Das wahre Morgen

– XII –

Blöd Runner

„For it is the chief characteristic of the religion of science that it works.“
Isaac Asimov, Foundation

Wenn es richtig ist, daß Kunstformen die zukünftige Entwicklung einer Kultur wiedergeben oder zumindest wiedergeben können, sitzen wir alle tief in der Scheiße.
Die unangenehme Wahrheit über die Zukunft, das wahre Morgen, ist dieselbe, die Hari „Rabe“ Seldon für den bald darauf toten Kaiser im Gepäck hatte, um dort anzuknüpfen, wo ich diese Reihe vor der weihnachtlichen Besinnlichkeit unterbrochen habe.
Der Untergang des Imperiums ist nicht zu verhindern. Mit keinem Mittel, daß dieses Imperium selber zur Verfügung stellen könnte. Zu dogmatisch seine Wissenschaften, zu erstarrt sein Denken, zu unreflektiv und verbohrt seine Machtmenschen.
Irgendwie erscheint es mir so, als hätten diese Dinge eine Menge mit dem aktuellen Zustand unserer Zivilisation zu tun.

Als sich die junge Foundation in Asimovs gleichnamigen Romanzyklus gegen ihren ersten Gegner wehren muß, genügt ein Hinweis auf noch vorhandene Atomenergie, um alle Eroberungsgelüste der benachbarten, ehemals imperialen Provinzen zu unterdrücken. Alles wird in diesen Romanen atomar angetrieben. Selbst Werkzeuge, die beispielsweise mit Hilfe eines projizierten Kraftfelds Metall moleküldünn bearbeiten können und die man in der Hand halten kann, haben eine atomare Batterie als Kraftquelle. Die umliegenden Planeten kehren zurück zu Kohle und Öl, für den Wissenschaftler Asimov in seinem Roman ein unbedingter Rückschritt. Kernkraft, so die unübersehbare Überzeugung in seinen Romanen, wird dem Menschen die Macht in die Hand geben, die Sterne zu erobern. Sie ist Fortschritt in exakt dem Sinn, in dem dieser Begriff heute noch gebraucht wird. Oder besser, verzerrt. Technologie als Entwicklung zu höheren Weihen. Was vergangen ist, muß primitiver sein und schlechter.
Im weiteren Verlauf läßt Asimov seine Wissenschaftler die umliegenden Planeten mit ihrer Technologie infizieren. Und zwar in Form einer Religion. Hinter dem mythischen Brimborium verbirgt sich nichts anderes als High Tech, über die die anderen Welten der Region nicht mehr verfügen. Und so halten in der Foundation ausgebildete Priester die heiligen Rituale ein und der kleine Haufen aus Wissenschaftlern beherrscht diese galaktische Koordinate, ohne einen einzigen Schuß abzufeuern oder auch nur ein Kriegsschiff zu besitzen. Handel und Technologie sind die Geheimnisse der Herrschaft.
Ob ein Ingenieur sich als Priester versteht und seine Wartung atomarer Kraftwerke als heilige Handlung, ist für das Ergebnis unerheblich. So lange alle richtigen Handgriffe zur richtigen Zeit gemacht werden, wird die Anlage ordnungsgemäß funktionieren.

Der imperiale Diplomat Lord Dorwin, den ich ebenfalls im letzten Teil erwähnte, ist in seiner schnöseligen Arroganz der Meinung, die Ursprungswelt der Menschheit in achthundert Jahre alten Büchern zu suchen sei tatsächlich archäologische Forschung. Der eigentliche Grusel an der von Asimov beschriebenen Szene ist aber, daß sein Gesprächspartner, immerhin der offizielle Anführer des nominell größten wissenschaftlichen Projekts seiner Zeit, dieser Auffassung des blutleeren Adligen rundheraus zustimmt.
Asimov läßt einen verzweifelten Gegenspieler des amtierenden Chef-Enzyklopäden in der Ratsversammlung das Problem treffend beschreiben:

And for the third time: „Don’t you see? It’s galaxy-wide. It’s a worship of the past. It’s a deterioration—a stagnation!”

In Asimovs Roman sind Wissenschaftler also der festen Überzeugung, es sei echte Forschung, uralte Dinge ständig zu wiederholen. Unmittelbar fühle ich mich an die schöne Szene in Star Wars II erinnert, in der die Bibliothekarin in überaus empörtem Tonfall zu Obi Wan sagt: „Was sich nicht in unseren Archiven befindet, existiert auch nicht.“
Und immerhin sucht der Jedi-Meister in dem Moment ein ganzes Sonnensystem. So was verliert man nicht einfach mal im Wohnzimmer.
Unsere aktuelle Zeit, dieses größte Imperium, das Mensch jemals errichtet hat, krankt an denselben Symptomen wie das Galaktische Imperium der Foundation.
Der Unterschied ist lediglich, daß wir nicht die Vergangenheit anbeten. Wir verehren die Zukunft. Ausschließlich.
Ganz im Gegenteil besteht unsere Wissenschaft sehr oft vehement darauf, daß Blicke in die Vergangenheit nur von der Zukunft ablenken. Die wiederum wird so sein wie heute, nur noch digitaler. Auch unsere Wirtschaftstheorie, die strenggenommen gar keine solche ist, beharrt darauf, daß Vergangenheit ausschließlich für staubige Archivare oder so gut sein kann.

