Gefiltert im Nebel

„Das Tolle am Internet ist, daß endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, daß es auch jeder tut.“
Das Känguru

Eine Woche nach den Ereignissen in den USA wundern sich immer noch alle. Nachdem sie aus ihrem Koma wieder erwacht sind, das die Begegnung mit einer Flasche Wodka, Whisky oder Bourbon unmittelbar nach der Wahl verursacht hatte, versteht sich. Paul Krugman wunderte sich noch in der Wahlnacht. Eine sichtlich gealterte Hillary Clinton wunderte sich erstmalig gestern in der Öffentlichkeit und sprach von einer gespaltenen Gesellschaft in den USA. Unglaublich, was so ein bißchen Make-Up doch ausmacht. Für Gesichter und Gesellschaften.
Ursprünglich sollte der Link zur Süddeutschen Zeitung gehen, aber die wollen offensichtlich nicht mehr verlinkt werden, denn die Seite benutzt neuerdings einen Adblocker-Blocker. Schade, SZ. Netter Versuch.
Die deutsche Regierung wundert sich. Die russische nicht, die gratuliert dem neuen Mann schon einmal. Zum Glück hat Nordkorea nicht auch noch gratuliert, zumindest habe ich darüber nichts gelesen. Insgesamt wundern sich erstaunlich viele Menschen: Wie konnte es passieren, daß ein Typ mit einer Frisur wie ein explodierter Hamster zum Chef des offiziell noch immer mächtigsten Landes auf diesem Planeten gewählt wird?

Im Grunde ist die Antwort einfach: Arrogantes Vollidiotentum, gepaart mit Ignoranz. Näher betrachtet ist die Antwort natürlich nicht ganz so simpel. Das ist wie der Beziehungsstatus zwischen Menschen und ihren Quietscheentchen oder Teddybären auf Facebook: Es ist kompliziert.

Ich persönlich habe die letzte Woche mit mehreren inneren Reichsparteitagen gefeiert, um hier mal jemanden zu zitieren, den ich in einem anderen Leben mal kannte. Nachdem ich schon vor einem guten Jahr vorhergesagt habe, daß Donald Trump Präsident werden wird, und das ganze vier Wochen vor der Wahl noch einmal deutlich wiederholt habe – wobei ich sogar den Verlauf der Wahlnacht recht gut getroffen habe – ist das Ereignis also tatsächlich eingetreten.
Für jemanden wie mich ist das doof, denn eigentlich hatte ich einen Artikel vorbereitet, der da heißen sollte: „Madame President“.
Den kann ich jetzt wohl in den Ordner schieben, der „Alternative Zeitlinien“ heißt. Dabei hätte ich so gerne über die Zukunftsaussichten einer Präsidentin Clinton gelästert. Aber so ist das eben, wenn man mit dem, was man so schreibt, auf aktuelle Ereignisse Bezug nimmt.
Auf der anderen Seite ist es manchmal auch durchaus sehr angenehm, den Effekt des „Told you so“ am eigenen Leib zu erleben. Statt immer über den Spinner auf der Party zu lachen, mußten jetzt manche Menschen eingestehen, daß ich sehr wohl recht gehabt habe mit meiner Prognose.
Die dafür bezahlten Spezialisten hingegen, die Demoskopen und Statistiker, die Zeitungsschreiber in New York, Washington, London, Frankfurt, Berlin, Hamburg, L.A. und anderswo – sie alle laufen immer noch mit enormen Kopfschmerzen herum seit der letzten Woche. Tja, meine Herren. So ist das, wenn eine Realitätsblase platzt, in der man es sich gemütlich gemacht hat.
Eigentlich wollte ich einen irgendwie anderen Text schreiben, aber kaum hatte ich begonnen, stolperten die Gedanken in meinem Kopf mal wieder hektisch übereinander und drängelten nach vorne. Die Wichtigtuer!
Kreativlinge kennen das. Also geht es diese Woche um etwas, das von sehr vielen Leuten offensichtlich nicht wahrgenommen wird oder wurde, aber trotzdem enormen Einfluß auf unsere Gesellschaft hat. Einen Einfluß, der in den letzten Jahren – auch dank der bereits erwähnten Medien – weiter zugenommen hat: Persönliche Realitäten.

Alle Feministinnen in den USA hatten Hillary Clinton schon vor der Wahl als Siegerin ausgemacht. Zumindest dachten sie das. In Wahrheit hat eine große Horde keifender Xanthippen allen Frauen der USA kompromißlos befohlen, auf jeden Fall die Frau zu wählen. Mit der absolut überzeugenden Begründung, sie sei eben eine Frau.
In Clintons Kampagne tauchte das auf als „It’s my turn“, also „Ich bin dran“. Was für ein völlig unbestreitbarer Sieg des Feminismus. Statt Männern Posten zuzuschanzen, weil sie eben Eier haben, kriegen jetzt Frauen Posten, weil sie eben keine haben. Und das muß dann natürlich Gleichberechtigung sein, denn es bringt Frauen ja nach oben. Wer an dieser Logik zweifelt, haßt Frauen. Klingt stichhaltig.

Allerdings haben nach den Auswertungen der Zahlen mehr als 50 Prozent aller weißen Frauen Donald Trump gewählt. Das ist jetzt etwas unangenehm für die feministische Legende.
Außerdem stellt sich mehr und mehr heraus, daß auch weiße Männer mit Collegeabschluß Donald Trump gewählt haben. Ebenso auch Männer, die absolut nicht weiß sind. Sondern schwarz. Oder braun. Es gibt eine Gruppe namens „Latinas für Trump“ und die hat in Florida möglicherweise dazu beigetragen, das der Bundesstaat an Trump ging statt an Clinton. Das wiederum ist unangenehm für die rassistische Legende.
Auch bei jungen Wählern zwischen 18 und 29 hat Trump knappe 40 Prozent der Masse abgeräumt. Was wiederum unangenehm ist für die Legende vom „wütenden, alten weißen Mann“, den besonders die New York Times und andere schon vor den Wahlen als typischen Trumpist geortet hatten.
Nach Maßgabe so ziemlich aller Medien, die ich im Vorfeld der Wahlen gelesen habe, war dieser Ausgang und auch die Zusammensetzung der Wählerschaft absolut undenkbar. Die Arbeitslosenzahlen sinken ja schließlich. Die Börsenkurse kriegen einen Höhenkoller nach dem anderen. Was soll also nicht in Ordnung sein?

