Präsidenten, die auf Hamster starren

,,In order to maintain our way of living, we must tell lies to each other, and especially to ourselves.”

Derrick Jensen, Endgame

Kennt hier jemand Goodrich Petroleum? Nein? Nun, ich kenne die auch nicht persönlich, aber das ist eine von ziemlich vielen Frackingfirmen in den USA, die sich da seit einigen Jahren so kräftig mit Gas und Erdöl beschäftigen und die USA energieunabhängig machen werden.
Zumindest hat die Presse Amerikas und auch Deutschlands das immer wieder verkündet. Die Propheten eines neuen, glorreichen fossilen Zeitalters waren kaum zu bremsen mit ihren Lobeshymnen.

Der Begriff „energieunabhängig“, den wieder mal irgendein völlig bewußtloser Schreiberling im Regierungsbunker zwischen Koks und Kaffee morgens um drei erfunden haben muß, ist natürlich erst einmal völliger Schwachsinn, eine Ausgeburt der ökonomischen Propaganda. Ein Begriff, den Milton Friedman, der miese kleine Marktradikalist, der leider viel zu spät von uns gegangen ist, erfunden haben könnte. Ich werde solchen Unsinn daher in Zukunft einfach mal „Milton-Sprech“ nennen, so als Äquivalent zum Neusprech in Orwells 1984. Warum ist der Begriff Schwachsinn?
Schlicht und einfach aus dem Grund heraus, daß eine Wirtschaft – sei sie kommunal, auf Größe eines Dorfes oder auf Größe einer Nation, niemals „energieunabhängig“ sein kann. Sie war es nie, sie ist es nicht und sie wird es niemals sein.
Wenn ich einer Wirtschaft jede Energie entziehe, passiert mit ihr exakt dasselbe, was mit einem menschlichen Körper, einer Pflanze oder jedem anderen Lebewesen in dieser Galaxis und diesem Universum passiert: Sie stirbt. Sofort und unwiderruflich. Eine energieunabhängige Wirtschaft ist eine, die nicht existiert. Außer in den Köpfen von gedungenen Propagandisten in Regierungsbunkern.

Abgesehen von dieser Tatsache ist Goodrich Petroleum pleite. Ganz im Gegensatz zur Namensgebung, die ich hier einfach als wohl übertrieben optimistisch brandmarken möchte, ist nichts an den Zahlen dieser Firma gut oder verspricht besonderen Reichtum. Außer für den Insolvenzverwalter, der sich jetzt um die Reste des Ladens kümmern wird.
Falls er dazu noch kommt, denn Insolvenzverwalter für Firmen, die nach Chapter 11 der US-Gesetze Gläubigerschutz anmelden – also Abwicklung unter Aufsicht – haben derzeit sicherlich alle Hände voll zu tun im Wirtschaftswunderland des Öls.
Goodrich Petroleum war ungefähr Nr. 50 auf der Liste von Firmen, die allesamt der Öl- und Gasbranche angehören und in den letzten Monaten pleite gegangen sind.

Nun ja, ich hatte da schon immer so meine Zweifel am angekündigten Energieboom, seitdem aus dem Führerhauptquartier in Washington der Einsatz der neuen Wunderwaffe angekündigt worden war. Ich empfehle dem geneigten Leser, einmal die Kommentare unter diesem Artikel hier zu lesen.
Das war vor ziemlich genau vier Jahren. Wie da einige Leute auf den Putz gehauen haben mit irgendwelchen Öl- und Gasreserven, die sie nicht einmal sprachlich auseinanderhalten können, ist heute schon sehr lustig zu lesen. Ich hingegen lehne mich genüßlich zurück und behaupte jetzt nicht, daß ich das ja damals schon gesagt hätte. Aber ich habe es ja damals schon gesagt.
Alleine die Frage, warum die USA nie aufgehört haben, Öl aus anderen Ländern zu importieren, wenn sie doch selbst genug für 500 Jahre haben, sollte bei normalen Menschen irgendwo mal das Logik-Gatter A20 im Hirn anwerfen.
An so manchem Medium des deutschen Qualitätsjournalismus sind die Tatsachen aber schon sehr stark vorbeigegangen. Noch 2014 titelte Die Welt: „USA exportieren wieder Erdöl im großen Stil“. Der Autor machte dann auch gleich diesen von ihm proklamierten Fakt verantwortlich für die Preise, die zu fallen begannen, damals im Sommer. Ist halt nur blöd, daß die USA niemals Erdöl im großen Stil irgendwohin exportiert haben.
Korrekt ist, das damals das Exportverbot gelockert wurde. Das hatte aber nichts mit Exporten zu tun, sondern mehr mit knapper Raffineriekapazität. Da unverarbeitetes Öl laut altem Verbot die USA aber nicht verlassen durfte, hat man schlicht die Regeln geändert. Man könnte also sagen, die Deppen bei Springer waren entweder mal wieder nicht informiert oder haben wieder fleißig Desinformation betrieben. Also Propaganda erzählt. Oder gelogen.