Es begab sich dereinst in antiken Zeiten, genauer gesagt 1994, daß diverse Großmeister des ökonomischen Jedi-Tricks eine Firma gründeten. Sie tauften diesen Laden „Long Term Capital Management“ oder kurz LTCM.
Zum Rat dieser Jedi gehörten zwei Wirtschafts„wissenschaftler“, beide geehrt mit der höchsten Auszeichnung des Nobelpreises in ihrem Fach. Der keiner ist. Der angebliche Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist von einer schwedischen Bank gestiftet worden, damit Ökonomen so tun können, als seien sie Wissenschaftler. Alfred Nobel hielt Wirtschaftler für so erstrebenswert wie Fußpilz.
Jedenfalls berechneten diese Herren, daß die Wahrscheinlichkeit, pleite zu gehen, für ihren Hedgefonds unfaßbar verschwindend gering sei. Das Verstreichen eines Zeitraums vom mehrfachen Alter des Universums wäre angeblich erforderlich gewesen, um eine Situation eintreten zu lassen, in der das finanzielle Ableben der Firma stattfinden könnte, so die einhellige Meinung der bepreisten Finanzmathematiker.
Im Jahre 1998 schließlich stand etwa vier Milliarden Dollar Eigenkapital der Firma ein Portfolio im Wert von 125 Milliarden gegenüber, das wiederum über diverse Jedi-Tricks – in der Presse heißt das dann „Derivate“ oder „Hebel“ – einen nominellen Wert von ungefähr 1,25 Billionen amerikanischer Dollar repräsentierte.
Nicht schlecht für nur vier Milliarden echten Geldes, die einem nicht mal wirklich gehören.
1998 war dann auch das Jahr, in dem der so unsterbliche Hedgefonds den Bach runterging und katastrophal Pleite machte. Und zwar nicht wegen irgendeiner Rußlandkrise oder anderen Dingen, die heute in der Finanzwelt gern als Begründung angeführt werden. Sondern schlicht und einfach deshalb, weil Standard-Ökonomen der heutigen Zeit geistige Vollidioten sind.
Im Nachhinein stellte sich heraus, daß die beiden nobelpreisigen Superdenker bei der Aufstellung ihrer angeblich universalen Ewigkeitsformel nicht einmal den letzten Börsencrash mitbedacht hatten. Der hatte im Jahre 1987 stattgefunden, also nur sieben Jahre vor der Firmengründung.Auch die Begründung für die Ignoranz war völlig ökonomisch: Hätte man diese Daten berücksichtigt, hätten die Formeln nicht hingehauen.
Ein perfektes Beispiel dafür, was für manche angeblichen Geistesgrößen Langfristigkeit darstellt. Der Firmenname bezog sich offensichtlich nur auf langfristiges Herbeischaufeln von Profiten. Warum sollte man auch langfristige Dinge berücksichtigen, wenn man Formeln für die Zukunft aufstellt? Sieben Jahre sind tiefste prähistorische Vergangenheit und das System kann nie versagen, die Formeln beweisen das eindeutig.
Da bleibt einem echten Wissenschaftler auch wirklich nichts anderes übrig als derartig lästige Daten zu ignorieren, ist ja logisch.
Gegründet wurde der langfristige Laden übrigens vom ehemaligen Chef der Rentenabteilung einer Investmentbank namens Salomon Brothers.
Salomon führte in den 80er Jahren als erste die hypothekenbesicherte Anleihe als handelbares Objekt an den Börsen ein. Diese „mortgage-backed securities“ sind exakt das, was 2007 zur annähernden Kernschmelze des Finanzsystems geführt hat, nur so als Erinnerung.
Anfang der 90er ging Salomon selber unter, nachdem die Bank als Hauptschuldiger für manipulierte Geschäfte mit Regierungsanleihen zu einer Strafzahlung verurteilt wurde. Dadurch wurde die Investmentbank zum Übernahmekandidaten und ist heute Teil der Citi-Group. Diese wiederum mußte 2007 vom amerikanischen Staat initial mit 326 Milliarden Dollar gestützt werden, um keinen totalen Existenzausfall zu erleiden. Wegen dieser Immobilienpreise, die nur steigen konnten. Die Formeln haben das eindeutig bewiesen.

Ich finde, man kann aus der Betrachtung der Vergangenheit jede Menge lernen. Ganz besonders über die Zukunft. Auch die Betrachtung von Fakten kann sehr hilfreich sein, sofern man sie dann nicht einfach unter den Tisch fallen läßt, nur weil einem die Implikationen nicht gefallen. Ökonomen und die ihnen angeschlossenen Politiker sind wahre Meister in der Arroganz der selektiven Wahrnehmung.

Ist es neue Zukunft, wenn die USA wieder zum Mond fliegen wollen, um dann zum Mars zu kommen?
Nein, es ist Zukunft von gestern. Wie Star Wars VII ist es aufgewärmtes Resteessen von vorgestern. Ein paar frische Tomaten dran und fertig.
Keine Sau wird mit irgendeinem Raketenprogramm zum Mars fliegen und falls doch, wird es nicht das Geringste bringen, wenn man das persönliche Gesamtkonzept über das eines narzisstischen Idioten erhebt, dessen Körper von einer kleinen, pelzigen Alienkreatur auf seinem Kopf gesteuert wird. Dehnt man die Perspektive einmal auf die Frage aus, was solch ein Unterfangen denn Positives für die Menschheit als Gesamtgröße zu erbringen vermag, fällt die Antwort eher ernüchternd aus.
Trotzdem werden in letzter Zeit die nächsten bemannten Mondflüge und auch die Eroberung des Mars in den Medien regelmäßig als die nächste neue Superleistung unserer allmächtigen Zivilisation gefeiert. Auch fliegende Autos feiern derzeit wieder eine Renaissance in diversen Berichten. Wobei es hier und da schon mal erwähnt wird, das diese Sache noch zehn, zwanzig Jahre in Anspruch nehmen könnte. Wegen…ähmmm…technischer Umsetzungsprobleme.
Wir können nicht mal allen Menschen sauberes Trinkwasser liefern, aber den Mars erobern, das kriegen wir hin. Wissenschaft, Baby!

Bild 1: Wissenschaft, Baby!
So stellen wir uns die Zukunft vor. Weil sie uns auch immer so erzählt wird. Alles unter Kontrolle. Drinks werden auf dem Beobachtungsdeck nicht gereicht, bitte begeben Sie sich in die Lounge. Ihr Transfer nach Luna startet in zwei Stunden.

