Heisere Sirenen

„There are no great limits to growth because there
are no limits of human intelligence,
imagination, and wonder.“
Ronald Reagan

Die Informationen, die wir erhalten, sind fortgesetzt widersprüchlich. Die Aktienkurse eilen von Höchststand zu Höchststand. Direkt darunter finden sich die Meldungen, die von sinkender Arbeitslosigkeit erzählen.
Und direkt darunter befinden sich die Verlinkungen auf Artikel, die darüber diskutieren, daß sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet. In solchen Artikeln findet sich dann gerne die Stimme eines Wirtschaftsexperten, der solche Dinge wie Armut in Deutschland dann als „gefühlte Realität“ bezeichnet. Überhaupt ist in Deutschland niemand arm. Das hat unser Bundesgesundheitsminister erst neulich selber festgestellt.
Armut ist nur dann Armut, wenn sie den persönlichen Ansprüchen einer zunehmend elitären Kaste aus Politik und Reichtum auch genügt. Es reicht nicht, für indische Kinder zu spenden. Charity-Veranstaltungen, wie so etwas auf neudeutsch heißt, müssen schon mindestens für einbeinige blinde Kinder in Indien Geld sammeln. Mit Lepra. Nur dann ist der eigenen Mildtätigkeit genüge getan.

Menschen mit fünfstelligen Monatsgehältern, die behaupten, von vierhundert Euro Hartz IV pro Monat könne man ja gut leben und wäre keinesfalls arm. Und wenn es kein Politiker ist, der diese Dinge in der Öffentlichkeit verkündet, dann wird es zumindest von denen beklatscht, die sich dann demnächst ihre falsch betitelten Diäten um 850 Euro erhöhen. Pro Monat und pro Nase.
Überall finden sich in den letzten Monaten wieder Jubelartikel über den gerade angesagten technologischen Durchbruch. Die Worte „Raumfahrt“, „Mars“ und „Mond“ tauchen gerne auf. Auch von der „Industrie 4.0″ ist in Artikeln gerne mal etwas zu lesen. Gerade erst hat Elon Musk, der elektronische Mönch aller Zukunftsgläubigen, eines seiner eAutos ins All geschossen, um somit die Überlegenheit menschlichen Fortschritts über die Naturgesetze zu demonstrieren. Die Naturgesetze haben sich bislang dazu nicht geäußert.

Als Mensch, der in einem anderen Leben beruflich einmal etwas mit Netzwerken, Computern und Software zu tun hatte, taucht sofort die Frage in meinem Kopf auf, was denn mit den Versionen 1.0 bis 3.0 der Industrialisierung so passiert ist.
Mehr Roboter werden mehr Arbeit übernehmen. In diesem Falle ist „Arbeit“ nicht etwa das Stanzen oder Formen von Stahlblechen oder das Ziehen einer Schweißnaht im Autobau.
Arbeit ist hier das Schreiben von Artikeln in Online-News oder -Magazinen. Zum Beispiel über die aktuellen Statistiken des Bundesamts für Arbeitslosenverwaltung. Oder den Quartalsbericht der Fluglinie. Oder einer Firma, die Elektroautos herstellt und ins All schießt.
Kurze, sachliche Häppchen mit aufbereiteten und sparsam erläuterten Zahlen. Eine perfekte Vorlage zur Verarbeitung durch künstlich intelligente Algorithmen.