Die befohlene Realität der Medien hat eine schwere Kollision mit der Wirklichkeit hinter sich. Ergebnis: Kulturelle Kopfschmerzen

Nun, in meinen Augen ist es schlicht und einfach so, daß ein Großteil der etablierten Medien – also der großen Blätter und ihrer Onlineausgaben in den USA und Europa – es fertiggebracht hat, an einem nicht ganz unerheblichen Teil der Bevölkerung einfach vorbeizuschauen. Wenn man immer nur Artikel darüber schreibt, wie großartig Hillary als Präsidentin sein wird, als wäre die Wahl nur noch eine Formalität, dann ignoriert man automatisch alle Hinweise darauf, daß die Dinge eben doch nicht so glatt laufen wie erwartet.
Beispielsweise die Tatsache, daß beide Kandidaten die mit Abstand unbeliebtesten waren, die jemals um das Weiße Haus gekämpft haben. Schon im April war auch klar, daß die Anhänger der Demokraten den Konkurrenten von Clinton, Bernie Sanders, in allen Punkten für überzeugender und ehrlicher hielten als die gute Hillary.
Die Anhänger der Demokraten räumten auch Sanders die weitaus höheren Chancen ein, gegen einen Donald Trump zu gewinnen. Das einzige, was sie dem Mann nicht zutrauten, war es eben, die Kandidatur zu gewinnen. Was daran liegen könnte, daß demokratische Wähler mit dem Nominierungsprozeß ihrer Partei eben vertraut sind und genau wissen, daß es sich hier nur um eine Show handelt. Glitzer und Glamour für das Volk.
Denn es war ja von vornherein klar für die Führungsspitze der Partei, daß Hillary und nur Hillary die Kandidatin sein würde. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Selbst in der NYT tauchten nach der Kandidatenkrönung direkt Artikel auf, die besagten, Clintons erster Auftritt sei wohl nicht unbedingt mitreißend gewesen. Das war die diplomatische Beschreibung für „uninspirierte Langeweile“.
Dieses Manko zog sich durch den gesamten Wahlkampf. Bereits vor der Kandidatenkür habe ich woanders kommentiert, daß es Hillary Clinton an einem ganz wesentlichen Aspekt mangelt, den man haben muß, um Präsidentin zu werden: Man muß Menschen einen klaren Grund geben, einen zu wählen.
Hillary Clinton hat genau das niemals geschafft. Die demokratische Partei hat es hinbekommen, diejenige Person aufzustellen, die so offensichtlich ein Teil des Washingtoner Politikbetriebes ist wie wohl kaum eine andere. Dummerweise ist den Demokraten dieses Husarenstück exakt in dem Moment gelungen, in dem ein Großteil der Wähler von exakt diesem Politikbetrieb die Schnauze gestrichen voll hat.

Das Problem ist, daß manche dieser Menschen schlicht frauenfeindlich sind. Oder miese Rassisten. Ungebildete Vollidioten, die zu blöd sind, ihren Namen in den Schnee zu pissen und glauben, es hätte etwas mit einer irgendwie gearteten „Männlichkeit“ zu tun, wenn man ein Vokabular aus maximal 20 Worten mit möglichst viel Bier runterspült. Menschen, die am liebsten täglich mit der Waffe unter ihrem Kopfkissen Sex hätten statt die häßliche Alte zu vögeln, die sie halt heiraten mußten, nachdem sie sie mit vierzehn geschwängert hatten, weil keiner eine Ahnung davon hatte, daß es sowas wie Verhütung gibt.
Leute, die nicht an Evolution „glauben“ und auch an sonst nichts, was die Speicherkapazität ihres mißratenen Hirns überschreitet. Wie Worte mit mehr als drei Silben oder die Ansicht, daß es scheißegal ist, ob man Sonntags in irgendeiner Kirche einem imaginären Freund zujubelt und vor allem noch scheißegaler, ob andere Menschen einen anderen imaginären Freund bevorzugen.

Das andere Problem ist, daß alle, die diesen Absatz gerade gelesen und gelacht haben, selber Teil des Problems sind. Nur halt auf der anderen Seite.
Denn was ich da gerade beschrieben habe, ist die pauschale Ansicht der Mehrheit der Bevölkerung in den USA über die Menschen, die auf dem Land leben.
Etwas über 60 Prozent der US-Bevölkerung sind Stadtmenschen und die sehen die „hillbillies“, die Landeier, ganz genau so. Wenn irgendein Angestellter der Tech-Industrie aus dem Silicon Valley nach New York fliegt, dann ist alles hinter der Landesgrenze Kaliforniens bis zum Überfliegen der Appalachen für ihn „flyover states“. So heißt das in den USA.
Aus diesem Ausdruck allein spricht eine unfaßliche Ignoranz der Bewohner urbaner Bezirke, denn er impliziert, daß dort unten, auf diesen guten 8 Millionen Quadratkilometern, die nicht zum verstädterten Bereich gehören, niemand lebt, der irgendwie relevant ist. Nichts, was hier geschieht, ist interessant oder wichtig oder maßgebend für das Land selbst. Für den Bewohner der Stadt ist nur die Stadt wichtig. Das die verdammten Cornflakes im Supermarktregal mal ein Maiskolben auf irgendeinem Feld gewesen sein müssen oder die Milch aus einem Rindvieh kommt, wird geflissentlich ignoriert.
Als der Hurrikan Katrina 2005 New Orleans vernichtete, wurde darüber lang und breit in den Medien berichtet. Das derselbe Sturm vorher durch das ländliche Mississippi gezogen war, einen Schaden von etwa 125 Milliarden Dollar anrichtete und um die 250 Menschen tötete, mußte man sich mühselig aus dem Kleingedruckten heraussuchen.
Überall findet sich diese Trennung von Stadt und Land wieder. Luke Skywalker kommt von einem Hinterwäldlerplaneten und ist ein Farmjunge. Darth Vader hat die Macht der Macht und lebt auf einem geilen Spezial-Sternzerstörer.
Katniss Everdeen kommt in der Panem-Trilogie aus dem Bezirk, in dem Kohle für alle anderen Bezirke gewonnen wird. Als im Ruhrgebiet aufgewachsene Pflanze ist mir das also vertraut. Ihre Feinde sind obskure Gestalten mit irren Frisuren, irrer Kleidung und irrem Benehmen im Kapitol, der Hauptstadt. Auch das ist einem vertraut, wenn man schon mal in Berlin war. Oder London.
Immer wieder wird in Filmen dieser Gegensatz in Szene gesetzt, üblicherweise von Regisseuren, die Stadtkinder sind. Gesehen werden diese Filme mit ihrem Narrativ der primitiven, einfach gestrickten und ignorierbaren Landbevölkerung von Stadtbewohnern, denn hier gibt es die meisten Kunden und die meisten Kinos.
Dieses Bild ist nicht von den Medien erschaffen worden, die Trennung zwischen urban und ländlich war vorher bereits da. Die jeweiligen Werke greifen nur das Vorhandene auf.