Meine Schätzung im Jahre 2012 war, daß spätestens ab 2016 in normalen Zeitungen, also denen, die sich jetzt nicht speziell mit Wirtschaftsfragen oder anderem beschäftigen, Artikel auftauchen würden in dem Tenor: „Ist der Ölboom vorbei?“
Gut, in dem Falle habe ich geirrt, Artikel dieser Art erscheinen gehäuft bereits seit dem letzten Jahr. Das liegt aber daran, daß die Preise so rapide zu sinken begannen, ein Szenario, daß ich persönlich zwar einmal angedacht hatte, aber selber ebenfalls für sehr unwahrscheinlich hielt. Schade eigentlich, hätte ich damals schon gebloggt und das geschrieben, würde mich heute wahrscheinlich irgendwer für sinnlose Talkshows im Fernsehen buchen.
Aber man kann nicht alles haben, außerdem blogge ich lieber aus meiner Bambushütte am Rande der Gesellschaft. Wenn ich alleine so dran denke, mit was für einem Gesindel man heutzutage in so einer Talkshow zusammentreffen würde – igitt. Doch zurück zum Öl.

Jetzt könnte man sich so denken: „Oh Gott, schon wieder Öl. Was geht es mich an, die Preise beim Tanken sind angenehm. Immer feste drauftreten im SUV und nach mir die Sintflut.“

Nun ja, das Problem liegt darin begründet, daß die Preise eben zu niedrig sind. Die meisten Frackingfirmen haben bereits Verluste gemacht, als die Ölpreise noch im dreistelligen Bereich lagen. Was sie aber seit fast zwei Jahren nicht mehr tun.
Es ist auch nicht so, daß die Industrie nicht reagiert hätte. Man hat beispielsweise die Anzahl der Rigs verringert, das ist das Äquivalent zum Bohrturm im Meer, nur eben an Land. Von einer Plattform gehen mehrere Bohrungen aus, um das umliegende Gestein mit den jeweiligen Wasser-Sand-Chemie-Gemischen aufzubrechen und so and Öl und Gas ranzukommen, das in diesen Gesteinen festsitzt.
Um so ein Ding bauen zu dürfen, braucht man eine Anmeldung und eine Konzession. Die Anzahl der Anmeldungen für derartige Vorhaben ist seit Ende 2014 um mehr als zwei Drittel gesunken. Wenn es aber immer weniger Bohrplattformen gibt, muß es irgendwann auch weniger Förderung geben. Bis etwa Mitte 2015 stieg aber die Menge an gefördertem Gas und Öl in den USA noch an. Wie ist das möglich?

Die Begründung ist simpel. Die jeweiligen Betreiber haben mehrere Plattformen durch eine ersetzt, die aber mehr Bohrungen runterbringen kann und somit eventuell sogar mehr Öl fördert. Man nennt das „Erhöhung der Produktivität“ oder „Effizienzsteigerung“ im Marketing- und Milton-Sprech. Problem an dieser Sache ist, daß man eben dafür weniger Leute braucht, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Auch das erhöht die Produktivität, klare Sache. Ergo müßte die Anzahl der Beschäftigten in der Frackingindustrie irgendwann einmal sinken, ebenso wie die Förderrate.