Auch Dinge wie juristische Beratungen werden inzwischen durchaus von Maschinen erledigt. Die simplen Sachen, nicht die Frage, ob der Mörder der Butler oder der Gärtner war. Jedenfalls noch nicht. Und die Menschen, die das herauszufinden versuchen, werden ebenfalls bereits stark von Maschinen unterstützt.
So etwas wie ein „genetischer Fingerabdruck“ war in den 80er Jahren schon durchaus vorhanden, denn nach Entdeckung der Doppelhelix-Struktur der DNA durch James Watson und Francis Crick war recht schnell klar, daß die DNA eines Menschen der vermutlich beste Weg ist, jemanden als Jemand zu identifizieren.
Nicht unerwähnt bleiben soll hier auch die Frau, die den beiden eher als chaotisch verrufenen Bastlern – Crick war Physiker und Watson eigentlich Ornithologe – überhaupt ihren Erfolg erst ermöglichte. Ihr Name war Rosalind Franklin. Die Dame war zu ihrer Zeit die führende Expertin der Röntgenstrukturanalyse und sie war es, die die grundlegende dreidimensionale Struktur des DNA-Moleküls erkannte.
Die Röntgenstrukturanalyse funktioniert hier ähnlich wie das Prinzip des Radar: Man bewerfe etwas mit einer Strahlung und dieses Dingsbums wird, genug Ecken und Kanten vorausgesetzt, ein Echo zurückwerfen.
Im Falle der energiereicheren Röntgenstrahlung wird diese an den Ecken und Kanten gebeugt, nicht etwa reflektiert, was gerne in durchschnittlichen Zeitungsartikeln falsch beschrieben wird. Diese Beugung erzeugt ihrerseits ein Muster, aus dem man die Struktur zurückberechnen kann, die eben diese Strahlenbeugung verursacht haben muß.  In Wirklichkeit ist die Sache ziemlich kompliziert und etwa so, als wolle man die Gedanken eines Menschen aus der Form seiner Mütze ableiten. Ganz besonders, wenn man bedenkt, daß das Wort „Computer“ im Jahre 1953 einen turnhallengroßen Raum voller Röhrenkrempel und Zahnräder bedeutete.

Große Computer waren anfangs kleine Hilfsmittel. Je kleiner sie wurden, desto mehr Arbeit bekamen die Dinger.

Doch nur das Wissen um die Existenz der DNA genügte nicht für Ermittler. Erst konnte man die winzigen Spuren, die der Gärtner – oder der Butler – an einem Tatort so hinterläßt, nicht ordentlich finden. Dann nicht ordentlich aufbewahren. Und dann konnte man nie genug davon finden, um eine sichere Identifikation hinzukriegen. Denn das Puzzlestück, das blau ist, kann Himmel sein oder See. Und zu welchem Puzzle gehört es genau?
Die Lösung ergab sich, als jemand auf die Idee kam, Bruchstücke von DNA mit der DNA-Polymerase zu versetzen. Das ist das Enzym, was dafür zuständig ist, den DNA-Strang vor einer Replikation – also Zellteilung – zu vermehren. Diese Methode wurde Anfang der 80er entwickelt und war ebenfalls einen Nobelpreis wert. Meine Bio-LK-Lehrerin war begeistert, die Kriminologen auch.
Man könnte also sagen, die Lösung des Problems ergab sich aus der Lösung. Plötzlich konnte man die Puzzleteile beliebig und vor allem schnell vermehren und so sehr bald genug Teile haben, um das ganze Bild zu bekommen. Also den Gärtner oder den Butler zu identifizieren. Heute ist Kommissar Computer eigentlich überall dabei. Dinge sind lösbar geworden, die vorher nicht lösbar waren.
Das führt dann dazu, daß ich verhaftet werde, weil jemand meine Ex-Freundin umgebracht hat und man anschließend mein DNA-Material in der Wohnung findet.
Kein Wunder, immerhin haben wir da zusammen drin gewohnt. Und niemand putzt so gründlich.
Hier taucht also kriminologisch das Problem auf, daß die Tatsache eines solchen Fundes lediglich beweist, daß ich irgendwann einmal wohl in der entsprechenden Gegend gewesen sein muß, in der jetzt jemand anders meine Ex mit dem Staubsauger auf dem Wohnzimmerteppich erschlagen hat. Aber worüber mache ich mir eigentlich Gedanken in der Zeit der Fingerabdrucksensoren oder der Gesichtsscanner, fleißig eingesetzt, damit das Klugscheißer-Telefon sich entsperren läßt?