Immer mehr Menschen halten passiven Konsum oder Informationen aus ungeprüften Quellen für echten Wissenserwerb oder unbestreitbare Fakten. Das tatsächliche Nachhaken wird zu mühselig oder war niemals vorgesehen. Lord Dorwin fände das begrüßenswert.
Einen Kinofilm zu sehen bedeutet passiven Konsum. Beim Lesen eines Buches sind völlig andere Areale des Gehirns aktiv. Das liegt daran, daß im Film lediglich die Vorstellung konsumiert wird, die der jeweilige Regisseur zusammen mit den Schauspielern über eine Geschichte entwickelt hat. Es ist die Interpretation von jemand anderem. Das bedeutet nicht, daß sie schlecht sein muß oder uninteressant. Aber was ich sehe, ist nicht von mir.
Kino verhält sich zum Lesen wie die Hühnersuppe aus der Dose zur handgeschmiedeten Variante, die man am eigenen Herd selbst produziert hat. In der Dose befindet sich die industriell hergestellte, angebliche Durchschnittsvariante von etwas, das Hühnersuppe sein soll, interpretiert von Lebensmittelchemikern.
Lese ich eine Geschichte selber, entstehen alle Dinge im Kopf. Der Autor kann sich in durchaus präzisen Landschaftsbeschreibungen ergehen in einem Buch. Trotzdem wird das Bild in meinem Kopf nicht das Bild sein, das eine beliebige andere Person in ihrem erzeugen wird. Beide Bilder werden ähnlich sein, dank der Bemühungen des Autors, aber trotzdem werden wir beide beim Blick auf die Verfilmung denken: „Das hatte ich mir anders vorgestellt.“
Deswegen habe ich normalerweise keinen Drang danach, mir die Verfilmung eines guten Buchs anzusehen. Die aktuelle Neuauflage von Kings „Es“ ist so ein Beispiel. Ich halte viele Bücher von Stephen King generell für unverfilmbar. Nicht weil sie schlecht wären, sondern weil sie für einen Kinofilm einfach zu komplex sind. Im Roman von King läßt sich am Ende nur noch an den Uhrzeiten über den Kapiteln erschließen, ob man sich jetzt im Jahre 1957 befindet oder 1985. Die gesamte Handlung ist derartig dicht und komplex geschrieben, daß dieses Buch in dem Moment zum Film wird. Im Kopf des Lesers nämlich.
Schnellere und perfektere Bildschnitte kann keine Kamera der Welt hinbekommen. Ich nehme an, es gibt dafür einen Ausdruck in Literatur- und Schreibkursen, wenn man diese schnelle Schnittechnik literarisch umsetzt. Aber ich kenne ihn nicht und muß ihn auch nicht kennen. Ich weiß aber, daß der richtige Autor daraus brillanten Stoff zaubern kann, der den Leser in seinen Bann zieht.

Wir halten Denken für angeboren. Und einen Singular. Das ist aber falsch. Denkfähigkeit muß erlernt werden.

So ist es mit echtem Denken auch. Dieser Tätigkeit, die bei Überschreiten gewisser Temperaturen auch mal zu Brandverletzungen führen kann.
Ich kann mir in hundert Dokumentationen vorkauen lassen, was irgendwer über irgendwas gedacht hat oder denkt. Aber damit denke ich nicht selbst. Ich übernehme passiv etwas von einem anderen. Natürlich kann ich der freundlichen Kommentarstimme aus dem Off glauben. Spätestens aber, wenn die deutsche Synchronstimme etwas sagt, daß im englischen Original gar nicht gesagt wird, sollte man etwas aufmerksamer werden. Ein Schnitzer, der mir schon so oft untergekommen ist, daß ich es nicht mehr zählen kann. Ist halt nur doof, wenn dadurch das, was der gerade interviewte Typ von sich gegeben hat, in etwas völlig anderes verwandelt wird. Darum guckt man solche Dinge natürlich im Original.
Ich kann der freundlichen Stimme auch glauben, wenn sie mir gerade erläutert, daß die Archäologen, die nach vier Wochen Arbeit eine fünf Meter hohe Pyramide gebastelt haben, soeben bewiesen hätten, wie die Ägypter diesen Trick hinbekommen haben. Wenn ich aber ein Denker bin, der seinen Kopf benutzt, komme ich auf der Stelle zur Schlußfolgerung, daß dieses Team exakt das nicht bewiesen hat, weil ihr Versuch nämlich armselig gescheitert ist.
Archimedes, dieser alte Grieche, der die Schraube erfunden hat, soll mal mit Hilfe von Spiegeln eine angreifende Flotte in Brand gesetzt haben. Nun ja, die Spiegel waren polierte Bronzeschilde, aber gut. Würde jemand mir in einer Dokumentation unter Verwendung experimentieller Archäologie zeigen, wie das funktioniert hat, ich wäre beeindruckt.
Was ich gesehen habe, ist aber ein Experiment, in dem ein aufgeblasener Fernsehwissenschaftstyp mit Hilfe eines solchen Objekts ein Holzboot zum Brennen gebracht hat. Ein Boot, das keine zehn Meter weit entfernt fest vertäut im Hafenbecken liegt. Was das mit einer Trireme zu tun haben soll, die noch hunderte Meter entfernt ist und sich vor allem bewegt, ist mir unerklärlich. Ich bezweifle sehr stark, daß man hier die notwendigen Entzündungstemperaturen erreichte, um die Flotte abzufackeln. Das ein unbewegliches Stück Holz unter einem Brennglas irgendwann Feuer fängt, braucht mir niemand im Experiment zu zeigen. Das weiß ich bereits. Ich war schließlich auch mal zwölf.
Was mir diese Doku gerade gezeigt hat, ist keine experimentielle Archäologie. Experimentielle Archäologie ist es, wenn Menschen mit den Methoden des 13. Jahrhunderts in Frankreich eine Burganlage der damaligen Zeit nachbauen, in Guédelon nämlich. Das Vorhaben ist auf 25 Jahre angelegt und es sieht so aus, als sollten die eifrigen Burgenbauer pünktlich fertig werden. Da kann sich mal so mancher Flughafen eine Scheibe abschneiden. Außerdem finanzieren die sich inzwischen selbst. Da könnte sich mancher Bahnhof mal eine Scheibe abschneiden.

