Was ist da eigentlich genau passiert am gestrigen Sonntag?
Da haben die Griechen offiziell abgestimmt, ob sie ein Angebot der Troika…’tschuldigung…der ,,Institutionen“ annehmen sollen.
Aber dieses Angebot lag zu diesem Zeitpunkt ja gar nicht mehr auf dem Tisch, denn es lief am 30. Juni aus. Außerdem war es kein Angebot, was da auf dem Tisch gelegen hat. Es war, wie der Ökonom und Schreiber für die New York Times, Paul Krugman, es ausdrückte, ein ,,umgekehrter Corleone“, also ein Angebot, das Tsipras nicht annehmen konnte.
Denn die Troika hatte ja in ihrem letzten Vorschlag nichts Neues gefordert, dafür viel Altes. Wenn man die Renten nicht weiter kürzen kann, weil die schon um 30% gesunken ist, dann könnte man ja die Beiträge erhöhen. Und wenn man schon das Lohnniveau um 40% gesenkt hat, könnte man die Mehrwertsteuer erhöhen zum Ausgleich, oder besser, die Mehrwertsteuern. Ja, Griechenland war einmal so reich, daß es sich unterschiedliche Mehrwertsteuersätze leisten konnte, so wie wir in Deutschland auch.
Inzwischen hat sich so ziemlich alles als erstunken und erlogen herausgestellt, was man vorher über die Arbeit der Troika hat verbreiten lassen, gerne auch über den gebührenfinanzierten Staatsrundfunk in Deutschland.
Es gab de facto – wie ich das schon beschrieben habe – gar keine neuen Angebote der Troika, sondern letztlich nur immer wieder dieselbe Leier wie vorher auch schon fünf Jahre lang: Sparen.
Und wenn irgendwo was strukturell verändert werden sollte, um vielleicht etwas besser zu machen, durfte das kein Geld kosten. Schwierig, wenn ein Land eh schon von Krediten abhängig ist.
Die ganze Woche lang hatte man abgestritten, daß es irgendwie darum ging, die linke Regierung der Syriza aus dem Amt drängen zu wollen. Mr Krugman war auch hier anderer Meinung.
Second, the political implications of a yes vote would be deeply troubling. The troika clearly did a reverse Corleone — they made Tsipras an offer he can’t accept, and presumably did this knowingly. So the ultimatum was, in effect, a move to replace the Greek government. And even if you don’t like Syriza, that has to be disturbing for anyone who believes in European ideals.
Aber unsere europäischen Undemokraten haben sich dann doch irgendwie enttarnt.
Erst stellte sich Herr Gabriel hin und fand das Referendum gut. Das war vorletzten Samstag. Dann stellte er sich am folgenden Sonntagmorgen hin und fand das total nicht gut, denn Herr Tsipras hatte seinen Griechen empfohlen, mit Nein zu stimmen.
Klare Sache: Für die ehemalige SPD ist es natürlich nur dann Demokratie, wenn man der von ihr mitgetragenen Linie des ewigen Sparens auch zustimmt. Ablehnung kann per se nicht demokratisch sein.
Noch während Herr Gabriel sich damit rausreden wollte, er fände es ja nur deshalb nicht gut, weil eben eine Regierung keine Meinung haben und neutral bleiben sollte bei so was, lehnte sich schon der deutsche Finanzminister aus seinem Streitwagen nach vorn und empfahl den Griechen, doch mit Nein zu stimmen.
Der Herr Schäuble ist aber als Finanzminister Teil der Regierung. Soweit dann zur Neutralität bei irgendwelchen Referenden. Als wäre es undemokratisch, wenn eine Regierung Werbung für ihre Sache macht, machen politische Parteien doch ständig. Aber das hat der Gabriel vielleicht gar nicht gewußt.
Ein bißchen undemokratisch ist es allerdings, wenn sich die deutsche Regierung in ein griechisches Referendum einmischt, zumindest meiner Meinung nach.