Versicherungsgesellschaften erledigen Routinevorgänge heute vollautomatisch. Die Versicherung schickt mir also ein Schreiben, in dem mir mitgeteilt wird, daß durch den Schadensfall neulich meine Prämie steigen wird. Nicht, daß mich mal jemand angerufen hätte, um rauszufinden, ob dieser angebliche Schadensfall wirklich stattgefunden hat. Oder warum ein Typ 1.500 Mäuse abrechnen möchte für eine ganze Stoßstange in Wagenfarbe an einem siebzehn Jahre alten Toyota-Modell, das eventuell unter Kumpels insgesamt noch so viel Geld wert gewesen wäre.
Aber Kundenservice kostet ja Geld, also kriegt der Abzocker seine Kohle und ich eine Beitragserhöhung für einen unfaßbar brutalen Unfall. Auf einem Parkplatz. Bei einer gefühlten Geschwindigkeit von ca 0,7 km/h. Wie man halt so zurückrollt und dabei einen Moment nicht aufpaßt.
Solcher Art sind also bisher die „simplen“ Sachen, die Mensch in die Hände dieser ominösen Lebensformen aus Silizium gelegt hat. Doch in den genannten Fällen machen diese eben gute achtzig oder neunzig Prozent des Gesamtvolumens einer Konzerntätigkeit aus. Nahezu jeder Großkonzern wickelt seine Rechnungsstellung vollautomatisch ab. Wer schon mal umgezogen ist und bei der Telekom seinen frischen Internetanschluß gemietet hat, kennt das Verfahren. Was einmal auf Rechnungen auftaucht, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Erstens guckt kein Mensch mehr nach, ob man die drei Kilo Goldstaub jetzt wirklich bestellt hat und zweitens kann man ja Gutschriften auf Folgerechnungen buchen. Wozu einem Kunden die fälschlicherweise abgezogenen 58 „einmaligen Anschlußgebühren“ zurückerstatten?
Das würde ja menschliche Eingriffe erfordern. Nein, nein – wenn sie eine Frage zur Rechnung haben, drücken Sie bitte die Drei.
Gleichzeitig soll die Vision der Industrie 4.0 die wunderbare Arbeitswelt der Zukunft sein. Ergo hätte die Welt der Zukunft viel weniger Arbeit, darunter auch solche, die heute noch unter „Mittelstand“ einsortiert werden. Selbstverständlich wird das aber kein Problem sein, denn wie wir ja alle wissen, bringt technologische Innovation immer neue Arbeitsplätze hervor.

Wie zum Beispiel…ähmm…in der Kohleindustrie, die Donald Trump so gerne wiederbeleben möchte in den USA. Was schon aufgrund der Automatisierung nicht funktionieren wird, die – offenbar unbemerkt vom Präsidenten – in den letzten fünfzig Jahren auch im Bergbau stattgefunden hat.
Allerdings hat Trump auch nie davon gesprochen, moderne Methoden zu verwenden. Vielleicht möchte er den Kumpels unter Tage Hacke und Schaufel in die Hand drücken.
Natürlich sind auch Arbeitsplätze ins Ausland verschwunden. Dank der gerade von den USA vorangetriebenen und hochgelobten Globalisierung.
Wie auch sonst soll sich ein Land wie Deutschland ständig und immer wieder gerne als Held bei der Bekämpfung des Klimawandels feiern lassen, wenn man die ganzen ökologisch wenig erfreulichen Industriezweige nicht woanders hin verlagern kann?
Von solch profanen Dingen wie Sicherheitsvorschriften oder Löhnen mal abgesehen, versteht sich.
Doch nicht Arbeitsauslagerung, sondern Automatisierung ist der Grund, warum in der Montagehalle eines Autoherstellers heute nicht mehr 1.000 Leute rumlaufen, sondern deren 50. Und die laufen auch nicht mehr, die stehen rum, während sie darüber wachen, ob die Maschinen ihren Job richtig machen. „Anlagenführer“ nennt man so etwas heute. Selbst in China, das nicht gerade für übermäßig hohe Lohnkosten oder ausufernde, gewerkschaftlich organisierte Streiks für mehr Tarifrechte bekannt ist, werden beim Apple-Hersteller Foxconn menschliche Arbeitskräfte durch Roboter ersetzt. Denn die stürzen sich nicht suizidal vom Dach, wegen der miesen Arbeitsbedingungen.