Denken und Mitdenken erfordert also immer Eigeninitiative. Wie das Lesen eines Buchs. Passiver Filmkonsum erfordert diese Dinge nicht.
Eine Wahrheit, gerichtet an das Imperium der Menschheit auf diesem Planeten, ist folgende Erkenntnis: Denken ist eine Fähigkeit, oder besser, ein komplexes Bündel aus Fähigkeiten. Es ist keinesfalls angeboren und in dem Moment verfügbar, wenn wir es brauchen. Denken an sich erfordert, Dinge auch so zu sehen, wie sie sind. Natürlich kann ich mir etwas anderes wünschen. Aber das ändert nichts an den Fakten.
Es ist selbstverständlich möglich, daß die Zahlen, die meine Waage anzeigt, etwas mit der örtlichen Gravitationsanomalie im Badezimmer zu tun haben. Es ist halt nur einfach extrem unwahrscheinlich.
Die Wahrheit ist, daß ich einfach zu fett bin für meine Größe, was mit einer Vorliebe für Schokolade, Chips, Pasta und gemütlichen Sofas zu tun haben könnte.
Denken als Fähigkeit muß geschult werden. Was nicht im Archiv gespeichert ist, existiert mit ziemlicher Sicherheit trotzdem.

Der Blick in die SF-Literatur liefert immer wieder Wahrheiten. Die Kunst spiegelt ihre Gesellschaft wider. Sie muß sich dessen nicht immer bewußt sein.
Sehr viele erfolgreiche Formate der letzten Jahre sind dystopischer Natur, auch und gerade im Sektor der SF für Jugendliche. Am ehesten zu nennen wäre hier wohl die „Panem“-Trilogie, die dank ihrer Verfilmung einen echten Hype ausgelöst hat.
Donald Trumps Amerika unterscheidet sich nicht sonderlich vom diktatorischen Staat Panem.
In einem Film wie „Elysium“ schwebt eine fantastische Jodie Foster als eisenhart-misanthropische Chefin einer Raumstation über den Dingen. Elysium, Heimat der Reichsten der Erde, hat keinen physischen Kontakt mit den per Polizeigewalt versklavten und ruhiggestellten Massen eines im Griff des Klimawandels und des ökologischen Zusammenbruchs verdorrenden Planeten.
In einem meiner liebsten Filme wird dank genetischer „Optimierung“ nicht nur das Designer-Baby zum normalen Standard. Es ist auch eine perfekte Welt.
„Wir haben Diskrimininierung zu einem automatischen Prozeß erhoben“, so die Stimme des Protagonisten aus dem Off. Ist nichts Persönliches, sind halt deine Gene.

In „Children of Men“ versackt die Menschheit in völliger Hoffnungslosigkeit, von gelegentlichen Gewaltorgien mal abgesehen. Denn es gibt keine Geburten mehr. Null. Der gesamten Spezies fehlt es an einer Zukunft, auf die sie ihre Probleme abschieben kann. Stattdessen muß die Menschheit erkennen, daß es ihr bestimmt ist, einfach auszusterben. Was auch hier angesichts des Zustands des Planeten durchaus als gerechtfertigt erscheint.
Nun – die Zukunft wird auf jeden Fall sehr viel weniger Menschen beinhalten. Ob auch Designerbabys darunter sein werden, weiß ich nicht. Aber es ist recht wahrscheinlich.
Die Trennung von Habenden und nichts Habenden, wie in Elysium dargestellt, ist global längst Realität. Nur die Nummer mit der Raumstation ist noch in Arbeit.
Im Film „Transfer“ – übrigens eine deutsche Produktion – können Menschen ihre Persönlichkeit in andere Menschen übertragen lassen. So auch die sterbende Anna. Natürlich muß man dazu vorher einen neuen Körper haben. Den kaufen Anna und ihr Ehemann sich dann auch bei einer Gentechnikfirma. Afrikanische Körper gibt es schließlich genug. Die sind zwar schon von Persönlichkeiten bewohnt, aber wen interessiert so ein Detail schon, wenn man dafür ein zweites Leben bekommt?

Alleine die Implikationen derartiger Technologien zeigen ein Bild der Zukunft, gegen das Dorian Grays Portrait einen Ausbund an ebenmäßiger Schönheit darstellt.
Aber wir sind gewarnt. Niemand kann behaupten, der Spiegel hätte uns nichts gezeigt, als wir hineingesehen haben. Wir haben vielleicht nicht hingesehen, aber das entschuldigt nichts.

Vor einigen Wochen erschoß ein Killertyp in Amerika etwas über fünfzig Menschen. Weil es in den USA halt geht.
Die Beschreibung derartiger Amokläufe als soziologisches Phänomen kenne ich ebenfalls gut aus einem SF-Roman. In „Morgenwelt“ von John Brunner sind „Mokker“, wie sie dort genannt werden, längst Alltag. Auch „Partisanen“, die Anschläge durchführen, zum Beispiel gegen Hochgeschwindigkeitszüge, sind alltäglich. Oft handelt es sich um gut in Sabotage ausgebildete Leute des Militärs, die von ihren miesen Veteranenbezügen als Zivilisten nicht leben können. Abgesehen davon sind sie eben zu Terror- und Sabotageexperten ausgebildet worden.
Der Roman datiert von 1968, feiert also seinen 50. Geburtstag in diesem Jahr. Ich werde ihn alleine schon deshalb noch einmal lesen.
Brunners Beschreibungen zukünftigen Lebensstils in den USA sind überhaupt sehr treffend. Das „Umstöpseln“ beispielsweise, bei dem Konzernangehörige von einer Küste an die andere ziehen und dort die gleichen Appartements vorfinden, die sie gerade verlassen haben. Eine Welt, in der man nicht weiß, ob man sich jetzt im Hilton in Istanbul oder in New York befindet.