Aber da hat die deutsche Regierung wohl Übung drin, denn nach Aussage des ehemaligen Ministerpräsidenten Papandreou hat der Pate…also, der Schäuble…schon 2011 damit gedroht, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen. Denn auch Papandreou wollte damals über das weitere Vorgehen abstimmen lassen, stieß dabei aber wohl auf entschiedenen Widerstand des deutschen Finanzministers.
Der ehemalige Ministerpräsident spricht sogar davon, daß man damals eine historische Chance versäumt habe:
„Wir haben damals die entscheidende historische Gelegenheit verpasst, die Zustimmung der Griechen zu den Reformen zu bekommen. Jetzt bezahlen wir dafür.“
Herr Schäuble empfahl übrigens ein Nein, weil damit ein Grexit seiner Meinung nach unvermeidlich ist, er wäre das Problem also endlich los. Das ist gelebte europäische Solidarität.
Dann warnte der Herr Schulz, dieser Vorzeige-Sozi der ehemaligen SPD, der auf Europaebene rumturnt, die Griechen ebenfalls vor einem Nein, denn dann gäbe es keinen Rahmen mehr für den Aufbau Griechenlands.
Ich weiß nicht, ob dem Schulz das auch keiner gesagt hat, aber bisher hat gar keiner versucht, Griechenland wieder aufzubauen. Man hat einer Nation, deren Bewohner schon 2010 nicht mehr in der Lage waren, die Zinslasten ihrer Schulden zu erwirtschaften, noch mehr Kredite aufs Auge gedrückt, um das Bankensystem weiter zu beatmen.
Die Troika wollte eine ihr nicht genehme Regierung wegmobben.
In einem ordentlichen Mafia-Film wären diese ,,Institutionen“ übrigens diese Typen mit den gegelten Haaren, Gesicht eingefroren, Sonnenbrille, weißes Hemd und dazu ein schwarzer Anzug, der so aussieht, als hätte man ihn mitsamt seinen Trägern aus einem Stück Marmor geschnitten, weil alle diese Typen den Eindruck erwecken, als hätte man sie gebaut und nicht geboren.
Das sind die ,,Institutionen“, und wie im Film stehen sie natürlich immer unauffällig in der Nähe des Typen, der klein und armselig auf der anderen Seite des Schreibtisches hockt, auf dem der Pate seine Füße (italienische Lederschuhe, Handarbeit) abgelegt hat.
So ungefähr sind bis jetzt die Verhandlungen zwischen Troika und griechischer Regierung gelaufen und dementsprechend waren auch die Angebote gestaltet.
Herr Schulz warf Athen übrigens auch ideologische Aufladung vor.
Nun ja, dazu genügt dann wohl ein Tweet des zweit- oder drittgrößten Vollpfostens der deutschen Politik, nämlich von CSU-Generalsekretär Scheuer von gestern abend, als sich der Sieg der Syriza abzeichnete.
https://twitter.com/CSU/status/617755793400721408/photo/1
Gut, das mit den ,,linken Erpressern“ darf man bei jemandem wie Scheuer nicht allzu ernst nehmen, immerhin ist für die CSU ja alles stalinistisch-links, was nicht die NPD oder sie selbst ist. Ich weise aber ausrücklich auf die gegelten Haare hin.
Was die griechische Regierung gemacht hat, war nichts anderes, als sich selber die Pistole an den Kopf zu setzen und mit Selbstmord zu drohen. Seit 5 Monaten eigentlich. Das ist allerdings gar keine Erpressung, das ist Verzweiflung.
Aber man wird ja auch nicht CSU-Generalsekretär, wenn man eine besondere intellektuelle Leuchte mit Durchblick ist oder womöglich fähig, sich in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen, denen es recht dreckig geht.
Zur ideologischen Auf- und Entladung gehören immer mindestens zwei Pole. Ein Land weiter zum Sparen zu nötigen, dessen Volkswirtschaft durch diese Maßnahmen bereits um 25% eingebrochen ist, ist eine Vorgehensweise, die so politisch-ideologisch statt faktenorientiert ist wie es nur geht.