Das ist auch tatsächlich derzeit der Fall. Mehrere hunderttausend Amerikaner haben inzwischen ihre Jobs in der Branche verloren. Auch die Förderzahlen sind seit letzten Sommer sinkend, wenn auch nicht ganz so steil, wie man das angenommen hatte. Unter anderem auch ich. Der Rückgang der Ölförderung kommt später, als ich erwartet hätte, und er verläuft bisher kurvenmäßig flacher, als ich erwartet hätte. Aber er ist zweifellos da. Die USA haben ihren Peak Fracking erreicht und überschritten, was ich auch letztes Jahr bereits geschrieben hatte.
Die EIA, die Energy Information Administration, das ist eine Unterabteilung des US-Energieministeriums, rechnet mit 100.000 Barrel Öl weniger in jedem Monat in diesem Jahr. Noch immer importieren die USA also fleißig Öl und Gas, und das, um hier einmal George Dabbelbush zu zitieren, „oft aus dem Ausland.“

Saudi-Amerika, wie es einmal hieß, war von Anfang an nichts als Propaganda. Wollt ihr das totale Öl?

„Saudi-Amerika“ hat sich also niemals wirklich materialisiert. Wie ich das schon 2012 geschrieben hatte, allerdings nicht hier. Natürlich bedeutet das auch eine schlechte Zeit für die ganzen Industrien drumherum. LKWs, die Wasser zu den Frackingstellen fahren und Abwasser abholen. Irgendwelche Leute, die Containerdörfer für die Arbeiter an den Bohrstellen errichten. Die Leute, die in der Containerdorf-Kneipe die Burger braten, servieren und das Bier zapfen. Die Anwälte, die den Bewohnern solcher Gebiete die Bohrkonzessionen abschwatzen, damit der Frackingzirkus ihr Wasser verseuchen kann. Die Zulieferer wie Halliburton und andere, die für Bohrgestänge, Hydraulikpumpen und das ganze werkzeugtechnische Drumherum zuständig sind. Aktuell hat Halliburton, einer der von mir meistgehaßten Industriekonzerne des Planeten, sogar eine geplante Fusion abgeblasen. Offiziell wegen kartellrechtlicher Probleme, aber eben nicht nur deswegen. Es ist schlicht keine Finanzmasse vorhanden. Der ganze Rattenschwanz, der so am Frackingwahnsinn teil hat, bekommt aktuell massive Probleme.
Die einfache Lösung wäre, jetzt weniger Öl zu fördern. Dann verschwindet der aktuelle Überschuß vom Markt und die Preise sollten wieder steigen, zumindest rein theoretisch. Tatsächlich passiert das auch bereits. Betrug das Plus an Öl täglich noch etwa 1,5 Millionen Barrel mit Ende 2015, liegt es aktuell bei weniger als der Hälfte. Die Marketingpapageien sprechen schon ständig davon, daß der Ölmarkt bald wieder im Gleichgewicht sein werde und dann wird alles gut. Wir können Auto fahren bis zum Ende der Welt. Genau dieses Ende der Welt könnte schneller kommen als erwartet. Denn es gibt da ein weiteres, klitzekleines Problem: Geld.