Eine immer uniformere Welt für immer uniformere Menschen, die aber trotzdem langsam zerfällt. Dieses Bild kenne ich nicht nur aus der Science Fiction. Es ist längst eine Beschreibung der Realität. Es ist Griechenland. Es ist Spanien.
In Madrid hat sich die Regierung, speziell der Ministerpräsident, nicht mit Ruhm bekleckert. Seit Wochen frage ich mich, wie man in der Frage eines unabhängigen Katalonien innenpolitisch derartig blöd sein kann wie Rajoy.
Anstatt ein ohnehin unwirksames Referendum stattfinden zu lassen, hatte man nichts Besseres zu tun, als tausende Polizisten aus anderen Landesteilen nach Katalonien zu schicken, um Wahlurnen und Stimmzetttel zu beschlagnahmen.
Ich hätte ebenfalls Polizei nach Katalonien entsendet. Mit einem ganz klaren Befehl: Jedem die Stimmabgabe zu ermöglichen, der auch abstimmen will. Was die Gegner der Unabhängigkeit natürlich einschließt.
Laut Umfragen lag die höchste Zustimmung im Vorfeld bei etwa 42 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, daß also bei einem richtigen Referendum die Unabhängigkeit nicht einmal eine Mehrheit bekommen hätte, war recht hoch.
Stattdessen haben sich die Polizisten durch ihr Auftreten als unangenehme Unterdrücker erwiesen und bei entsprechenden Krawallen gab es 800 Verletzte am Sonntag. In Spanien. Nicht in Weitwegland in Afrika oder Asien.
Dann kommt der Ministerpräsident und verkündet lautstark in Madrid: „Es gab gar kein Referendum!“
Das Dumme ist aber, es gab eben doch eins. Und zwar mit einem Ergebnis von mehr als 90 Prozent für eine katalanische Unabhängigkeit. Natürlich. Denn die Gegner hatten im Vorfeld bereits verkündet, der Abstimmung fernbleiben zu wollen. Auch extrem dämlich. Wenn es ein Referendum gibt, dann geht man hin. Und dann stimmt man dagegen.
Während Herr Rajoy also die Existenz eines Referendums leugnet und gleichzeitig seine Polizisten auf spanische Bürger einprügeln, kommt noch der Satz: „Spanien ist ein toleranter und demokratischer Rechtsstaat.“
Leider erinnern die Szenen, die durch die Weltmedien laufen, mehr an das TianNanMen-Massaker von 1989. Das ganze macht quasi den Eindruck eines totalitären Polizeistaats, keinesfalls den einer toleranten Demokratie.
Irgendwie erinnert das stark an das Verhalten der Menschen in Kapitol, der Hauptstadt von Panem. Mich jedenfalls.

In Weltentwürfen wie „Shadowrun“ laufen Menschen, mit Implantaten verbessert, durch die Gegend und die Magie ist zurückgekehrt. Dieses alte Rollenspiel wiederum beruht auf der „Neuromancer“-Trilogie von William Gibson, die das Genre des Cyberpunk begründet hat. Der in grauer Vorzeit hier eingangs erwähnte Steampunk ist ein Abkömmling dieser Richtung.
Hier gibt es  keine Nationalstaaten mehr. Die Welt wird von Konzernregierungen beherrscht. Cyberjockeys stöpseln sich direkt mit ihren Computern in einer Art virtuelle Realität ein, die wie eine Schicht über der tatsächlichen Welt liegt, und versuchen, durch Hacken von Industriegeheimnissen an Information und somit Verkaufsware zu kommen.
Klingt wie Science Fiction, beschreibt aber unsere Welt des 21. Jahrhunderts durchaus gut. Man schlage nach unter „Augmented Reality“.
Sollte das Internet sich in eine Art erweiterte virtuelle Realität entwickeln – was es bereits tut – fehlt eigentlich nur die direkte Verbindung zwischen menschlichem Gehirn und Computerhardware, um die Vision zu vervollständigen. Unter dem Stichwort „Mensch-Maschine-Interface“ wird auch hieran längst gearbeitet.

Die SF von gestern beschreibt also die Gegenwart von heute recht gut. Die SF von vorgestern hat die Welt von gestern ganz gut getroffen, wobei ihre Fehlerquote stellenweise deutlich höher liegt.
Das liegt daran, daß selbst jemand wie Verne oder Wells eben die technologischen Durchbrüche der folgenden Jahrzehnte nur grob abschätzen konnte. Spätere Autoren hatten es hier einfacher, denn spätestens mit Beginn der 1970er Jahre waren alle Entdeckungen gemacht, die unser Alltagsleben bis heute bestimmen. Der Rest ist eine Frage der Entwicklung, nicht der Entdeckung.
Eine Erkenntnis, der sich unsere dogmatische Wissenschaftsreligion noch immer verschließt. Nur mehr Fortschritt wird uns die Zukunft bringen. Dumm nur, daß es keinen echten Fortschritt mehr gibt.

Es ist, wie Asimov im Zitat eingangs erwähnt, tatsächlich die vorstechende Eigenschaft der Religion der Wissenschaft, daß sie funktioniert. Die Wunder, die sie hervorzubringen verspricht, finden tatsächlich statt.
Natürlich meinte Asimov das eher scherzhaft, für ihn war Wissenschaft eine tiefe Grundüberzeugung. Etwas, das eben handfeste Ergebnisse hervorbringt und keine Zeit darauf verschwendet, das Wohlwollen imaginärer Freunde durch Rituale zu gewinnen.
Doch der Scherz ist heute längst schal geworden. Wissenschaften sind in vielen Teilen tatsächlich zu einer Religion geworden. Denn Religionen zeichnen sich dadurch aus, daß ihre Anhänger weiterhin fest vom Leben im Paradies überzeugt sind, trotz des eklatanten Mangels an Beweisen für die Existenz eines Gottes und der auffallenden Abwesenheit an Wiederauferstandenen oder sonstwie erlösten Toten innerhalb der letzten fünf bis zehn Jahrtausende.
Menschen sterben und bisher hat es noch keiner geschafft, von da zurückzukommen. Außer diesem einen Typ, aber das ist auch nur Hörensagen gewesen. Dieser Mangel an handfesten Dingen ist der Grund, warum Religionen eben von ihren Anhängern den Akt des Glaubens verlangen. Simple Sache eigentlich.