Auf jeden Fall ist in den letzten sieben Tagen eines klar geworden: Unsere großartigen Demokraten von der CDU/CSU und auch der ehemaligen SPD, sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene, sind sich nicht zu schade, mal eben bestimmen zu wollen, was in anderen Ländern Demokratie zu sein hat. Nicht, daß mich das persönlich erstaunt, aber dieser Verfall der politischen Kultur in unserem Land hat in den letzten 15 Jahren Ausmaße angenommen, die eindeutig demokratiegefährdend sind.
Selbst Straußens Franz-Josef, Gott hab ihn selig, der alte Don Korrupto aus Bayern, hätte sich niemals zu derartig hirnbefreiten Blödsinn hinreißen lassen, den ein Herr Scheuer so von sich gibt. Der hätte wieder im Bonner Wasserwerk was ins Mikrofon gebellt und jeder hätte gewußt: Der will nur spielen. Damals hatten Beleidigungen in der Politik wenigstens noch intellektuelles Niveau.
Trotz massiver Einschüchterung haben die Griechen gestern mit einer erstaunlich starken Mehrheit klar und vernehmlich ein Zeichen gegeben, und es war nicht zwingend das Friedenszeichen.
Das dürfte die Fraktion der Linken gefreut haben, die extra mit Herrn Gysi nach Athen geflogen war, um ihren Kollegen von der Syriza moralische Unterstützung angedeihen zu lassen. Wobei ich mich natürlich frage, ob die ihren Linienflug auch selber bezahlt haben – ich hoffe doch!
Aber damit ist das Thema nicht vom Tisch, denn was die Folgen des Ereignisses sind, kann man eben nicht genau abschätzen. Die Griechen hatten im Grunde die Wahl zwischen Pest und Cholera und haben sich – durchaus nicht unweise – für die Cholera entschieden.
Das Dumme ist nur, daß man eben auch an der Cholera sterben kann, wenn die nicht behandelt wird. Nur eben nicht so schnell und so sicher wie an der Pest.
Tatsache ist, daß die Banken heute geschlossen sind, wie geplant. Frau Merkel konferiert heute mit Hollande in Paris. Die Frage ist, worüber die da reden werden.
Wenn Frau Merkel, diese beste Kanzlersimulation, die man für Geld kaufen kann, sich über ein drittes Rettungspaket bespricht – also eigentlich das erste, denn bisher hatte man ja keine Absicht, die Griechen zu retten – wird es endgültig absurd.
Damit Deutschland überhaupt erneut Verhandlungen aufnehmen kann, müßte es nämlich eine Abstimmung im Bundestag geben. Der hat aber Sommerpause. Beruft der Präsident eine Sondersitzung ein, müßte Frau Merkel erklären, warum man den Griechen denn jetzt noch mehr Kredite geben soll, die diese ja eigentlich abgelehnt haben.
Ein weiteres Paket Kredite ergibt auch nur Sinn, wenn diese Kredite als Investitionsprogramm gedacht sind, also nicht wieder durch griechische Banken an europäische Geier weitergereicht werden müssen.
Außerdem könnten die Griechen nur dann ihre Schulden jemals bezahlen, wenn man die vorher zusammenstreicht, und zwar massiv. Das würde aber bedeuten, daß hier tatsächlich erstmals Verluste für den Bundeshaushalt realisiert werden müßten. Was wiederum weder Frau Merkel noch ihrem schwäbischen Streitwagen gefallen dürfte.
Frau Merkel dürfte ihre eigene Nicht-Politik um die Ohren fliegen. Egal, was sie tut und auch wenn sie nichts tut.
Das wäre natürlich eine völlige Umkehr der bisherigen Merkel-Politik. ,,Kein Schuldenschnitt“, so hat Angela die Alternativlose bisher immer getönt. Allerdings wäre Frau Merkel auch die letzte, die eine 180°-Wende ihrer Politik irgendwie depressiv stimmen würde, das ist unserer Kanzlerin ja vollkommen egal. So flexibel ist sie allemal.