Wie bereits einmal erwähnt, verdienen Firmen ziemlich wenig, wenn die Preise am Weltmarkt unter den Gestehungskosten eines Produkts liegen.
Die obige Lösung, weniger Öl zu fördern, ist keine. Denn eine Firma, die Öl aus Fracking fördert oder eben Gas, hat nichts anderes, womit sie handeln kann. Um also die Kredite abzubezahlen, die man aufgenommen hat, um die ganze Aktion überhaupt anleiern zu können, muß die jeweilige Firma weiter Öl fördern. Und sie muß es verkaufen, ungeachtet des schlechten Preises. Die Alternative wäre, die Förderung einzustellen. Dann hat man aber eben gar kein Geld mehr, um Raten und laufende Kosten zu bezahlen, und das wäre das Ende. Also fördert man weiter, es hilft alles nichts. Dummerweise spült jede Firma damit mehr Öl auf einen bereits übersättigten Markt, also bleiben die Preise niedrig. Womit sich die Finanzsituation vieler Firmen weiter verschlechtert.
Die zwischendurch steigenden Förderzahlen im Jahr 2015 waren also nicht Positives, sondern der Versuch einer Industrie, ihr eigenes Sterben zu verhindern, indem der Hamster im Laufrad mit Steroiden und Amphetaminen gedopt wird, auf das er schneller rennen möge. Das klappt nur bis zu einem gewissen Maß, bevor der Hamster dann mit einem letzten Furz zur Seite kippt und tot ist.
Und es ist ein ziemlich fetter Hamster, das muß jetzt einfach mal gesagt werden.
Insgesamt schätzt man die angehäuften Schulden der Fracking-Industrie in den USA auf etwa 2,5 Billionen Dollar. Diese Schätzung stammt nicht von Greenpeace oder den Herstellern von Windfarmen und Solarzellen. Sie entstammt einer Studie des Economist, die sind jetzt nicht für besonders ökologisches Denken bekannt in der Branche.
Diese Leute, die da schreiben, interessieren sich eben für Geld, daher halte ich ihre Zahlen in dieser Beziehung für durchaus verläßlich. Insgesamt ist hierbei wohl noch eine Dunkelziffer zu erwarten. Denn die ganzen Ölffracker und ihre Banken haben dasselbe getan wie seinerzeit die Immobilienhaie, die Versicherungen und Hedge-Fonds. Sie haben die mit Ölwerten besicherten Kreditpapiere an die Börsen gebracht, in hübschen bunten Paketen mit Schleifchen und Glitzer obendrauf.
Aus diesem Verhalten entstand dann die Finanz- und sonstige Krise, in der wir uns offiziell noch immer bewegen, die aber keine Krise ist, wie ich schon mal erwähnt hatte.
Ebenso wie 2008 weiß jetzt allerdings niemand mehr so genau, welche Werte in welchen Paketen eigentlich so genau liegen und ob die jetzt gut sind oder eher faul. Der tatsächliche Hüftumfang des Hamsters dürfte also noch deutlich höher liegen.

Auch eine Firma namens Deloitte hat sich mal mit dem Ölhamster auseinandergesetzt, in einer Studie im Februar diese Jahres. Diese Leute interessieren sich ebenfalls wenig für Umweltschutz oder anderes kommunistisches Zeug wie Gesundheitsversorgung für alle oder Wasser, das womöglich nicht von Privatkonzernen ausgebeutet wird, sondern den Leuten gehört, die halt in der jeweiligen Gegend so wohnen. Kurz und gut, Deloitte ist irgendwelcher Öko-Propaganda stark unverdächtig in meinen Augen, das ist eine Horde von BWL-Typen mit Krawatte und Uni-Diplom. Diese Jungs gehen davon aus, daß bis zu 35% aller unabhängigen Spieler auf dem Öl- und Gasmarkt bis Ende dieses Jahres den Bach runtergehen könnten. Gefolgt von weiteren 30% im nächsten Jahr. Das wären dann eine ganze Menge Ölfirmen. Die wiederum Mitarbeiter haben und Zulieferer und Kreditrahmen. Der Hamster beginnt also, zunehmend an Übergewicht zu leiden, habe ich den Eindruck.

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Bild 1: Titelblatt des „Economist“ vom März 1999.
Thema war die Ölschwemme der 90er Jahre, die zu Preisen von 10 Dollar pro Barrel geführt hatte – und nach Meinung der Autoren würde das auch die nächsten 20 Jahre so bleiben. Screenshot aus der BBC-Doku-Reihe „Planet Oil“