Auch Wissenschaften verlangen diesen Akt, wenn auch in anderer Form. Denn wenn ein Wissenschaftler nicht überzeugt ist, daß seine aufgestellte Hypothese richtig sein könnte, würde er sich nicht daran machen, sie zu überprüfen. Gleichzeitig ist das der Unterschied zwischen beiden Disziplinen: Religion verlangt Glauben, um mit dem Denken aufzuhören. Wissenschaften verlangen ihn, um damit zu beginnen.
Allerdings haben Wissenschaften ein Problem. Sie können nicht auf das Jenseits verweisen, wenn die Versprechungen sich nicht erfüllen. Wenn die Wunder ausbleiben, ist das für die Priester im Talar kein echtes Problem. Für die Nerds im Laborkittel hingegen schon. Natürlich verweisen die statt dessen auf die Zukunft, aber das geht eben nicht endlos. Irgendwann muß die Zukunft ja mal da sein.
Aber ebenso wie ihre  von vornherein unwissenschaftlichen Ökonomenkollegen weigern sich die meisten Disziplinen hartnäckig, in Erwägung zu ziehen, daß schon vor Jahrzehnten bestimmte Dinge völlig zufriedenstellend gelöst worden sind. Niemals kann die Vergangenheit Lösungen für eine Zukunft haben, das ist ausgeschlossen. Was im Archiv ist, existiert nicht, könnte man sagen.

Die heutige Zeit traut sich nichts mehr und traut sich auch nicht mehr. Selbst die Dystopien haben immer ein Happy Chapter.

In GATTACA zeigt am Ende der nicht genetisch optimierte ältere seinem jüngeren Bruder, daß man es eben doch in ein Raumfahrtprogramm schaffen kann. Trotz körperlicher Einschränkungen. Außerdem zeigt er, daß das Überwachungssystem eben betrogen werden kann. Das eigene Leben ist nicht rein genetisch bestimmt, der Mensch mehr als nur die Summe seiner Gene.
Das ist als Aussage richtig und beruhigend. Aber trotzdem wird sich das System dadurch nicht ändern, sollte unser Raumfahrer vom Titan zurückkehren.
Auch Andy Weirs phantastischer „Marsianer“ geht den letzten Schritt nicht. Er vermeidet ihn in seiner Geschichte klugerweise. Denn zwischen den Zeilen lockt immer noch die Möglichkeit, daß Mars eines Tages doch mit Menschen besiedelt sein wird. In Wahrheit aber wird dieser Tag niemals kommen. Doch damit beschäftigt sich Weirs Geschichte nicht. Die heldenhafte Rettung des Protagonisten ruft vielmehr die alte Losung: „Wir können alles schaffen, wir müssen nur wollen. Und brauchen genug Technik.“
In Panem wird am Ende der Präsident getötet. Aber was sollte das für Auswirkungen auf das System haben? Die Erde und das ehemalige Land bleiben weiter ruiniert. Und die Diktaturzentrale Kapitol ist tatsächlich mächtiger als das von ihr beherrschte Volk.
In Children of Men taucht dann doch noch eine schwangere Frau auf und muß um jeden Preis beschützt werden. Als würde die Geburt eines Erlöserkindes etwas daran ändern, daß die Erde von einer vollidiotischen Säugetierspezies versaut worden ist.

Manchmal, nur manchmal, überkommt mich das Gefühl, daß mir innovative Gedanken, vielleicht sogar gefährliche Gedanken, sehr viel lieber sind als das sedierende Konsumzeug, mit dem heute sabbernd vor dem Bildschirm abhängende Zivilisationsmitglieder so gefüttert werden.
Mir ist es lieber, daß Gedanken die Welt anzünden, als in einer Welt zu leben, in der durchschnittlicher Wohlfühlkonsens, und sei er auch für eine noch so unbedeutende Minderheit oder selbsternannte Randgruppe wichtig, jegliche Aufwallung ernsthaften Nachdenkens bereits im Ansatz unmöglich machen möchte, während im Hintergrund die Müllberge menschlicher Unfähigkeit tatsächlich bereits vor sich hin schwelen.
Während Orwell in seiner berühmten Dystopie Sprache reduziert, ertränken wir sie in bedeutungslos werdenden Begriffen. Entweder durch sinnlose Diversifizierung oder durch permanente Ausdehnung eines Begriffs, bis er keinen Inhalt mehr hat, weil er alles umfassen kann. Bis so etwas wie „Nazi“ oder „Faschismus“ letztlich nur noch ein Störgeräusch ist. So lange, bis es keinen Sinn mehr ergibt, überhaupt über irgendein Thema zu reden.

Wir brauchen neue Geschichte. Neue Geschichten. Solche, die sich durch harte Wissenschaftlichkeit auszeichnen. Geschichten, die einen neuen Bezug zu einer Realität herstellen, die auf uns zukommt.
Bedauerlicherweise ist das auch eines der größten Probleme. Denn das neue Narrativ darf und wird keine Rücksicht auf das Alte nehmen, das Überkommene, die Gewohnheit, die etablierten Sichtweisen. Es ist sogar ganz im Gegenteil feste Aufgabe dieser neuen Erzählungen, eben das nicht zu tun. Eine neue Kunst als Vorbereitung einer neuen Zeit. Keine Romantik. Keine nebelverhangenen Burgen wie im Impressionismus. Stattdessen Ereignisse mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit. Kühles Denken über die Zeit, die auf uns zukommt. Denn das tut die Zeit so oder so. Ob wir darauf vorbereitet sein werden oder nicht.