Aber für eine derartige Umkehr bekommt sie vermutlich keine Mehrheit aus der Union. Das Grummeln unter den Konservativen ist laut geworden.
Angela müßte sich also eine Mehrheit für eine neue Verhandlung da holen, wo sie nicht hin will. Und auch da her, wo keiner zu ihr will – nämlich links. Auch ganz links. DIE LINKE müßte schon quasi traditionell für eine neue Verhandlung stimmen, ob sie will oder nicht. Ebenso die Grünen. Die Kanzlerin bekäme ihr Verhandlungsmandat also von der Opposition.
Aber ein Marshall-Plan für Griechenland? Das wäre quasi linke – also vernünftige – Politik von einer CDU-Kanzlerin. Also entweder ein Fehler in der Matrix oder endgültiges Absurdistan. Sprich mal einer von Durcheinander in der griechischen Politik.
Bliebe also alternativ der Ausstieg der Griechen aus dem Euro, der allseits in der Presse breitgetretene ,,Grexit“. Jetzt hat aber natürlich Frau Merkel immer verkündet ,,Scheitert der Euro, scheitert Europa“.
Was zum einen die politische Visionslosigkeit dieser Frau verdeutlicht als auch ihr Vorstellungsbild von Europa aktuell.
Denn welches Europa haben wir denn gerade vor uns?
Ich blende zurück: 2008 implodierte aufgrund ihrer Verwicklung in dubiose Immobiliengeschäfte die Bank Lehman Brothers. Die Schockwellen liefen erst durch das amerikanische Bankensystem und schwappten dann über den Atlantik. Aus der Immobilienkrise wurde eine Bankenkrise. Daraus wurde dann wenig später eine Finanzkrise und dann eine Staatschuldenkrise.
Denn statt pleite zu gehen, hatten sich die Banken einfach hingestellt und gesagt: ,,Wenn wir fallen, fällt das Weltfinanzsystem mit.“
Ich hätte da ja als Pate gesagt: ,,Wenn ihr das versucht, schwimmt ihr morgen bei den Fischen.“
Allein der Blick auf den Banker-Gesichtern wäre mir das wert gewesen. Und verstaatlichen können hätte man den ganzen Müll auch noch, nachdem man die Vorstände an die Wand gestellt und erschossen hätte. Aber nun ja, die Politik hat sich damals mit der Pistole auf der Brust erpressen lassen und die Banken freigekauft. Dabei wäre meine Methode auf jeden Fall effektiver gewesen. Spaßbremsen!
Deshalb sind Europas Staaten heute so übermäßig verschuldet. Laßt euch von niemanden was anderes erzählen: Wir sind immer noch in derselben Krise wie 2008.
Der Anstieg der Schulden war das eine, auf der anderen Seite trocknete gleichzeitig aber auch der Kredit aus. Die Weltwirtschaft braucht aber nun einmal einen steten Zustrom an Energie und zusätzlich ein eigentlich endlos wachstumsfähiges Kreditvolumen zur Realisierung von endlosem Wirtschaftswachstum.
Als die Ölpreise 2008 auf $147/barrel stiegen und dann die Lehman-Pleite folgte, verschwand beides vom Markt, der Energiefluß und der Kredit.
Eine Volkswirtschaft wie Griechenland hatte bis dahin vom Euro profitiert. Man hatte sich billig Geld leihen können, denn Athen mußte nicht mehr 20% Zinsen bezahlen wie in den 90ern, sondern nur noch 3%.
Dummerweise hat Griechenland damit nicht etwa das Land umgebaut, das Steuersystem reformiert oder sonstige sinnvolle Dinge. Nein, bedauerlicherweise hat eine korrupte Regierung nach der anderen die Kohle verjuxt. Wahrscheinlich für Koks und Nutten, so wie die Bankvorstände auch. Jedenfalls hat man das Land nicht auf stabilere Füße gestellt. In dem Moment, in dem der Kreditstrom zu versiegen begann, begannen auch die griechischen Staatsschulden zu explodieren.