„Alles kein Grund zur Panik!“ höre ich da bereits die Milton-Sprecher ausrufen.
In der Tat erwarte ich für den Fall irgendwelcher Pleiten, daß genau das passieren wird. Die Hans-Werner Sinns und alle anderen seiner Sorte werden aus ihren Elfenbeintürmen herabsteigen und uns erzählen, daß das alles nur die längst erwartete „Korrektur des Marktes“ ist und alles gut wird. Oh, und das man den Mindestlohn abschaffen muß, natürlich. Das ist ja für einen Herrn Sinn so etwas wie das „delenda carthago“.
Es wird also sein wie immer. Die Kleinen gehen pleite, die Großen kaufen die Reste auf, die Produktivität wird erhöht und alles wird so weitergehen wie immer. Der Markt gewinnt, die Globalisierung ist alternativlos. Der Hamster ist gar nicht tot, der läuft weiter!

Da gibt es allerdings wieder ein Problem mit dem elenden Nagetier. Es existiert nämlich noch eine von diesen verdammten Studien, aus dem Dezember des letzten Jahres. In der werden vierhundert der größten Öl- und Gasfelder weltweit auf ihre Profitabilität untersucht, allerdings nicht die in den USA. Doch auch so sind die Zahlen dort unangenehm und versprechen nichts Gutes für den Hamster.
Insgesamt werden hier etwa 930 Milliarden Dollar an Investitionsvolumen benannt, die schlicht und einfach nicht profitabel sind, wenn der Ölpreis für die Sorte Brent – das ist das Nordseeöl, der weltweite Handelsmarker – unter 70 Dollar pro Barrel liegt. Ein guter Teil dieser Projekte benötigt Preise von mehr als 90 oder 100 Dollar. Aktuell hat sich das Öl etwas erholt, aber wir liegen preislich so bei Mitte 40 Dollar, da sind selbst die unteren Schwellenwerte noch einen Zacken weiter weg.
Der Fachausdruck hierfür heißt „stranded assets“. Übersetzt heißt das: „Du, der du hier investiert hast, lasse alle Hoffnung fahren!“

Denn ohne eine deutliche Preiserholung werden diese Gelder niemals Gewinne erwirtschaften können. Was natürlich für die Rückzahlung entsprechender Kredite nicht Gutes verheißt.
Auch diese Studie kommt nicht von Leuten, die besonders grün sind, es sei denn, es ist das Grün von Dollarscheinen. Sie ist nämlich von GoldmanSachs, den widerwärtigen Investmentbankern und Finanzzockern, die jetzt noch jeden Tag in Schampus baden und sich über die große Wirtschafts- und Finanzkrise amüsieren, die sie selber mit ausgelöst haben und die ihnen so prächtige Gewinne beschert hat. Mit Geld zocken können diese Leute also, das ist mal sicher.

Der Hamster läuft auf Reserve. Wie die ganze Erdölindustrie auch.

Der aktuelle Zustand des Ölhamsters ist also besorgniserregend. Es ist so schlimm, daß sich jede Menge Investoren Sorgen machen, ob es überhaupt noch Sinn ergibt, in der fossilen Branche zu investieren. Eine Bande, die sich „Carbon Tracker Initiative“ nennt, so ein überbezahlter Think Tank, der Investmentrisiken analysiert, kommt zu dem Schluß, daß innerhalb der nächsten 10 Jahre etwa 2,2 Billionen an Investmentsummen gefährdet sind, wenn das Risiko des fortschreitenden Klimawandels mit bedacht wird. Echte Billionen, als0 2.200 Milliarden.
Auf deutsch: Wer da noch in Öl und Gas investiert, läuft große Gefahr, das Geld zu verlieren. Keine gute Zukunftswertung also an dieser Stelle.
Was die weiter oben genannten Großen angeht, die dann ja sicherlich die Kleinen aufkaufen, so habe ich auch da schlechte Nachrichten.