Bild 2: Los Angeles im Jahre 2059
So werden die Städte der Zukunft aussehen. Eine perfekte Mischung aus Wohnen und ansprechendem Entertainment. Denn wenn heute nicht ihr Haus zusammenbricht, schafft es vielleicht der Wolkenkratzer nebenan. Aber wen interessiert das, solange die Burrritos heiß sind?
Screenshot aus dem Film ,,Idiocracy“, 2006

Auf der CES in Las Vegas, der global größten Ausstellung für Konsumelektronik, wird gerade wieder die digitale Gadgetwelt gefeiert. Sofern nicht der Strom ausfällt, natürlich. Wobei ich das Szenario für eindeutig zukunftsweisend halte.
Bald wird bestimmt jemand eine App erfinden, mit der wir die Welt retten können.
Jeden Tag hören wir mehr und mehr von den vielfältigen Lösungen für unsere vielfältigen Probleme.
Üblicherweise sind diese Lösungen verbunden mit dringendem Handlungsbedarf. Wir brauchen politischen Konsens, unbedingt. Und natürlich müssen wir die Probleme nur noch etwas mehr mit menschlicher Genialität bewerfen. Und Geld.
Dinge ändern sich, so geht die aktuelle Geschichte, aber es gibt nichts, was wir nicht hinkriegen würden. Wissenschaft, Baby!
Wir müssen nur die Schlagzahl erhöhen bei Forschung und Entwicklung. Wozu weniger Kohlendioxid, wenn wir das schon morgen wieder aus der Atmosphäre herausfiltern werden? Gegen eine Gebühr, versteht sich.
Wir müssen uns schneller bewegen, flexibler, innovativer. Wir müssen mehr „nachhaltig“ werden. Also irgendwie grün, aber auf jeden Fall profitabel.
Alles wird gut werden. Es gibt hier nichts zu sehen. Es wird weiterhin Wachstum geben, weiterhin Fortschritt. Es wird so sein, weil es so sein muß, und deshalb wird es so sein. Etwas anderes ist undenkbar. Alles wird gut.

Ich denke nicht, daß alles gut wird. Ich bin sogar sicher, daß ich das gar nicht will, wenn ich mir die aktuellen Auffassungen von Fortschritt und Innovationen so ansehe.
Innovativ ist es heute, wenn man absolut wissenschaftlich daran geht, völlig unwissenschaftlichen Mist verwirklichen zu wollen. Wie fliegende Autos. Schon wieder. Oder immer noch, denn die Idee ist ein Jahrhundert alt. Es gibt bei diesem Konzept keine technischen Umsetzungsprobleme. Es ist einfach so, daß die Eigenschaften eines guten Flugzeugs ein verdammt mieses Auto ergeben und umgekehrt. Man nennt das „Physik“, aber davon wollen Technikjournalisten wohl nichts hören.

Ich denke, die Wahrheit des Mannes in seiner Bambushütte am Rande der Gesellschaft ist dieselbe wie die des Mathematikers vor dem Thron des Kaisers der Galaxis: Der Untergang des Imperiums ist nicht zu verhindern. Mit keinem Mittel, daß dieses Imperium selber zur Verfügung stellen könnte. Zu dogmatisch seine Wissenschaften, zu erstarrt sein Denken, zu unreflektiv und verbohrt seine Machtmenschen.

6 Comments

    1. Ein sehr ehrenvoller Versuch, ja. Aber auch hier geht das Buch einfach mehr in die Tiefe. In den Kopf der beteiligten Personen. Das schafft Kino einfach nicht. Wem ist aufgefallen, daß der Koch des Hotels ein Mann namens Dick Halloran ist? Der mal als Soldat in einer Kleinstadt namens Derry stationiert war?
      In der einen Verfilmung von „Es“, die es mal gab, kommt der Mann gar nicht vor, glaube ich. Das sind so Feinheiten, die einfach verlorengehen.

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  1. In mir steckte etwas, das ich nicht ausdrücken konnte. Fühlen? Ja. Aussprechen oder aufschreiben? Nein. Du hast es heute getan, danke!

    „Manchmal, nur manchmal, überkommt mich das Gefühl, daß mir innovative Gedanken, vielleicht sogar gefährliche Gedanken, sehr viel lieber sind als das sedierende Konsumzeug, mit dem heute sabbernd vor dem Bildschirm abhängende Zivilisationsmitglieder so gefüttert werden.
    Mir ist es lieber, daß Gedanken die Welt anzünden, als in einer Welt zu leben, in der durchschnittlicher Wohlfühlkonsens, und sei er auch für eine noch so unbedeutende Minderheit oder selbsternannte Randgruppe wichtig, jegliche Aufwallung ernsthaften Nachdenkens bereits im Ansatz unmöglich machen möchte, während im Hintergrund die Müllberge menschlicher Unfähigkeit tatsächlich bereits vor sich hin schwelen.“

    Ja. Das ist es. Danke!

    Antworten

    1. In mir steckte etwas, das ich nicht ausdrücken konnte. Fühlen? Ja. Aussprechen oder aufschreiben? Nein. Du hast es heute getan, danke!

      Aber gerne doch. Es ist mir eine innere Lichterkette 🙂

      Ich sehe grad, Du hast dein Blogschema renoviert. Schick, schick 🙂

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  2. – Der Unterschied ist lediglich, daß wir nicht die Vergangenheit anbeten. Wir verehren die Zukunft. Ausschließlich.
    Ganz im Gegenteil besteht unsere Wissenschaft sehr oft vehement darauf, daß Blicke in die Vergangenheit nur von der Zukunft ablenken. Die wiederum wird so sein wie heute, nur noch digitaler. Auch unsere Wirtschaftstheorie, die strenggenommen gar keine solche ist, beharrt darauf, daß Vergangenheit ausschließlich für staubige Archivare oder so gut sein kann. –

    Das sehe ich nicht so. DIE Wissenschaft gibt es nicht und gab es nie. Vernunft lässt sich korrumpieren und hat derweil selbst eine Halbwertzeit bzw. uns wird stets tragisch bewusster, dass die Kulturwerdung einen Preis hat, also auch die Vernunftwerdung – dies wiederum ermöglicht Kritik wie diese im Modus des Internet-Blogs. Absurd aber wahr. Weil es so ist, haben wir überhaupt Zukunft. Wer hat denn sonst eine? Die Erde? Nur im Rahmen, was wir denken und wollen! Ein Tier? Tja. Man mag viel von Tierrechten reden, aber Tiere haben keine Zukunft. Ich könnte einer Katze nie erklären, warum sie reumütig sein sollte. Nur wir kennen den Tod, haben ihn schließlich erschaffen und haben nun Angst davor. Zu recht. Unkontrollierte Zeit will niemand.