Der urbane Amerikaner ist der festen Überzeugung, daß alle Menschen Homoehen gut finden. Frauen werden völlig diskriminiert, wenn sie einen Job nicht bekommen, obwohl sie eine Frau sind. Es ist selbstverständlich, wenn Abtreibungsregelungen darauf hinauslaufen, daß mit ungeborenem Leben wie mit einer beliebigen Dispositonsmasse umgegangen wird. Brauchen wir das noch oder kann das weg, weil da erst noch Karriere geplant ist?
Collegestudenten halten es für lebenswichtig, darauf hinzuweisen, daß Kant oder Nietzsche oder Schopenhauer völlig sexistisch sind. Sie halten es für die wichtigste Aufgabe der Gesellschaft, sie vor allem zu beschützen, was sie in irgendeiner Art und Weise nicht in ihrer Meinung bestätigt, denn das wäre psychisch fürchterlich verletzend. Diese entsetzlichen Mikroaggressionen überall – die Welt ist ein gar finsterer Ort.
Das Problem hieran ist, daß unsere Gesellschaft in dieser Richtung irgendwann komplett den Verstand verloren hat. Ich weiß nicht genau, wann dieser geistige Zusammenbruch stattgefunden hat, aber es muß im Laufe der letzten zwanzig Jahre gewesen sein. Seitdem hat die westliche Gesellschaft eine Phase ruhigen Dahindümpelns in gelassener und stetig steigender Realitätsverweigerung hinter sich gebracht, um in den letzten Jahren in kreischende Hysterie überzugehen.

Es ist exakt diese Phase, die das Faß zum Überlaufen gebracht hat oder gerade bringt. Um das klar und deutlich zu sagen: Der Autor dieser Zeilen ist der Meinung, daß es jedem Menschen überlassen sein sollte, wen er wie liebt. Wenn zwei Männer oder Frauen heiraten wollen oder von mir aus auch zwei Frauen einen Mann oder zwei Männer eine Frau oder eine Frau ihren Hamster und ihre Dogge – mir persönlich geht das, auf deutsch gesagt, am Arsch vorbei. Sollen sie alle heiraten und glücklich werden.
Ich habe auch nichts dagegen, wenn das ganze dann unter „Ehe“ läuft. Außer vielleicht im Falle des Hamsters und der Dogge. Schon weil die Dogge dann womöglich weniger Hundesteuer zahlen muß und deutsches Steuerrecht ist kompliziert und sinnlos genug.
Ich bin auch durchaus der Meinung, daß man Nietzsche oder Schopenhauer für sexistisch halten kann. Beide waren keine ausgesprochenen Freunde holder Weiblichkeit. Es hat nur nichts mit dem Inhalt ihrer Werke zu tun. Aber wenn man gerade Abitur gemacht hat und jetzt erstmals mit der großen, weiten Uni-Welt in Nahkampfkontakt tritt, ist die Gehirnentwicklung eben noch nicht abgeschlossen. Das ist jetzt weder diskriminierend noch „mikro-aggressiv“, sondern eine medizinische Tatsache.

Im Gegensatz zu den maoistischen Kulturverbrennern an der Berliner Humboldt-Uni oder anderswo bin ich also keinesfalls der Meinung, daß jeder meiner Meinung sein muß, weil mich das sonst tief und schmerzhaft in meinen Gefühlen verletzt. Hätte ich eine Microsoft-Aktie bekommen für jede Verletzung meiner Gefühle in meinem Leben, ich könnte meine Bambushütte am Rande der Zivilisation heute mit Blattgold überziehen. Innen und außen.
Wie man auf die absolut irrsinnige Idee kommen kann, daß man Kant oder Schopenhauer oder anderes Zeug nicht mehr lesen müsse, weil die Autoren nach irgendeiner Ansicht Sexisten sind, ist mir ein Rätsel. Derartige kulturelle Ignoranz kann man in Mikro-Seehofer kaum noch messen.
Auf einen zweihundert Jahre alten Text heutige Maßstäbe für Geschlechtergerechtigkeit anzuwenden, ihn zu verurteilen und dann daraus den Schluß zu ziehen, in diesen Büchern könne ja nichts stehen, das für die heutige Zeit wichtig sein könnte, ist schlicht und einfach derselbe Gedankengang, der vor ein paar Jahrhunderten Inquisitoren hervorgebracht hat. Denn der nächste Schritt ist natürlich, daß niemand mehr Kant oder Schopenhauer lesen darf.
Für Menschen, die so denken – oder besser, nicht-denken – ist alles, was nicht ihrer Meinung entspricht, wertlos und feindlich, weil es nicht ihrer Meinung entspricht. Willkommen im persönlichen Universum.

Rechte Arschlöcher zünden Asylbewerberheime an und begründen das damit, daß sie die fremden Fremden nicht bei sich haben wollen, weil die ja fremd sind. Nicht, daß sie schon mal einen getroffen hätten, wo kämen wir denn da hin.
Linke Arschlöcher zünden andere Häuser an und begründen das damit, daß diese Häuser ja ohnehin Gemeineigentum seien, da so etwas wie Privatbesitz gar nicht existiert. Klingt logisch. Früher haben Dörfler ja auch immer die gemeinschaftlich bewirtschafteten Felder abgefackelt, denn die gehören ja allen und somit verteilt sich der Schaden dann auf alle und tendiert gegen Null, denn Alle sind ja immer ziemlich viele.
Diese Art abgrundtiefer Dämlichkeit, um nicht zu sagen, dieser fanatische Stolz auf das eigene strunzdumme Weltbild, gepaart mit der größtmöglichen Arroganz gegenüber allen, die nicht zur eigenen Gruppe gehören, ist genau der Grund, warum Donald Trump jetzt Präsident der USA ist.
Paul Krugman von der New York Times hätte nicht so total entsetzt sein müssen über das Wahlergebnis, wenn er und seine Kollegen nur ein einziges Mal aufs Land hinausgeflogen wären im Wahlkampf oder überhaupt einmal in den letzten zehn Jahren. Nicht dorthin, wo in einem „demokratischen“ Bundesstaat wie Illinois die Demokraten wohnen – also nach Chicago.
Sondern dahin, wo eben alle anderen wohnen. Da, wo bereits seit letztem Jahr überall die Schilder mit „Trump 2016″ auf dem Rasen erschienen sind. In die Gegenden, in denen Menschen in einem Jahr Netto verdienen, was Hillarys Handtäschchen gekostet haben soll, nämlich etwa 25.000 Dollar.
Es hätte auch geholfen, einfach mal die Wahlergebnisse von 2012 zu betrachten, wie ich das getan habe. Auf County-Ebene, nicht der bundestaatlichen.