Gut, eine Stelle fällt mir sofort ein, an der die Zukunft mit Sicherheit neue Arbeit erschaffen wird. Denn die ganzen halbintelligenten Supermaschinen werden natürlich untereinander und über das Internet vernetzt sein, das ist ja ausgemachte Sache bei den Entwicklern der drohenden Zukunft. Wer könnte das auch nicht für eine gute Idee halten?
Alleine die Arbeitsplätze für Menschen, die von Erpressersoftware lahmgelegte Kaffeemaschinen befreien sollen, dürften global in die Millionen gehen. Natürlich werden die dann nicht mehr als einen oder zwei Kaffees bei Starbucks pro Tag verdienen. Aber damit liegen sie dann deutlich oberhalb der absoluten Armutsschwelle der UN und irgendwer wird sich sicherlich bereitfinden, zu erklären, daß damit die innovative und armutsbefreiende Kraft des Kapitalismus wieder einmal überzeugend bewiesen ist. Jens Spahn vielleicht. Oder es werden Charity-Galas abgehalten für blinde Programmierer.
Währenddessen werden dann im Kongo die letzten Regenwälder Afrikas gerodet, um den ganzen Kaffee anzubauen, der dann in Kapseln, Pads oder eben bei Starbucks verbraten wird.
Auch Beratungsdienste für Maschinen, die von der Eintönigkeit ihres Alltags depressiv werden, dürften einen echten Boom erleben. Ganz besonders dann, wenn diese Maschinen tatsächlich dereinst einmal das Kriterium der „Künstlichen Intelligenz“ erfüllen sollten. Unweigerlich fallen mir die Vertikalen Leute-Transporter der Sirius Kybernetic Corporation ein, die schmollend im Keller des Verlagsgebäudes hocken, das den Anhalter herausbringt. Douglas Adams war ein gottverdammtes Genie.

Doch nicht nur psychologische Beratung für neurotische Fahrstühle, auch Notdienste für über das Netzwerk gehackte Heizungsanlagen versprechen gutes Geld für die Berater, ganz besonders im Winter. So ein Holzpellet-Ofen gewinnt bei dieser Betrachtung schlagartig an Attraktivität in der eigenen Wohnung.

Der Antrieb der Wirtschaft
Die wichtigste Flüssigkeit für die Weltwirtschaft ist Erdöl. Die zweitwichtigste ist Kaffee. Trotzdem scheint es den meisten Konsumenten nicht zu gelingen, manche Dinge wirklich wach zu beurteilen. Vermutlich liegt es an zu wenig Kaffee.