Ebenso wie für Italien und Spanien gingen die griechischen Zinsen plötzlich wieder durch die Decke.
Damit platzte die Blase, zu der sich die griechische Volkswirtschaft entwickelt hatte. In Spanien war es der Bauboom, der zusammenbrach und das Land bis heute mit Katerstimmung zurückließ. Italien – nun ja, die Italiener kennen sich damit ja aus, die alte Lira war auch nie was wert und die Korruption ist schließlich von den Römern als fester Bestandteil der Politik geradezu erfunden worden.
Dann erschuf Merkel die Sparpolitik, knechtete die Länder und Völker und als die Griechen immer ärmer wurden, sah sie, daß es gut war. Zumindest ist das die Version, die den Griechen verkauft wurde und so falsch ist die gar nicht.
Für Europa ist der Sieg der Syriza aber ein Pyrrhus-Sieg, zumindest könnte es einer werden. Denn eigentlich müßte die EZB den Banken in Griechenland jetzt den Geldhahn zudrehen, es gibt quasi keine Geschäftsgrundlage mehr.
Tut Draghi das, werden die Banken in Hellas auch Dienstag nicht öffnen und auch Mittwoch nicht. Am 10. Juli werden für Griechenland T-Bills, das sind Staatspapiere mit sehr kurzer Laufzeit, in Höhe von 2 Milliarden Euro fällig.
Können diese nicht bezahlt werden, addiert sich das zur nicht bezahlten IWF-Rate von Dienstag und dann hätten die Rating-Agenturen eigentlich keine Wahl mehr, als den Zahlungsausfall auch als solchen zu bewerten. Bisher sind sie eine Stufe davor stehengeblieben, denn schließlich wäre bei einer Staatspleite ja auch ihr Geld weg. Am 20. Juli ist dann noch einmal eine Zahlung von 3,5 Milliarden an die EZB fällig. Spätestens hier wäre Griechenland am Ende und aus dem Euro raus, weil selbst einem Draghi keine ausrede mehr einfallen dürfte.
Dreht Don Mario aber den Hahn nicht zu und läßt weiter Geld fließen, verstößt das endgültig gegen alle Verträge europäischer Prägung. Als wären der Vertrag von Lissabon und andere Kleinigkeiten, wie deutsche Verstöße gegen den Stabilitätspakt, nicht schon genug, um die wenig vorhandene Autorität der EU zu untergraben und gewisse Zweifel an der eigenen Vertragstreue zu haben, auf die einer wie Schäuble in den vergangenen Monaten ja immer wieder bestanden hat. Der Pate ist also arg in der Zwickmühle in den nächsten Tagen.
Der Pyrrhus-Sieg der Griechen verteilt Arschkarten in Europa. Allerdings für alle.
Varoufakis, der alte Spieltheoretiker, hat hoch gepokert und gewonnen, denn die berühmte Arschkarte bleibt definitiv im Moment in Brüssel kleben. Fällt Griechenland aus dem Euro, wird die EU schuld sein.
Allerdings wird Mario die Karte bald an Angela abgeben können, die hat auf jeden Fall Ärger am Hals. Eine Meinung, die der britische Guardian mit mir teilt.
Auch für die Griechen selbst ist die Sache schwer zu schätzen. Mit Euro kommen sie ökonomisch nicht auf die Füße, es sei denn, es gäbe tatsächlich einen Marshall-Plan. Den müßte aber die Kanzlerin ohnehin noch einmal extra genehmigen lassen. Spielen dann CDU und SPD nicht mit, reicht die Opposition nicht aus, um da was zu drehen. Spätestens dann wird es für Deutschlands Innenpolitik ohnehin sehr interessant.
Fallen die Griechen aus dem Euro-Raum raus, bedeutet eine neue Drachme erst einmal Inflation. Dazu kommt die Tatsache, daß Griechenland sehr viel Öl verbraucht und seine Energie fast nur importiert. Da Energie in Dollar gehandelt wird, käme das also noch oben drauf. In jedem Lebensbereich würden die Preise massiv ansteigen.