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Bild 1: Verteilung der Stimmen bei den Wahlen 2012 in den USA auf County-Ebene
Bereits ein kurzer Blick verdeutlicht, daß es keine roten und blauen Staaten gibt. Es gibt demokratische Ballungszentren und den großen Rest. Trotzdem war 2012 Florida ein „blauer Staat“ für Barack Obama. Für Hillary Clinton diesmal nicht.
Quelle: Wikipedia Commons

Sehr eindeutig läßt sich hier erkennen, daß es eben keine Bundesstaaten gibt, die eine bestimmte Partei wählen. Die Trennung, von der Hillary Clinton so weinerlich spricht und von der ein Mr Krugman so überrascht und entsetzt ist, ist ganz klar eine zwischen Stadt und Land.
Exakt diese Art, die Welt durch einen Filter wahrzunehmen, führt dazu, daß Millionen Quadratkilometer samt ihrer Bewohner als „flyover states“ runtergemacht werden. Oder dazu, daß pöbelnde Idioten, die sich für kulturelle Gerechtigkeitskrieger halten, irgendwelche Verlage dazu bringen, daß Wort „Negerkönig“ aus Kinderbüchern zu streichen. Meine Verachtung gilt den Verlagen ebenso wie den lächerlichen Protestierern.
Es führt dazu, daß Menschen glauben, es würde die Welt verändern, wenn man nur Texte in der eigenen Muttersprache mit genug Xen, Stern*en, Unter_strich_en oder StrichInnen bis zur absoluten Unkenntlichkeit und Unbrauchbarkeit entstellt.
Wie viele Menschen alleine in Syrien schon durch „gendergerechte“ Texte gerettet worden sind – Wahnsinn.

Irgendwelche Typen, die sich „links“ einordnen, lachen die Teilnehmer von Pegida aus und sagen, diese bekloppte Minderheit müsse man nicht beachten oder ihnen zuhören. Das sind dieselben Menschen, die eine esoterische Pseudolehre wie „gender studies“ tatsächlich für wissenschaftlich halten und vor allem lautstark rumschreien, jeder lebende Mensch müsse sich jetzt unbedingt um das Anliegen der Minderheit kümmern, die daran glaubt.
Die schlichte Wahrheit lautet in diesem Falle: Nein. Muß man nicht. Eventuell ist das Anliegen der selbsterklärten Minderheit einfach geistiger Dünnschiß.
Wäre ich Unikanzler, gäbe es so einen grottigen Mist wie „gender studies“ nicht an meiner Lehranstalt. Allerdings auch keine katholische oder evangelische Religion, denn das sind auch nur Märchen. Allerdings Märchen, die schon länger da sind.
Ich habe übrigens noch keinen genderbewegten Studenten getroffen, der die Bibel als sexistisch bezeichnet hätte und deshalb lautstark dafür eintritt, alles, was in diesem Buch steht, vollständig für bedeutungslos zu erklären. Seltsam, scheint sich keiner so recht zu trauen.
So sieht die Gesellschaft heute aus in den westlichen Industrieländern. Nach sieben Jahrzehnten des amoklaufenden Kapitalismus sind die Nationen gespalten in Stadt und Land, in Gendertoilette und Plumpsklo, in Elfenbeintürme der Presse und der tatsächlichen Realität normaler Menschen. Das ganze anschwellende Getöse wirbelt so viel Staub auf, daß die eigentlichen Probleme unserer Gesellschaft völlig verschwinden in dem Wirrwarr. Stattdessen wendet man sich der wichtigen Frage zu, wie viele Geschlechter auf einer Geburtsurkunde denn zulässig sein müssen. Die Antwort „Zwei wären ausreichend“ ist übrigens die einzige, die nicht diskutiert wird.

Links. Rechts. Konservativ. Globalisierung ist gut für alle. Außer für einige. TTIP ist gut für Deutschland. Überall tauchen Paralleluniversen auf in den Medien. Irgendwas ist da kaputt.

Niemand scheint auf die Idee zu kommen, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, die Vergangenheit für nichtexistent zu erklären, indem wir Worte wie Negerkönig aus Kinderbüchern streichen.
Es ist unsere Aufgabe – also die meiner Generation der Mittvierziger – endlich mal auf den Tisch des Hauses zu schlagen und darauf hinzuweisen, daß wir gefälligst heutigen Kindern erklären müssen, was denn ein Neger ist bzw. war. Logischerweise müssen wir dann auch erklären, daß man dieses Wort heute nicht mehr benutzt und vor allem, warum man es nicht mehr benutzt.
Das ist der Job, der überall nicht wahrgenommen wird in der Gesellschaft. Wenn wir das Wort streichen, machen wir nichts weiter, als die Realität in eine Version zu verwandeln, die uns besser paßt und mit der wir uns nicht abmühen müssen. Die Leugnung des Holocaust folgt übrigens demselben Nicht-Denkmuster. Orwells Winston Smith im Ministerium für Wahrheit würde die Methode ebenfalls erkennen.
Wenn man das Wort hingegen vernünftig erklärt, wird sich ein Kind nicht in einen miesen Menschenverachter und Widerling verwandeln wie einen Björn Höcke.
Das Kind auf dem Land wird sich auch nicht in einen idiotischen Fremdenhasser verwandeln, wenn es denn mal in die Stadt kommt und dort auf Menschen trifft, die sich komischerweise sehr oft wie Menschen benehmen, obwohl sie ja eine andere Hautfarbe haben. Schon mit dieser Basis-Erkenntnis ist das spätere Anzünden von Asylbewerberheimen aus rein fremdenfeindlichem Vergnügen ziemlich ausgeschlossen. Ich habe hier in Deutschland schon Menschen aus Afrika getroffen, die mir weit weniger fremd sind als mancher zu Unrecht stolze Inhaber eines deutschen Passes.

Was mich zum nächsten Aspekt der Problematik bringt: Ebenso wie es auf dem Land in den USA eine Menge Menschen gibt, die echte Probleme haben, gibt es die auf dem Land in Deutschland auch.
Niemand hat diesen Leuten in den letzten 25 Jahren seit der Wiedervereinigung oder in den letzten 35 Jahren seit Ronald Reagan mehr als flüchtige Beachtung geschenkt. Die meisten dieser Menschen sind weder Rassisten noch Faschisten noch Sexisten. Sie haben einfach andere Ansichten als viele andere Menschen. Manche dieser Ansichten sind abgrundtief dämlich. Aber das sind sie bei den Stadtbewohnern eben auch. Wiederum andere Ansichten sind sehr wohl vernünftig, wenn man auf dem Land oder in der Stadt lebt.
Dann gibt es da noch Meinungen, die aus Lebenserfahrung heraus geboren werden. Wer auf dem Land in den USA lebt, ist nur dann ein Mann, wenn er einen Traktor reparieren kann. Oder eben einen Verbrennungsmotor. In der Stadt halten sich Menschen heute für Männer, wenn sie geflochtene Zöpfe tragen und gleichzeitig ein Smartphone, einen Laptop und ein Tablet bedienen können und dreistellige Freundeszahlen in acht verschiedenen sozialen Netzwerken aufweisen.
Eben diese „sozialen Netzwerke“ haben in den letzten Jahren dazu geführt, daß sich die Realitätsblasen immer weiter ausgebreitet haben. Jeder hat heute eine, wenn er nicht aufpaßt. Und dann schreiben Reporter nur noch darüber, was denn passieren wird, wenn Hillary Clinton erst einmal Präsidentin ist, während sie von der West- an die Ostküste über die flyover states düsen, um sich hinterher zu wundern, daß es da draußen womöglich Menschen mit Wahlrecht geben könnte, denen die beschissene Arroganz der Politik und der urbanen Medien derartig auf den Sack geht, daß sie eben jeden anderen wählen, nur nicht Hillary Clinton.