    In den antiken Mythen fängt alle Kultur nicht unfreiwillig tragikomisch mit einem Betrug an (siehe Prometheus-Mythos). Das Wissen ist sui generis korrumpiert. Da ist die Notwendigkeit und der Sinn von Kulturkritik schon angelegt, also gar nicht der blinde, permanente Schritt nach vorne, sondern der reuige, sündhafte Schritt nach vorne verbunden mit der stets drohenden Hybris (siehe Ikarus oder Phaeton). Dass das Gestern doch reiner und besser war, wussten schon andere Mahner. Aber es geht um die menschliche Ermächtigungsgeste und die damit unverbrüchlich zusammenhängende Scham, die nicht mehr trennbar sind, das heißt nichts anderes, als das der Mensch immer schon seine Fähigkeiten und Zukünfte mit seinen Unfähigkeiten und der Vergangenheit in Relation setzt: wir verehren also nicht die Zukunft!!! Wir haben Angst vor ihr und müssen unsere eigene Zeit schaffen, stets dringender und unversöhnlicher als zuvor. Der Grund dafür ist plausibel: Kultur zu haben bedeutet die Erzeugung von Eigenzeit zu besorgen, was wiederum bedeutet in Disproportion zu Gott und Natur leben zu müssen, also seine eigen Zukunft besorgen zu müssen. Ganz heideggerianisch eigentlich.

    Zudem, auch wenn es keiner sagt und offen artikuliert, bedeutet unsere heutige Kultur nichts anderes als immer schon modern-gestrig zu sein. In unseren Grundlagen, auch der Gesellschaftskritik, bauen wir auf die Lebensleistung vergangener Organismen auf. Sicherlich wurden die obigen Zeilen nicht bei -6 Grad Celsius im Freien geschrieben. Wäre auch unsinnig. Unser Sklavenheer ist vorzeitlich. Wir wissen nur ungenaues, aber wollen wissen, um noch mehr ausbeuten zu können. Doch Wissen und Ausbeutung sind sinnvollerweise verknüpft. Die Relationen unseres Lebens selbst sind fast kosmisch: ein globales Menschenjahr in der Jetztzeit verschlingt durchschnittlich die Lebensleistung fossiler Organismen von ca. 650000 Jahren. Das wissen wir nur, weil wir ausbeuten, aneignen. Ernst Bloch träumte wie so viele andere von einer Allianz von Natur und Kultur im Rahmen einer wohltätigen Technik.

    Nun ist der Mensch aber allein zuständig für alles. Da sehe ich das Problem. Das ist tragisch und oft beschrieben, so sehr eindrucksvoll wie bei Aischylos kaum je nochmal. Da gehen auch mal Sachen schief und ungerade und man sollte auch großzügiger sinnieren, als im Pathos des Untergehenden. Der Mensch muss den Schritt ins Unheil gehen, zugleich Heil suchen, ihn auch finden, wobei ihn realiter und narrativ verlieren – den Sinn, sich den oder die entsprechenden Götter dazu denken, sich spiegeln in diesen und jenen und weil er die Erde in ihrer Gesamtheit nicht erkennen kann zu allem Überfluss auch noch zum Monde fliegen und von dort aus sehen wie klein er ist und unabdingbar und ungeheuerlich (Aischylos), weil er nicht weiter hinaus kann, sich aber zugleich bestaunt für das Vermögen etwas zu können wozu er nicht beschaffen ist, wobei, dann auch zurückkehren, sich wieder verzwergen, also landen, zu Hause landen muss, die prometheische Scham spüren, auf seinem Popelplaneten.

    Dieser ganze kulturkritisch-kitschige Abgesang ist nichts weiter als ein Ernst in der Angst dem Tod begegnen zu müssen und die Erde oder der Planet muss als Symbol herhalten für das Ego. Wer wirklich etwas weiß und wissen will, wird gewusst haben und wissen, dass das Wissen eine Tragödie ist. Wissende sind Opfer und Täter, Tyrannen und Widerständler.

    Ach was weiß ich. Pataphysiker bin ich auch nicht. Ich wünschte ich könnte mich besser in meinem Text häuslich einrichten, wie es dem Autor, den ich zu kommentieren versuche, es vermag. Die Welt ist so sie bald (hoffentlich) untergeht, heimatlich und gemütlich, simulativ und kommentiert untergegangen. Im Text sowieso schon, seit Urzeiten. Perfekt. Man muss die Kritik genießen. Wie einen guten Wein.

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    1. wir verehren also nicht die Zukunft

      Ähmmmm…abgesehen von dem ausführlichen, aber doch stellenweise etwas nebulösen Charakter deiner vorherigen Ausführungen antworte ich hier mit einem eindeutigen: Doch! Tun wir.

      Menschen wie Elon Musk, die große Ikone des kapitalgetriebenen Innovationswesens, verspricht den Traum von „alles fährt weiter Auto, nur eben meins, und das ist elektrisch“. Ansonsten sorgt sich der Herr darüber, daß so etwas wie ein Weltkrieg III die menschliche Fähigkeit gefährden könnte, den Mars zu kolonisieren.
      Zweifel an der generellen Machbarkeit und Sinnhaltigkeit dieses Unternehmens hat er keine. Das ist die Art von Zukunftsvergötterung, die ich meine. Wir erschaffen keine Zukunft. Die Zukunft besteht eben oft aus „so wie heute, nur besser.“

      Was ich nicht meine, ist ein „früher war alles besser“. Klingt manchmal so, ist aber nicht so.

      Unser Sklavenheer ist vorzeitlich.

      Unser Sklavenheer ist mitnichten vorzeitlich. Es ist fossil. Zeit gab es da auch schon. Zeit hat immer Bedeutung, auch in Abwesenheit jeglicher Exemplare der Gattung Homo 😉
      Das ist ein Punkt, den ich meinte.

      Und ganz im Ernst: Du mußt an der Durchdringungsfähigkeit deiner Texte arbeiten. Du klingst wie Gregor Gysi nach der achten Flasche Wein am Kamin mit Nietzsche im Endstadium seiner geistigen Entwicklung, während sich Kant im Hintergrund mit Dobrindt zu unterhalten versucht 😀

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