Wieder erreichen uns widersprüchliche Signale. Immer mehr Menschen haben Arbeit. Und immer mehr Menschen sind von Armutsrenten und Armuts-Sozialhilfe bedroht. Immer mehr wird produziert, aber der Binnenkonsum dümpelt so vor sich hin. Und geben Menschen dann doch zwischendurch etwas mehr Geld aus, kaufen sie Wohnzimmermöbel, Teppiche, Kücheneinrichtungen und anderes Zeug.
Fragt man dann einfach mal, warum sie es tun, ist die Antwort, die ich am häufigsten bekomme: „Das Geld ist gerade da, Zinsen gibt es eh nicht und besser das Geld jetzt ausgeben.“
Irgendwie fehlt dieser Begründung dann das erklärende Ende des Satzes, aber mir scheint sehr oft ein unausgesprochener Hinweis auf ein gewisses Mißtrauen in die Stabilität es Geldwertes und des Finanzsystems mitzuschwingen. Immerhin hat so eine Wohnwand einen höheren Heizwert als die 3.000 Euro, die sie gekostet hat.
Währenddessen sinkt die Langzeitarbeitslosigkeit nicht wirklich ab. Seit Jahrzehnten nicht. Also seit der Zeit, in der das Phänomen „Arbeitslosigkeit“ erstmals auf der Bildfläche der Industriestaaten auftauchte, so Ende der 60er, Anfang der 70 Jahre nämlich. Eigentlich fällt das hartnäckige Syndrom recht genau mit der ersten großen Energiekrise ab 1973 aufwärts zusammen, aber das ist sicherlich nur Zufall.

Die immer wieder so gerne und lautstark propagierte Zukunft wird also ganz toll und wir müssen alle nicht mehr so viel arbeiten. Das hat nur noch keiner mitgekriegt, denn die Deutschen schieben aktuell mal wieder 1,7 Milliarden Überstunden vor sich her.
Man stelle sich mal vor, da würden Menschen womöglich statt dreißig Stunden vierzig arbeiten. Oder womöglich mehr Menschen überhaupt arbeiten.
Doch ich bin mir völlig sicher, daß all diese Überstunden aus Liebe zur Firma gemacht worden sind. Oder aus Liebe zum Chef. Es ist völlig ausgeschlossen, daß irgendwer das Geld braucht, damit es endlich mal für die Weihnachtsgeschenke langt.
Schließlich beweist unsere ökonomische Theorie, daß Menschen ja einfach mehr Geld verlangen würden, wenn sie denn zu schlecht bezahlt werden sollten. Ansonsten arbeitet man nämlich einfach woanders. So etwas kann also gar nicht passieren.

Trotzdem stellt sich mir immer wieder die Frage: Wenn immer mehr Menschen arbeiten, aber die Anzahl der Arbeitsstunden sich seit 2005 nicht signifikant erhöht hat, wie lebt man eigentlich davon? Und wer kauft den ganzen Kram, der da produziert wird?
Denn Roboter haben nicht nur keine Gewerkschaft, kein Streikrecht und kein 13. Monatsgehalt – wozu auch, sie haben ja nicht mal ein erstes – nein, Roboter haben auch keinen Urlaub, keinen Ischias, keine kranken Kinder, keine Hochzeiten und Todesfälle und außerdem auch kein Bett, keine Wohnung oder Bedarf an so etwas. Denn Maschinen schlafen nie. Maschinen sind wie Spezies 8472 in Star Trek. Die schlafen auch nicht. Ich würde niemals einer Spezies vertrauen, die nicht schlafen muß. Sei sie biologisch oder kybernetisch.

Kluge Köpfe haben sich hierüber schon den solchen zerbrochen. Man könnte Maschinenarbeit beispielsweise besteuern. Tatsächlich wird das immer öfter vorgeschlagen. Das würde den Faktor maschineller Arbeit zwar verteuern, aber trotzdem brauchen Industrieroboter und KI-Neuralnetze keinen Urlaub. Ehepartner haben sie auch nicht.
Nein, es ist relativ simpel: Menschen werden nur dann eingestellt werden und bleiben, wenn sie billiger sind als Maschinen. Natürlich könnte man Steuern so weit anheben, daß dieser Fall gegeben ist. Nur würden sämtliche Großkonzerne Sturm laufen gegen so eine Politik.
Schließlich wäre das aktive Behinderung technologischer Innovation, würde der Vergangenheit den Vorzug geben vor der Zukunft, die selbst-ver-ständ-lich besser sein wird. Denn sie ist ja neuer. Also besser. So haben wir es gelernt.