Passiert so etwas, schreiben deutsche Journalisten viele Artikel, in denen das Wort „Populismus“ vorkommt. Ich frage mich ernsthaft, wann denn das zum Schimpfwort erhoben worden ist.
Jede politische Patei ist populistisch, denn man will ja Wählerstimmen bekommen. Die AfD wird verschämt „rechtspopulistisch“ genannt, statt sie als das zu bezeichnen, was sie wirklich ist oder sein will – nämlich die bessere NSDAP-Nachfolgeorganisation.
Da wird es dann schon schwierig, einen Horst Seehofer einzustufen. Dessen Sätze, in denen Einwanderung gerne mal bis zur letzten Patrone bekämpft wird oder das Grundrecht auf Asyl durch eine Obergrenze ausgehebelt, sind dann nur noch populistisch. Denn die CSU kann ja nicht „rechts“ sein. Mit derselben Begründung wie vorher bei der Bibel und dem Sexismus: Niemand traut sich, hier dieselben Maßstäbe anzulegen, denn die CSU ist ja schon länger da. Als die AfD jetzt, nicht länger als die Bibel. Wobei Horst Seehofer auch das im Bayernkurier drucken ließe.

Die Wahrheit ist, daß ein Alexander Gauland kein Populist ist und ein Donald Trump ebenfalls nicht. Diese Leute sind Demagogen. Sie sind – im engeren Sinne des Wortes – Volksverhetzer. Sie pöbeln gegen alles, was das jeweilige Publikum ebenfalls nicht gut findet. Hätte Donald Trump weiße Akademiker als seine Zielgruppe erkannt, hätte er Vorträge mit wissenschaftlicher Eloquenz gehalten, da bin ich mir sicher. Gut, er hätte sie von einem Teleprompter ablesen müssen, aber er hätte es getan.
Es ist nur für einen ungebildeten Hohlkopf einfacher, auf ungebildete Hohlköpfe einzureden als auf gebildete Diplomierte eines Elite-Colleges. Wobei es auch damit nicht mehr sonderlich weit her ist in den USA oder Deutschland.
Ich hebe an dieser Stelle die Hand und sage ausdrücklich, daß „ungebildet“ nicht gleichbedeutend ist mit „strohdoof“. Wieder so eine Metapher, die das Landleben diskriminiert, übrigens. Italienische Literatur des 13. Jahrhunderts zu kennen hilft einem nämlich nicht bei der Ernte, dem Bau der Scheune oder der Reparatur des Traktors. Es gibt keinen Grund, den Müllmann und den Klempner weniger zu respektieren als den Neurochirurgen.
Donald Trump war sehr wohl intelligent genug, um zu erkennen, wo er seine Stimmen abholen kann und das hat er auch exzellent durchgezogen. Ein guter Demagoge paßt seinen Sprachgebrauch außerdem an die Klientel an, die er überzeugen möchte. Eine Disziplin, in der heutige Politik gnadenlos versagt. Wenn ich manche Politiker reden höre und meinen geistigen Babelfisch nicht mitlaufen ließe, dächte ich auch nach drei Minuten Geschwafel von Thomas de Maizière oder Frau Merkel: „Was reden die da eigentlich?“

Frau Merkel versucht dieses Problem immer zu umgehen, indem sie gar nichts sagt. Das aber in schöne Sätze verpackt, um die dynamische Handlungsunfähigkeit schick aussehen zu lassen. Thomas de Maizière kann das Problem nicht umgehen, denn dazu fehlt es ihm einfach an geistiger Kapazität. Der Mann ist tatsächlich der verlogene antidemokratische Opportunist, als der er rüberkommt.
Die Spitzennummer aber schießt natürlich der angehende Bundespräsident Steinmeier ab. Niemand kann mit schwurbeligen Worten mehr Mist erzählen, ohne daß es einer merkt, als dieser Mann. Ein Typ, der in einem vernünftigen Land im Knast sitzen würde oder aber zumindest mit Sicherheit nicht im Parlament, wird demnächst das höchste Staatsamt übernehmen.

Ein wunderschönes Beispiel für das kaputte politische System, das ein Donald Trump so zu seinem Vorteil genutzt hat. Es ist für einen Demagogen immer ein Vorteil, wenn er seine Anklage an den jeweiligen Gegner mit echten Fakten untermauern kann.
Noch heute behaupten antisemitische Elemente, es existiere eine geheime jüdische Weltverschwörung, denn wie viele Juden sind nachweislich im Finanzbereich tätig? Wer Allen Grenspan heißt – der ehemalige Chef der Fed – oder Lloyd Blankfein – der Ex-Chef der allseits beliebten Investmentbank Goldman Sachs – der muß ja quasi jüdische Vorfahren haben.
Das viele Menschen diffus jüdischer Angehörigkeit heute im Finanzwesen tätig sind, weil gute Christenmenschen im Mittelalter keine Zinsen nehmen durften fürs Geld verleihen, wird hierbei völlig ignoriert.
Denn dann hat man die Juden zu diesem unchristlichen Geschäft gezwungen. Was zu ummauerten Judenvierteln führte und gelegentlichen Pogromen, oft wegen des Vorwurfs, unchristlich Zinsen genommen zu haben. In Wahrheit wollten christliche Geschäftsleute nur den Banker mitsamt seinen Unterlagen verbrennen, um danach schuldenfrei zu sein. Wieder einmal stellt sich heraus, daß so einfache Dinge wie jüdische Weltverschwörungen eine völlig andere Perspektive bekommen, wenn man einfach die Vergangenheit mit einbezieht. Aber die war ja sexistisch und ist deswegen wertlos, was das Verständnnis des Heute angeht.

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Bild 2: Als Großbritannien in der EU blieb
Wir erinnern uns alle noch gut, wie knapp sich die Briten für den Verbleib in der EU entschieden haben in diesem Sommer. Auf geht’s in eine fröhliche Zukunft. Dummerweise mußte die Redaktion des Independent dieses vorbereitete Titelblatt wieder einstampfen. Die Realität kam dazwischen. Trotzdem ein schönes Bild.