Für die Griechen, die ohnehin kein Geld haben, ist das egal. Für die, die aber ihr Geld im Ausland gebunkert haben, wäre das sogar ein Geschäft. Sie könnten für einen Appel und ein Ei ganze Landstriche aufkaufen, was im höchsten Maße unsozial und somit ganz schlecht für die linke Regierung wäre.
Hinzu kommt, daß das griechische Nein womöglich auch in Spanien gehört wird, wo die linke Podemos (Wir können) schon knapp hinter den regierenden Konservativen auf Platz 2 der Umfragen liegt. Spanien wählt Ende 2015 eine neue Regierung.
Ebenso könnten Italien, Portugal und Irland die Frage erheben: ,,Warum nur Schuldenschnitt für die Griechen? Wir wollen auch!“
Und das auch zu Recht. Denn entgegen der in der deutschen Presse verbreiteten Legende hat nicht etwa Europa Irland gerettet, sondern Irland damals Europa.
Der Sieg des Nein stellt somit Frau Merkels Politik als solche in Frage. Es wirft auch die Frage auf, wie verzweifelt ein Volk sein muß, trotz allem Nein zu sagen, obwohl es sich damit bestenfalls eine ungewisse Zukunft einhandelt.
Es wirft die Frage auf, warum ein Europa, in dem Politik nur noch ausführender Wille eines maroden Banken- und Finanzsystems ist, in irgendeiner Form die Unterstützung der normalen Bevölkerung verdient haben soll.
Es ist diese Frage und die Antworten darauf, die der deutschen Kanzlerin auf keinen Fall gefallen und von denen sie nichts hören möchte.
Es ist nicht nur Frau Merkels Politik, die hier mit einem Nein bedacht wurde. Es ist auch das postdemokratische, marktkonforme Europa der zentralistischen Bürokraten.
Die Griechen haben Nein gesagt, weil sie eine Zukunft für ihr Land wollen. Auch wenn diese Zukunft vielleicht noch teuer erkauft werden muß.
Die Griechen nehmen es auf sich, lieber aufrecht unterzugehen, als unter endlosen Schulden permanent auf Knien leben zu müssen.
Wenn Europa eine Zukunft haben soll, ein richtiges Europa, werden die Völker des Kontinents in der nächsten Zeit viel öfter Nein sagen müssen und auch viel lauter.
Allerdings müssen wir uns beeilen, denn sonst könnte diese Zukunft, dieses andere Europa, das Europa der Völker, außer Reichweite gleiten, schon bald.
Endlose Schulden und endlose Zinsen sind ebensowenig hinnehmbar wie das ewige Wachstum jemals real sein kann. Griechenland könnte es ermöglichen, dem Rest Europas zu verdeutlichen, daß es unser System ist, das da bankrott ging vor einigen Jahren. Griechenland selbst ist nur ein Symptom des Kommenden.
Schön geschrieben!
Wenn es gefällt, bin ich ebenfalls zufrieden 🙂
Genau auf den Punkt gebracht. Warum können es diejenigen nicht erkennen, die alles verbockt haben?
Leider stellt sich schon seit längerem dar, dass Politik meist von Menschen gemacht wird, die, entweder abgehoben sind und sich für unfehlbar halten oder schlichtweg das Gemüt von Lischen Müller haben. Politik die scheitert, kann passieren, aber dann muss man es erkennen und dementsprechend handeln. Das Eingeständnis ihres eigenen Versagens findet nicht statt, die Verantwortung dafür sieht man nicht.
Ihre Berichte sind eine Wohltat für die, die nach Wahrheit suchen und sprechen mir oft aus der Seele. Vielen Dank.
Vorsicht! 😉
Was ich hier schreibe, ist natürlich meine Sicht der Dinge! Das muß nicht zwingend „Wahrheit“ sein. Ich hoffe, daß es das ist.
Der Generalsekretär der CSU wäre da sicherlich anderer Meinung.