Maschinen sind billiger als Menschen. Dank entsprechend bestellter Politik. Die ließe sich ändern.

Doch es gibt da noch einen klitzekleinen Aspekt, der bei all diesen wunderschönen Zukünften gerne mal ignoriert wird: Energie. All diese Dinge brauchen Energie. Roboter schlafen nicht, aber Energie brauchen sie reichlich.
Wir können natürlich so tun, als wäre das überhaupt kein Problem. Was auch genau das ist, was offziell tatsächlich getan wird. Wir bauen einfach eine zu 100% aus regenerativen Energieformen bestehende Industrie auf und damit hat Mensch sein großes Heldentum wieder einmal bewiesen. Denn der Mensch an sich, da sind sich alle einig, ist ein großartiger Problemlöser.
Deshalb müssen besonders energieintensive Industrien auch Ausnahmegenehmigungen beim Wirtschaftsminister beantragen. Weil das mit der Energie keinerlei Problem darstellt. Ebensowenig stellt es ein Problem dar, daß dann die Privatbürger sämtliche Kosten eines Umbaus der Energieinfrastruktur bezahlen müssen. Eventuell habe ich gerade eine Idee, warum so viele Überstunden gemacht werden in Deutschland.

Während das  geistig stabile Genie im Weißen Haus einen Mitarbeiter nach dem anderen feuert, der noch in der Lage war, mal selbständig zu denken, träumt es von seinen wunderbaren Kohlekraftwerken, die mit „clean coal“ angetrieben werden sollen, die nicht existiert.
Überall ernten dieselgetriebene Maschinenparks, hinter denen sich jeder VW-Hausfrauenpanzer verstecken kann, die ganzen Rohstoffe, aus denen die nie schlafenden Maschinen bestehen sollen. Oder die Batterien der Elektroautos, mit denen wir die Welt retten werden. Falls wir noch ein paar Überstunden einschieben können.
Während die angesammelte Gülle eines ganzen Jahrhunderts, der Müll und die Trümmer der Industrien 1.0 bis 3.0, um uns herum immer stärker durch die Gegend blubbert, hören die Mächtigen, die ökonomischen und politischen und medialen Lenker des Planeten, nicht auf, in höchsten Tönen den bisher verfolgten Weg als den einzig richtigen zu preisen und sogar noch darauf zu bestehen, daß wir die Geschwindigkeit weiter erhöhen müssen.

Doch das ist weder möglich noch wünschenswert. In der Art des blinden Huhn, das auch mal einen Korn trinkt, ist Donald Trump aktuell der Mann, den Kassandra schon mal vorausahnte: Er tut das Richtige aus dem falschen Grund.
Während der neue Protektionismus made in USA die Globalisierung bedroht, könnte Italien bald seine Euro-Mitgliedschaft in Frage stellen. Derweil fiebert die ehemals zweitgrößte Volkswirtschaft der EU, nämlich Großbritannien, sich dem unkontrollierten Brexit entgegen. Denn mehr als Fieberfantasien waren bisher aus London nicht zu hören.
Dissonanzen mischen sich in den anhalten Sirenengesang des Konsumismus. Ein Anflug angestrengter Heiserkeit ist zu hören. Im Publikum sind bereits erste irritierte Blicke zu sehen.

14 Comments

  1. Mal wieder danke dafür, dass Du meine Gedanken in so herrlich lesbarer Form zu virtuellem Papier bringst 😉
    Ich hab mir eine Drechselbank aus einem anderen Ansatz als dem, das geld gerade keine Zinsen bringt, gekauft: Geld ist nichts wert.. leider habe das diejenigen, die davon immer abstrusere Zahlen in exorbitanten Höhen auf virtuellem Papier ansammeln, vergessen… und sammeln dann fröhlich weiter Einsen und Nullen auf Kosten anderer…

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    1. Geld ist nichts wert..