Und so war es für einen Demagogen wie Donald Trump ein leichtes, sein Publikum von der Korruptheit des Systems zu überzeugen. Denn das System ist tatsächlich korrupt und tritt dafür jeden Tag aufs Neue den Beweis an. Goebbels hätte den amerikanischen Wahlkampf und die „sozialen Medien“ rundheraus gelobt, da bin ich mir sicher.
Ein Lehrbuchbeispiel dafür, was passiert, wenn ein über Jahrzehnte dank marktwirtschaftlicher Anforderungen immer weiter degeneriertes Bildungssystem genau die Leute hervorbringt, die der festen Meinung sind, der durchschnittliche Landbewohner sei die einzige Minderheit, die man gefahrlos diskriminieren könne.
Es war ein leichtes für Trump, seine Wähler von der Verachtung des „politischen Establishments“ zu überzeugen. Denn das Establishment verachtet diese Minderheit, die gar keine ist, tatsächlich.

Donald Trump ist an die Spitze der mächtigsten Nation der Erde gespült worden auf einer Welle aus Haß und Verachtung für andere Gruppen von Menschen. Aber es ist nicht sein persönlicher Haß und seine Verachtung. Er hat die Tatsache erkannt, daß die „sozialen Medien“ ein perfekter Ort sind, um den bereits länger andauernden Verfall nicht nur amerikanischer Journalismuskultur auszunutzen.
Nirgendwo lassen sich Denkblasen und Echokammern für Lügen und Halbwahrheiten besser erschaffen als im Internet. Man suche ein Video über Klimawandel und lese die Kommentare darunter, wenn man starke Nerven hat. Das ist eine gute Anfängerübung. Diese Art, die jeweils eigene Realität zu schaffen, ist völlig unabhängig von Stadt oder Land oder politischen Kategorien wie links und rechts.
Meinungen relativ kleiner Gruppen verwandeln sich durch Wiederholung in Fakten und werden immer wieder mit denselben falschen, halbgaren oder aus dem Zusammenhang gerissenen „Belegen“ unterfüttert. Recherche außerhalb der eigenen Realität findet nicht statt. Noch immer finden sich in Kommentarforen AfD-Papageien, die reflexartig wiederholen, wie manipuliert deutsche Wahlen sind. Und immer wird dazu ein Vorfall in Bremen und Bremerhaven herangezogen, der bei näherem Hinsehen exakt das Gegenteil belegt.

Das „postfaktische Zeitalter“ das jetzt in einigen Medien groß beklagt wird, ist von der Ignoranz und Arroganz dieser Medien selbst erschaffen, ja überhaupt erst ermöglicht worden. Unter den wenigen bisher feststehenden Größen, die es in der Umgebung des neuen Präsidenten wohl geben wird, befindet sich ein Faschist reinsten Wassers. Steve Bannon nämlich, der Herausgeber von „Breitbart News“, einer Echokammer für alles, was Haß, Rassismus und allgemeine Fremdenfeindlichkeit ausmacht. Dieser Mann wird direkter Berater von Präsident 45 werden und plant schon jetzt, sich nach Deutschland auszudehnen. Was bedeuten würde, daß die Verherrlichungsstimmen des Totalitären in Deutschland, also das „Compact“-Magazin eines Herrn Elsässer oder eine klar rechts-demagogische Zeitung wie die „Junge Freiheit“ Konkurrenz aus dem Ausland bekommen.
Das ist wiederum ein Aspekt der Globalisierung, den ich bitter-amüsant fände. Ausgerechnet die Tagesschau berichtet über solche Aspekte dann unter der Überschrift „Angst als Erfolgskonzept“. Natürlich würden deutsche Staatsmedien einem solchen Konzept niemals folgen. Ich wüßte auch nicht, daß jemals vom Staatsfernsehen Angst und Panik verbreitet worden wären.

Wir können in Europa denselben Mist machen wie die Amerikaner. Wir können uns weiter einschließen in unseren kleinen Denkblasen und uns nur mit Menschen und „Freunden“ umgeben, die unserer Meinung sind. Wir können weiter glauben, daß wirklich alle AfDler oder Pegidioten© Nazis sind.
Die Nazis, die welche sind, aber keine sein wollen, können weiterhin glauben, daß man das Wort „völkisch“ wieder positiv besetzen muß und das die Bundeskanzlerin eine Ausrottung des deutschen Volkes plant, wenn hier eine Million Zugeflüchtete ins Land kommen.
Es wird nur ebensowenig zur Lösung tatsächlicher Probleme beitragen wie gegenderte Texte oder der Glaube an Gedankenkontrolle durch Chemtrails. Nur weil die kruden Weltbilder von relativ kleinen Minderheiten einer Bevölkerung heute digital bis ins Absurde verstärkt werden, können Menschen bei so einer Zusammenkunft kleinkrimineller Elemente wie Pegida wirklich glauben, sie seien „das Volk“.

Wir können aber auch einfach mal das Risiko von Kopfschmerzen eingehen und auf die Idee kommen, daß nicht alles, was von AfD-Oberkommandierenden hinausposaunt wird, auch die Meinung von Herrn Schulze aus Kleinkleckersdorf ist. Allerdings riskiert auch Herr Schulze auf meinem Planeten massive Kopfschmerzen, denn er könnte feststellen müssen, daß Fakten eben nicht davon abhängig sind, wieviele Leute irgend etwas für Fakten halten.
Die rechten Rumbrüller kritisieren immer angebliche Parallelgesellschaften in Deutschland, vorwiegend angeführt von fiktiven Muslimen. Die linken Rumbrüller kritisieren immer die rechten Parallelgesellschaften auf dem ostdeutschen Land.
In Wahrheit ist die Fragmentierung schon sehr viel weiter fortgeschritten.
Wie immer in der Untergangsphase einer Gesellschaft löst sich die Wahrheit auf und macht einem gefühlten Weltempfinden Platz, in dem alles störend und feindselig wirkt, das die eigene Auffassung von der Realität nicht unbedingt bestätigt.
Wie weichgespülte Collegestudenten halten wir es für die unbedingte und einzige Pflicht der Politik, sofort das zu tun, was „das Volk“ sagt.
Gäbe es nur nicht so viele selbsternannte Völker, die Politik würde womöglich sogar einmal zuhören wollen. Doch auch die hat sich längst auf ihr Sofa zurückgezogen und lacht sich kaputt über die demonstrierenden Horden. Zumindest, bis die dann irgendwen anders wählen. All das tötet die Demokratie.

Dieselben Medien, die lauthals weinend das neue „postfaktische Zeitalter“ in der Politik beklagen, haben eben dieses Zeitalter mit erschaffen. Ein Wirtschaftsartikel der FAZ kann wesentlich realitätsblinder sein als Donald Trump im Wahlkampf.