Kennt jemand Peabody Energy?
Das ist der größte Kohleschürfer des Planeten, der in Privatbesitz ist. Beziehungsweise war. Denn letzten Monat hat dieser Laden die Flügel gestreckt und Gläubigerschutz beantragt in den USA. Die sind also pleite.
Jetzt ist Kohle auch nicht das allerfortschrittlichste Zeug, um Energie zu gewinnen, deswegen waren Kohleförderer ohnenhin nicht auf der Käuferliste für die womöglich sterbenden Erdgas- und Ölfracker. Aber in der Studie, die letzten November nach dem Klimagipfel veröffentlicht wurde, stehen noch ganz andere Namen.
Alle werden sie im Zusammenhang mit den stranded assets genannt, also den Investitionen, die man besser nicht machen sollte. Die Liste der Risiko-Hamster liest sich wie ein Who is Who der Industriebranchen.

In a prescient report published last November, Carbon Tracker identified the energy majors with the greatest exposures—and thus facing the greatest risks—from stranded assets: Royal Dutch Shell, Pemex, Exxon Mobil, Peabody Energy, Coal India and Glencore. QUELLE

Zu Shell muß ich wohl nicht viel sagen, den Laden mit der Muschel im Wappen kennt wohl jeder. Die Zahlen dahinter sind 265 Milliarden Dollar Umsatz in 2015 mit 93.000 Mitarbeitern weltweit.
Die Pemex ist die staatliche Ölgesellschaft Mexikos, einem Land, das seinen Peak Oil auch bereits einige Jahre hinter sich hat. Etwa seit 2005, als Cantarell, das größte Ölfeld des Landes – und das zweitgrößte des Planeten – seinen Abstieg begann, was seit 2008 auch ganz offiziell bestätigt ist. Mexiko wird also zunehmend Probleme damit haben, die USA mit Öl zu beliefern.
Das tun die Mexikaner tatsächlich, dafür kriegen sie Gas aus den amerikanischen Frackingquellen. Muß man nicht verstehen, ist aber so. Pemex macht so 118 Milliarden Dollar Umsatz (2013) und verzeichnet etwa 140.000 Mitarbeiter.
ExxonMobil ist ein direkter Nachfolger von Rockefellers Standard Oil Company und eines der wertvollsten Unternehmen der Welt. Zumindest noch. Mit satten 438 Milliarden Dollar Umsatz und etwa 77.000 Mitarbeitern auch kein kleiner Hamster.
Das die Lage ernst ist, sieht man bereits daran, daß eben dieser Laden für das erste Quartal des Jahres nur 1,8 Milliarden Gewinn ausweist. Wenn es schon bei Exxon langsam knirscht, wie lange werden dann viel kleinere Wettbewerber noch durchhalten?
Nun, Peabody hatten wir gerade schon erwähnt, die sind tot.
Coal India klingt irgendwie nach Entwicklungsland, ist aber der global größte Kohleförderer in staatlichem Besitz. Das Unternehmen verzeichnet etwa 377.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von über einer Billion. Allerdings in Rupien. Nach aktuellem Kurs sind das in US-Dollar nur etwa 15,71 Milliarden, aber immerhin.

Der letzte Name, der in der Studie auftaucht, ist – Tusch! – Glencore.
Ich hatte mich über dieses Unternehmen schon einmal ausgelassen, nämlich hier.
Dieses mit weltgrößte Rohstoffhandelsunternehmen ist das zweitgrößte Unternehmen der Schweiz, hatte 2015 einen Umsatz von etwa 170 Milliarden Dollar und 156.000 Mitarbeiter weltweit. Übertroffen wird es übrigens nur noch von der Vitol B.V., die sind noch größer und das umsatzstärkste Unternehmen in der Schweiz mit über 300 Milliarden. Aber die schummeln, denn die handeln auch noch mit Energie und sind eine ganze Gruppe aus Unternehmen. Die Vitol steht nicht in der Studie der CTI, aber da diese Jungs auch mit Biotreibstofen, Erdgas und Ölbevorratung rummachen, werden die gegen den aufziehenden Sturm auch nicht unempfindlich sein
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß also auch die großen Energie- und Rohstoffirmen eindeutig zu stark mit sich selbst beschäftigt sein werden, um irgendwen anders aus der Branche zu retten oder aufzukaufen, sollte sich diese Sache mit den niedrigen Preisen und angehäuften Schulden noch weiter durch das Jahr ziehen. Bei den genannten Firmen handelt es sich um einen ganz erheblichen Anteil am Rohstoffhandel weltweit, das geht also weit über „nur“ Öl hinaus. Sollten Riesen wie Glencore zusammenbrechen, bedeutet das nicht weniger als das Ende der Globalisierung, und zwar abrupt.