      Das ist natürlich richtig. Aber erklär mal Menschen, die gerade welches ausgegeben haben, weil sie sich über den zukünftigen Wertgehalt keineswegs mehr sicher sind, daß es schon jetzt keinen Wert hat. Oder hatte. Da wird es dann manchmal schwierig 😀
      Der intrinsische Wert von Papiergeld ist selbstverständlich Null. Was gewisse Superökonomen gewisser Parteien ja gerne veranlaßt, wieder was von einem Goldstandard zu erzählen.

      Eine Drechselbank? Ich bin so eine totale Nulpe, ich habe echt keine brauchbaren Fähigkeiten im Handwerklichen 🙁

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      1. kann auch nicht jeder alles können 😉 meine Gedanken zu der Thematik wurden übrigens durch einen Artikel in der ZEIT angeregt, in dem sich also jemand hinstellte und darlegte, warum es also offensichtlich gerechtfertigt sei, dass jemand wie der Fußballer mit den 228 Millionen (Wechselsumme war das, oder? mich nämlich nix Ahnung von Fußball) eben diese Summe ‚wert‘ sei – weil seine Fähigkeiten eimalig sind.. Stellen sich mir mindestens zwei Fragen: erstens: seit wann ist Ballspielen soviel mehr ‚wert‘ als meinetwegen zum Beispiel ein Haus bauen und zweitens: wie zum Teufel kann man sich den Knaben leisten, den Luxus gönnen, wenn es an allen möglichen anderen Enden und Ecken kracht? Und das hat mit Neid nichts zu tun… es steht einfach nichts mehr im Verhältnis…

      2. Nun ja – wie kann es sein, daß Menschen im Vorstand eines Autokonzerns den Staat bescheißen, nämlich um KFZ-Steuern?
        Dann muß der Konzern aber nichts bezahlen, die Vorstände kriegen noch Millionen oben drauf und der Konzern will jetzt Menschen Prämien bezahlen, damit die ihm neue Autos abkaufen. Die ebenfalls die Grenzwerte gnadenlos reißen, außerdem produziert werden müssen und das für Autos, die andere gerade erst gekauft hatten, womöglich gefördert mit „Abwrackprämie“.
        Und ich bin mir sicher, daß diese Kaufanreiz-Prämien entsprechend verbucht werden, also den Gewinn des Konzerns verringern. Was den Staat wieder Geld kostet. Somit auch die Leute, die da arbeiten!

        Was noch dazu kommt. Denn der Konzern möchte diverse zig tausend Leute entlassen. Das heißt dann Zukunftsplan. Weil der Wettbewerbsdruck so hoch ist. Auch dafür bekommen Vorstände dann Millionen. Umgerechnet tausende von Euro – jede Arbeitsstunde. Wo liegt hier der gesammtgesellschaftliche Wert?

      3. beats me.. stellst mir dieselben Fragen, die ich mir auch immer wieder stelle… ich bin sicher, Ökonomen hätten da eine Antwort drauf (was nicht heißt, dass diese Sinn ergeben muss)

      4. Das ist doch die Ironie: diese Art von Politik zugunsten der Autoindustrie wird doch vorwiegend mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen gerechtfertigt, die ebendiese Autoindustrie dann fleißig abbaut, um die Gewinnmarge zu erhöhen.

        Diese Politik ergibt zwar keinen Sinn für die Gesamtgesellschaft, aber sehr wohl für diese Industrie und ihre Anteilseigner! Politik ist Kampf um Interessen und hier ist klar, wer stets gewinnt. Es war vielleicht ansatzweise schon immer so, auch in der BRD mit seiner Demokratie. Wie hemmungslos und unverhohlen zuletzt aber kleptokratisch zugegriffen wird, ist einach nur noch erschreckend.