Aktuell ergeht sich die FAZ, dieses marktfaschistische Kampfblatt, auf ihren Wirtschaftsseiten in exakt dem Tonfall, der zur offiziellen Katastrophe geführt hat, die Trumps Präsidentschaft wohl darstellen soll.
Da wird fröhlich behauptet, daß beim Freihandel immer alle gewinnen. Völlig klar, denn das ist ja das treibende Prinzip des Kapitalismus: Alle gewinnen.
Es wird ebenso fröhlich behauptet, daß Schutzzölle Waren teurer machen und das für die Armen besonders schädlich wäre. Das die Gesellschaft erst zu Armen kommt, weil es gar keine Arbeit gibt, die nicht woanders hin ausgelagert wurde, erwähnt der schreibende Globalisierungsapologet in der FAZ nicht.
Auch die Idee, daß es recht egal ist, wenn mein T-Shirt bei angenommenen Produktionskosten von zwei Euro statt sinnlos überteuerter 20 Euro mit Schutzzöllen 22,50 Euro kostet, sofern ich denn einen Job habe, der vernünftig bezahlt wird, findet sich in dem Artikel nicht.
Die simple Idee, daß man eben an eine Welt aus knechtenden und gegeneinander konkurriernden Niedriglöhnern keine Autos, Häuser oder mit teurem Öl hergestellte Produkte mehr verscheuern kann, findet sich ebenfalls nicht.
Und außerdem sind 4,9 Prozent Arbeitslosenquote fast Vollbeschäftigung, wie uns der Wunderökonom in seinem Artikel noch verrät. Prima, dann sind 4,9 Prozent Alkohol auch alkoholfreies Bier. Das wird die Autofahrer freuen. Und die Polizisten, die sich nach acht Bier dann die Erklärung des Ökonomen am Steuer anhören dürfen.
Nebenbei wird dann Trump noch der Lüge bezichtigt, weil der die Arbeitslosenquote bei etwa 18 Prozent beziffert hatte.
Was der FAZ-Auftragsschreiber der Globalisierungsgewinner verschweigt: Es gibt noch eine zweite, offizielle Arbeitslosenquote in den USA. Verkündet wird immer eine Zahl, die U3 heißt. Die andere Zahl heißt U6 und liegt derzeit bei knappen 10 Prozent. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern offizielle Zahlen des auch vom FAZ-Ökonomen zitierten Ministeriums.
Es gibt noch eine dritte Zahl, die man auf einer Webseite namens Shadowstats finden kann. Hier wird die Arbeitslosigkeit so berechnet, wie es das Ministerium auch immer getan hat, bevor Ronald Reagan Präsident wurde. In diesem Falle liegt die Arbeitslosigkeit bei gut 23 Prozent. In den USA, nicht Spanien. Spanien wäre über die Zahlen froh.
Dann gibt es da noch die „Participation Rate“, die aussagt, wie viele US-Amerikaner dem Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügung stehen. Diese Quote liegt aktuell bei knapp 63 Prozent und weigert sich seit Jahren hartnäckig, irgendwie zu steigen. Seit Beginn des Jahrhunderts ist sie zurückgegangen.

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Bild 3: Alternative Realitäten, aber trotzdem Fakten
Aktuelle Arbeitslosenquote der USA. Verkündet wird nur der niedrigste Wert. Das es noch einen weiteren gibt, verschweigen manche Autoren einfach mal. Muß man halt selber wissen. Sowohl die rote als auch die graue Kurve sind ganz offizielle Zahlen des US-Arbeitsministeriums. Die blaue Kurve entsteht, wenn man „Arbeitslosigkeit“ so defniert, wie sie das vor der Präsidentschaft von Ronald Reagan war.

Vor diesem Hintergrund schreibt also ein studierter Ökonom in einer Zeitung wie der FAZ Propagandamüll für die Globalisierung, bei der alle gewinnen und niemand Zölle auf etwas erheben sollte, damit alle Länder der Erde soviel Kram exportieren können wie Deutschland oder China. Bereits nach kurzer Prüfung des gelieferten Weltbildes sieht Donald Trump mit seiner 18-Prozent-Behauptung wesentlich verständiger und realistischer aus als der Ökonom, der diesen weltfremden Mist zu digitalem Papier bringt. Persönliche Realitäten können so toll sein, wenn man für ihre Verbreitung auch noch bezahlt wird.
In den USA ist gerade einer Präsident geworden, weil er eben nicht Hillary Clinton ist. Dieser Mann bringt seine eigene Realität mit, wie sie auch anderswo von anderen Menschen heute gerne gepflegt wird. Was sich als Kampf über Wirtschaftsfragen manifestiert, ist eigentlich ein Kulturkampf. Immer mehr Leute rufen das Recht für sich aus, daß ihr Privatuniversum gefälligst für alle Menschen zu gelten habe. Die objektive Realität wird dabei völlig aus den Augen verloren.

Während die Lange Dämmerung in ihre nächste Entwicklungsphase geht, wird die Wahrheit immer mehr eine Frage der Deutungshoheit in digitalen Medien. Immer lauter dröhnt die Propaganda der Gewinner des Kapitalismus, die sich weiterhin alle Mühe geben, die Verlierer zu ignorieren oder als schlichte Spinner auszulachen.
Ich persönlich weiß genau, daß die sogenannten Spinner in der Weltgeschichte sehr oft recht hatten.
So sitze ich in meiner Bambushütte am Rande der Gesellschaft und warte auf die nächsten Wahlen in den nächsten Ländern des industrialisierten Westens. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde ich noch einige sehr verwunderte Gesichter von Menschen mit fünfstelligen Gehältern zu sehen bekommen. Schon vor mehr als einem Jahr habe ich die Frage gestellt, was die Griechen wohl beim nächsten Durchgang wählen werden. Gleichzeitig hält Barack Obama vor der Kulisse der Akropolis eine Rede über die Stärke der Demokratie.

Während unsere Zivilisation mit fröhlichem Schwung ihrer Begegnung mit der Realität entgegengeht, wird immer deutlicher, daß es letztendlich gar nicht so kompliziert ist. Die wahre Grenze verläuft nicht zwischen Schwarz und Weiß oder Land und Stadt oder Rechts und Links. Die wahre Grenze verläuft zwischen Oben und Unten.

9 Comments

  1. Zum Glück habe ich noch eine „echte“ Ausgabe von Pipi Langstrumpf! Die hüte ich wie einen Schatz (wie übrigens auch andere Kinderbücher, die es heute einfach gar nicht mehr gibt…)
    Frage mich gerade, ob sie wohl die Filme nun neu synchronisieren … schließlich kommen der Negerkönig und seine demenstprechenden Kinder darin ebenfalls namentlich vor!??