Das Szenario scheint weit hergeholt und übertrieben, ist aber eindeutig nicht besonders unwahrscheinlich. Die Analyse von Goldman zieht beispielsweise nur die normale Marktdynamik mit in Betracht bei der Risikoeinschätzung. Die Tatsache, daß eben nur noch ein Teil der fossilen Brennstoffe überhaupt verbraucht werden darf aufgrund der fortschreitenden Klimazerstörung, wird dabei gar nicht berücksichtigt. Es gibt ein bestimmtes Budget, das Mensch noch aufbrauchen darf, und wir verbrauchen es aktuell sehr schnell. Natürlich streiten sich Industrie, Politik und Klima-Nerds noch um die genaue Größe in Gigatonnen, aber es ist unzweifelhaft, daß wir einen guten Teil des fossilen Sonnenlichts nicht auch noch in Rauch aufgehen lassen können, ohne uns dabei selber zu erledigen.

Unruhe in Sachen Energie und Finanzen könnten die nächste US-Präsidentschaft überaus aufregend gestalten. Von wegen, Rohstoffe und Wirtschaftskram sind langweilig!

Ein Mann namens Jamie Caruana hat neulich in einer Rede vor der London School of Economics gesagt, daß die ausstehenden Kredite der Öl- und Gasförderer sich zwischen 2006 und 2014 auf 3 Billionen Dollar verdreifacht haben.
Eigentlich sollten diesen Schulden Werte in Höhe von etwa 9 Billionen gegenüberstehen. Durch den Verfall des Ölpreises ist es aber nicht mal mehr die Hälfte der Schulden, also weniger als 1,5 Billionen. Jeder, der mit so einer Bilanz als Prvatmensch einen Kredit bei seiner Bank haben wollte, hätte da sehr schlechte Karten. Caruana ist auch kein Niemand, er arbeitet bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, also der Bank für die Zentralbanken., der Über-Bank, quasi.

Es erscheint mir insgesamt unwahrscheinlich, daß sich die Ölpreise auch nur annähernd schnell genug erholen werden, um eine Pleitewelle in der Industrie zu vermeiden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Wirtschaft der USA in den nächsten Monaten wieder in die Rezession abgleiten. Meiner Meinung nach ist sie das bereits, aber Ökonomen sehen das ja gerne mal etwas anders. Aber mit Ende des Jahres oder Anfang 2017 werden auch statistische Schiebereien es nicht mehr verbergen können, denke ich.

Der nächste Präsident der USA wird im Herbst gekürt und wird im Januar sein Amt antreten. Ich habe neulich bereits anderswo die Vermutung geäußert, daß auch die Wahlen in den USA für eine Kandidatin Clinton nicht so einfach verlaufen werden, sollten sich die Wirtschaftswerte drüben bis zum November verschlechtern. Ich bin davon überzeugt, daß sie das tun werden.
Eine ausgewachsene Krise auf dem Energiemarkt würde die Wähler der USA sicherlich stark beeinflussen, denn die Amis hängen sehr an ihrem Spritpreis, das ist immer ein Politikum. Es ist sogar jetzt schon eins. Denn die USA haben etwas, daß wir in Deutschland noch nicht so lange haben: kein Sozialsystem.
Was wiederum bedeutet, daß Mitglieder dieser Schicht, die man „Arbeiter“ nennt und die einer Ms Clinton völlig unbekannt sind, sich selber privat um ihre Altersvorsorge kümmern müssen. Beliebt sind hierbei Pensionsfonds. Hier zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Geld ein, das Geld wird irgendwo und irgendwie angelegt und am Ende des Arbeitslebens wird monatlich was ausgezahlt. Dazu kommen Garantiezinsen und es gibt unterschiedliche Modelle. So kann beispielsweise auch nur der Arbeitgeber einzahlen, die Beiträge werden dann arbeits- oder tarifvertraglich geregelt. Es gibt auf jeden Fall sehr viele Menschen in den USA, die so etwas haben. Ebenfalls sehr viele haben im Laufe ihres Lebens auf Lohnerhöhungen verzichtet, wenn der Arbeitgeber sich zu höheren Zahlungen an die Pensionskasse verpflichtete. Das kennt man aus Deutschland auch. Hier verpflichten sich Arbeitgeber gerne dazu, niemanden zu entlassen, dafür gibt es weniger Geld und weniger Freizeit oder so. Dann halten sich die Arbeitgeber nicht dran und entlassen die Leute trotzdem.