        Und es kommt noch hinzu, dass neben denjenigen, die vor den Missständen die Augen verschließen, zunehmend auch Menschen vor dem drohenden Untergang Vorteile auf Kosten anderer für sich in Anspruch nehmen….sei ja jetzt eh egal.

        Also, ich habe meine Kinnlade längst an den Oberkiefer festgetackert…

      5. Diese Politik ergibt zwar keinen Sinn für die Gesamtgesellschaft, aber sehr wohl für diese Industrie und ihre Anteilseigner

        Eben, eben. Kapitalismus, fuck yeah! 😀

        Wie hemmungslos und unverhohlen zuletzt aber kleptokratisch zugegriffen wird, ist einach nur noch erschreckend.

        Das wiederum ist zwingend logische Folge zunehmender Degeneration der ausbeutungsfähigen Umgebung. Die herrschenden Obermacker wollen natürlich keinesfalls auch nur auf ein bißchen ihres „Von allem zuviel“-Lebensstils verzichten. Geht gar nicht. Da eine Plünderung aber eben immer damit endet, daß irgendwann alles geplündert ist, müssen die entsprechenden Mittel woanders herkommen. Also beginnt die herrschende Mackerklasse, die eigene Bevölkerung zu plündern und die zu immer größeren Teilen.
        Die Lange Dämmerung in ganzer Schönheit 😀

  2. Die Firma, bei der ich meine Brötchen verdiene, ist seit 2013 eine Aktiengesellschaft und wird am M-Dax gehandelt. Seit dem, so böse Zungen intern, haben wir kein Geschäftsführung mehr, sondern ein Portfolio-Management. Heißt: Der Vorstand schaut immer, in welchem Business gerade Kohle zu verdienen ist und pumpt da dann ein wenig Pinkepinke und noch mehr Projekte rein, während Geschäfte die unter der magischen Zahl von 18% EBITDA (aber auch Tante ROCE darf nicht vergessen werden! sic!) liegen, der Geldhahn zu und die Daumenschrauben angezogen wird. Und wenn das ganze dann (oh Wunder!) nicht fruchtet, schaut man sich nach einem Käufer um. Warum soll es uns besser ergehen, als den Griechen & Co.? Alles im Sinne des Aktionärs! Denn der Aktienkurs muss stimmen, wir müssen Anleger-freundlich sein! Die Investoren dürfen sich nicht abwenden!

    Ihr seht, im Zeitalter der Industrie 4.0 braucht es nicht mal mehr Heuschrecken, das machen die Vorstände schon ganz alleine. Scheiß auf die Belegschaft, fuck yeah!

    Ich habe daheim die Biografie von Berthold Beitz rumliegen, die sollte ich mir wohl zeitnah geistig einverleiben.

    Mit zynischem Gruße

    De anner Philipp

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    1. mh und wie lange soll dieses hin und herkaufen noch funktionieren? ich meine, irgendwann müssen doch mal alle alles gekauft haben, was diese seltsamen Prozentzahlen erfüllt oder?.. und was dann?.. ich kapier einfach nicht, wie Unsummen durch – Luftblasen – gemacht werden können.. der Mechanismus dahinter will sich mir einfach nicht erschließen, rein theoretisch müssten doch alle wissen, dass sie sich gegenseitig – nur heiße Luft zuschieben..?
      ôÔ?

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      1. Das wissen die ja auch. Du darfst aber nicht vergessen, daß die aktuelle Ökonomie keine realen Dinge mehr handelt in dem Moment. Man verkauft die Erwartung auf eine Entwicklung, die möglich ist – solange man noch einen Dummen findet, natürlich.

        Alles ist ein endloser Wechsel auf die Zukunft und alle hoffen, keiner möge bemerken, daß der Unsinn natürlich nicht auf Dauer funktionieren kann.

    2. Was hat dich je zu der Annahme verleitet, die Vorstände deines Clubs würden nicht zu den Heuschrecken gehören? 😀

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