die Welt gerettet? 😀
Vielleicht. Noch vor 8 Jahren las ich viele Konzepte: „Stadtentwicklung bei schrumpfender Bevölkerung“. Was man da tun könnte, von innen nach außen, Versorgung anpassen etc. Dann kam es leider genau andersherum.
Aber die Idee ist trotzdem völlig richtig. „Zukunftsentwicklung ohne ewiges Wachstum und mit schrumpfender Bevölkerung“ – das wäre mal ein Konzept. Aber man redet uns ja noch immer ein, wir brächten Menschen von überall, damit es später noch eine Rente gibt. Was natürlich völliger Blödsinn ist. Ohne jetzt für geschlossene Grenzen plädieren zu wollen. Es ist halt nur dieser „Wir müssen wachsen“-Faktor, der überall drinsteckt. Und in Politik und Wirtschaft raffen sie es einfach nicht.
Ich denke schon, dass sie es raffen. Und merken, hey, wenn ich jetzt 100 Leute zum arbeiten hole, wollen die in 40 Jahren auch eine Rente, und so weiter und so fort.
In 40 Jahren ist der Entscheider aber tot, also Merkel, Seehofer und Konsorten auf jeden Fall. Darum entscheidet jeder nur für seine Sichtweite. Ist wie mit den steigenden Meeresspiegeln. Die Infrastruktur wird eh aller 50 Jahre komplette erneuert. Dann ist es grad egal, ob ich die Hafenmauer einen Meter höher mache. Erdbeben und so lassen eine Insel auch mal ein paar Zentimeter höher werden.
Witzig, daß du das erwähnst. Bei einer Erhöhung des Meeresspiegels um 30cm würden Kosten in mehrfacher Billionenhöhe fällig alleine für die Renovierung der großen Seehäfen weltweit.
Wie oft wird eine Gesellschaft sich das leisten können, deren Ökonomie unter schwindender Energiemenge leidet? Wie oft wird sie es sich leisten wollen, wenn immer mehr Durchschnittstypen sich abzappeln, aber auf keinen grünen Zweig kommen und auch auf keine Rente?
Die Kurzfristigkeit politischen Rumfuchtelns kommt natürlich noch dazu.
Ich denke, wir werden das bezahlen. Es müssen ja nicht alle Häfen gleichzeitig saniert werden. Ein paar Häfen gibt man dann auf, andere werden größer.
Das mit der schwindenden Energiemenge ist das große Unbekannte. Man hat es vor 10 Jahren erwartet, kam nicht, jetzt soll es jeden Moment so weit sein: pro Mensch weniger Energie. Nun ja, wir sitzen hier und beobachten.
Man hat es vor 10 Jahren erwartet, kam nicht, jetzt soll es jeden Moment so weit sein: pro Mensch weniger Energie.
Öhmmm…ich hatte mehrfach darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht um einen Zeitpunkt handelt, sondern einen Prozeß. Und wieso „kam nicht“?
Wir sind mittendrin. Die weltweite Energiemenge pro Kopf ist ein beständig sinkender Faktor. Deshalb werden „wir“ das auch nicht bezahlen.
Naja, den einzigen Hinweis findet man bei Tverberg
https://ourfiniteworld.com/2018/06/22/eight-insights-based-on-december-2017-energy-data/
Figure 2
Da geht noch gar nichts bergab.
Ich sehe schon, wir müssen uns mal ausführlicher über „Nettoenergie pro Kopf“ unterhalten 😉
Ich empfehle meinerseits eine kleine Doku, die hier besprochen wird. Jetzt zehn Jahre alt, aber exakt deswegen noch immer gut.
Die Webseite hat auch einen regelmäßigen „Peak Oil Review“ und weitere Beiträge zu solchen bejubelten Dingen wie Fracking, Teersanden, aber auch Solar und Wind etc. Ist eine Sammelseite verschiedener Autoren. Im aktuellen Review ist übrigens ganz oben eine Verlaufskurve für Mexikos Cantarell-Feld zu sehen. Das zweitgrößte Ölfeld der Erde. Sieht nicht gut aus 😉
Ich weise auch darauf hin, daß eine flache Verlaufskurve wie bei Tverberg in einer Ökonomie mit Wachstumspsychose bereits ziemlichen Ärger bedeutet.
Die USA haben offensichtlich massive Probleme damit, ihren feuchten Frackingtraum weiter aufrechtzuerhalten.
Diese Grafik hier zeigt z. B. sehr schön, daß alles an angeblichem Wachstum bei der US-Ölförderung aus tight oil und anderen Quellen stammt.
Wir haben aber so was von definitv ein Energieproblem…
Ich weiß. Den Artikel über die Dokus habe ich gelesen, bei Gelegenheit schaue ich mir das an. Stimmt schon, gleichbleibend ist nicht Wachstum. Ich lese auch sehr gern die Posts auf un-denial.com
Und wie beschrieben, schwanke auch ich zwischen „nimm den Spaß noch 10 Jahre mit“ und „oioioi, was soll nur aus den Kindern werden“.
Das Schwanken ist normal. Das gibt sich nach einer Weile. Wie sprach mein Bruder mal zu mir. „Was soll das schlechte Leben?“
Weil er nämlich für Wein und Küchenzeugs wirklich gnadenlos Geld raushaut – gut, er kann es sich leisten – und ich da manchmal etwas gutmütig spotte. Transportkilometer und so 😉
Aber da dachte ich hinterher: Hmpff. Eigentlich hat er recht.
Man kann das so machen. Ist eine legitime psychologische Reaktion. Allerdings hat er auch keine Kinder.
zum thema familienpolitik gibt es doch schon ein parteiliches, durchdachtes konzept:
https://www.youtube.com/watch?v=2AJ-8Ukb_DM