    Beim Lesen fiel mir ein Gespräch vor ein paar Wochen ein, in dem jmd sagte „… aber dafür gibt es ja heutzutage einfach kein Geld mehr!“
    Und ich antwortete, dass das schlicht nicht wahr sei, denn das Geld sei noch immer da, es haben jetzt aber einfach die „65“. Also die 65 Personen, die soviel Geld besitzen, wie der ganze restliche „Human-Trash“ zusammen.
    Darauf, dass es zum (halbwegs existierenden) Mindesteinkommen endlich auch zur Einführung eines Maximaleinkommens kommt, werde ich wohl warten müssen, bis ich noch ein paar viele Male inkarniert habe … Und das auch nur, wenn es die Reinkarnation wirklich gibt 😉

    Sicherheitshalber befasse ich mich mehr und mehr mit den Möglichkeiten einer Ernährung fernab von Supermärkten und (Lebensmittel-)Industrie. Wenigstens die Hoffnung auf eine kleine Überlebenschance möchte ich mir noch ein bisschen bewahren!

    Liebe Grüße
    emris

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    1. Besonders letzteres halte ich für sehr klug. Hätte ich Geld für ein Stückchen Gemüsegarten oder so, würde ich da schon längst experimentieren wollen, um mir eine Erfahrungsbasis zu schaffen. Viel Erfolg dabei.

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  2. In Freiburg wird – im Zuge einer größer angelegten Bereinigungsaktion der political correctness – gerade ernsthaft der Martin-Heidegger-Weg umbenannt. Wurde vor ein paar Tagen vom Stadtrat beschlossen (http://www.badische-zeitung.de/freiburg/freiburg-stadtrat-beschliesst-aenderung-von-strassennamen–129890581.html). Dass in Freiburg Heidegger als „der Philosoph“ gilt und seine Verbundenheit mit der Stadt dem philosophischen Institut der Universität überhaupt erst Profil gegeben hat und jedes Jahr internationale Studenten und Wissenschaftler anlockt, ist anscheinend egal.

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    1. Da mache ich mal den Idefix und sage dazu: „Die spinnen, die Römer.“ Irgendwann fühlt sich jeder von irgendeinem Namensgeber für Straßen mikroskopisch aggressiviert – und wenn ide Gesellschaft den bösen Trigger dann nicht wegmacht, zünden die armen Opfer vermutlich die Stadt an. Oh je, oh je…

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  3. Hab ich ein Glück, ich weiß nicht wer Heidegger ist – wieder einen Aufreger gespart. Der Gag bei der ganzen Story ist, daß die selben Leute, denen der Kragen angesichts eines Negerkusses platzt, auf der anderen Seite kein Problem haben ganze Gruppen als white trash zusammen zu fassen.

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    1. Und exakt dieser „white trash“ wählt dann irgendwann Donalds oder Trumps. Oder beides.

      Man muß jetzt Heidegger auch nicht kennen. Aber allein diese Nummer im Artikel, daß man anderen Straßennamen Erklärbär-Schilder hinzufügen möchte, die über „Verfehlungen“ der Namensgeber aufklären sollen. Da greift man sich doch an den Kopf als denkender Mensch. Ich überlege mir, ich müßte mich im Stadtrat mit so einem unsäglichen Scheiß beschäftigen. Ich werde mal irgendwann eine Aktion starten, die ein Verbot der Bibel zum Ziel haben wird. Denn dieser Christus war geistiger Vater einer raubenden, plündernden, kriegsgeilen Terror-Organisation. Dieser Meute muß das Handwerk gelegt werden!

      Außerdem müssen alle Kirchen und Kathedralen weg. Das triggert mich total.

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  4. Und Guttenberg, der schon im Mittelalter die Bauern schlachtete muss ebenfalls weg, und all die Glorifizierung von Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, der vom preußischen Soldatenkönig chinesisches Porzellan eingekauft hat, zum Preis von 4 Soldaten für eine Teetasse. oder Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, der 12.000 seiner Untertanen an die Engländer verhökerte.

    All diese Figuren auf ihren Marmorsockeln sind nichts anderes gewesen als ausgemachte Schweinehunde. Aber wir reden nicht darüber, und reißen auch keine Denkmäler ein. Stattdessen wird Protz und Prunk dieses Packs im deutschen Museum ausgestellt. In voll klimatisierten Räumen stehen deren Ebenholzmöbel neben Paradekanonen, und auf samtenen Kissen bei dezenter Beleuchtung ruht das Hackebeil, mit dem uns, dem Pöbel, der Kopf abgehackt wurde, wenn wir nicht spurten. Bauernkriege? Nur ein Nebensatz auf einer Texttafel in der Ecke.
    Wir feiern die Herrschaft, das eine Prozent, Schlächter und Sklaventreiber, und können deren Rückkehr kaum erwarten. Wir nennen das Kultur, und haben es unter Denkmalschutz gestellt.

    Das einzige Museum in Berlin, das tatsächlich von Bürgern organisiert wurde, sich nicht von Steuern finanziert, wo ehrenamtliche Mitarbeiter (so wie ich) den Laden schmeißen, das ist das Hanfmuseum. Die Bürokraten dagegen finanzieren lieber so etwas hier: http://www.berlin.de/zu-breit/
    Die Kampagne hat nur 500.000 Euro gekostet.

    Am 6. Dezember feiern wir den 22. Geburtstag des Museums. Wir sind offenbar nicht breit genug.

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    1. Wir feiern die Herrschaft, das eine Prozent, Schlächter und Sklaventreiber, und können deren Rückkehr kaum erwarten

      Geschichte wird eben von Siegern geschrieben. Denn die bezahlten oft die Schreiber. Kennt jemand die Geschichte kleiner, schlecht bewaffneter Armeen, die idealistisch für die gute und vernünftige Sache in den Kampf zogen? Eben. Ich auch nicht.

      Früher hätte ich jetzt wem zugenickt und gesagt: „Bau mal noch einen.“
      Aber manchmal kann man nicht so breit sein, wie die Welt bescheuert ist.

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  5. Aber heute sind die Bauern doch die Sieger. Demokratie Baby, wir sind der Souverän, wir, die Bauern. Und trotzdem rücken wir das Bild nicht zurecht. Kuschen vor längst verschimmelten Fürsten. Der eigene Kampf ist uns keinen vollen Satz wert. Bloß keine Herrschaften in Frage stellen.
    Wenn ich hier die Gewalt an mich reisse, dann vertilge ich nicht nur die Oligarchen und deren willige Knechte, die Beamten, deren Geschäftsmodell es ist jeden Befehl brav zu befolgen (Hitler hat die Juden gar nicht umgebracht, das waren andere) sondern auch die total verblödete Mittelschicht, die es nicht gebacken bekommt mal Kritik zu üben. Das macht tatsächlich nur das Pack.
    Nur mal so am Rande, falls Du Dich immer noch wunderst, warum ich ein Herz für Stalin habe.
    Meine Theorie, so als Hannoveraner, warum es die Ossis sind die so quer treiben, ist, daß die noch in der Schule gelernt haben was die Pariser Kommune war.

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