0063-02 Chillarys Schadenfreude

Bild 2: Das Grau…ähmmm…Hillary Clinton im Freudentaumel, weil sie mal wieder Bernie Sanders ausgebootet hat. Es ist sehr fraglich, ob ihre Freude lange anhalten wird, sollte sie in 1600 Pennsylvania Avenue der Nachmieter sein.

In der US-Variante ändert der Gesetzgeber die Regeln und Pensionsfonds dürfen plötzlich ihre Zahlungen verringern.
Die Begründung dafür ist üblicherweise, daß sie sonst pleite gehen würden. Das kennen Deutsche von ihren Lebensversicherungen in letzter Zeit.
Besonders bitter wird die Sache, wenn man sich vor Augen führt, daß es sich um einen der größten Pensionsfonds der USA handelt und die Kürzungen ein Überleben nur für das nächste Jahrzehnt garantieren sollen. Was passiert also danach, wenn man einer der Pensionäre ist?
Ich stelle mir jetzt auch gespannt die Frage, wie viele solcher Fonds eigentlich in Öl und Gas investiert haben. Und welche Summen?
Als BP damals, im Jahre 2010, bei der Katastrophe mit der Deep Water Horizon den Golf volltankte, waren die Schadensersatzforderungen immens. Bis dann jemand mal in Großbritannien darauf hinwies, wie viele Fonds denn eigentlich so an BP beteiligt sind. Ergebnis war, daß mehr als ein Drittel aller britischen Arbeiter ihre Altersvorsorge verlieren könnten, sollte der Konzern pleite machen. Auch die lauten Stimmen der USA wurde schnell sehr viel leiser, als jemand feststellte, daß „British Petroleum“ inzwischen zur Hälfte längst American Petroleum ist.

Dazu kommt natürlich noch, daß der nächste Präsident der USA, wer immer es sein mag, trotzdem mit dem Energie- und Schuldenproblem zu tun haben wird, sei es noch im Wahlkampf oder später. In Zeiten wirtschaftlicher Schwäche neigen Menschen zu Sündenbockmentalität, Nationalismus und Radikalisierung. In Deutschland wählen die dann AfD oder machen politische Zombie-Apokalypse mit dieser Partei, die beim letzten Mal endlich aus dem Bundestag rausgewählt wurde, und das fünfundzwanzig Jahre zu spät. Wenn der große, dicke Hamster sterben sollte, wird das interessante Zeiten mit sich bringen.

Ich bin sehr gespannt, in welchem Zustand sich die USA befinden werden, wenn der 20. Januar 2017 heraufzieht und die Vereidigungszeremonie für Mr. President Nummer 45 stattfindet.
Oder Ms Präsident, von mir aus. Aber ich hatte ja schon gesagt, daß die kleine pelzige Alien-Kreatur, die auf dem Kopf von Donald Trump lebt und seinen Körper steuert, die Wahlen gewinnen wird. Ich vermute, daß sehr viele Amerikaner alleine deshalb Trump ihre Stimme geben werden, weil er eben nicht Hillary Clinton ist.
Es könnte sein, daß Trump auf einer Welle wirtschaftlicher Unsicherheit ins Oval Office gespült wird, aber dann auf einem Schleudersitz landen wird, um den ich ihn nicht beneide. Sollte es doch Hillary sein, die dann da die Möbel umstellt, gilt für sie das gleiche.

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