„Derjenige, der etwas zerbricht, um herauszufinden, was es ist, hat den Pfad der Weisheit verlassen.“
Gandalf zu Saruman
Es gibt da diese schöne Geschichte von den blinden Männern und dem Elefanten. Nach allem, was ich weiß, stammt die Geschichte aus Indien, was ja auch annähernd logisch wäre, denn da gibt es Elefanten.
Falls das jemand nicht kennt, die Geschichte geht etwa so: Eine Gruppe blinder Männer begegnet einem Elefanten. Von den lauten Geräuschen des Tiers sehr deutlich auf dessen Existenz hingewiesen, beschließen die Männer verblüfft, einen der ihren loszuschicken, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Der erste Blinde erwischt ein Bein des offensichtlich gutmütig gestimmten Dickhäuters und kehrt zu seinen Kollegen zurück, um ihnen zu berichten, es handle sich bei der Quelle der Geräusche wohl um eine Art Säule.
Der zweite Mann erwischt den Schwanz des Elefanten und erzählt etwas von einer Art Seil. Der dritte erwischt eines der Ohren und spicht von einem Fächer. Der vierte wiederum berührt die Flanke des Elefanten und spricht von einer Wand. Der fünfte erwischt den Rüssel und spricht von einer Art Schlange. Der sechste berührt einen Stoßzahn und sagt, das Etwas müsse eine solide Röhre sein.
Die Geschichte existiert in unterschiedlichen Varianten. Mal ist die Zahl der Männer anders, mal sind sie nicht blind, sondern es ist ein dunkler Raum. Es gibt Unterschiede in der Art der Auflösung. Einmal streiten sich die Männer gewalttätig, in anderen Versionen diskutieren sie die Sache friedlich. Auch die Art und Weise der Beschreibung der Körperteile differiert.
Die von mir präsentierte Version beruht auf einer Übersetzung dieser Parabel ins Englische, die aus dem 19. Jahrhundert stammt und die bei uns im Westen wohl am besten bekannte Variante darstellt.
Die Geschichte wird gerne als ein Gleichnis angeführt, um besonders religiöse Streitigkeiten darzustellen. Denn gerade Theologen sind wunderbar in der Lage, über Dinge zu zanken, die sie niemals gesehen haben. Da macht es keinen Unterschied, welcher Religion der jeweilige Oberpriester so angehören mag.
In Wirklichkeit stellt die Geschichte eben die Frage: „Was genau ist Wahrheit und wie kommen wir da ran?“
Jeder der Männer beschreibt das, was er fühlt und somit erfahren hat, nach bestem Wissen und Gewissen. Aber dummerweise ist eben jedes der erfassten Dinge, von den Schlappohren bis zum Rüssel, eben nur ein Teilaspekt der Wahrheit, die da lautet: Elefant.
Die Begrenzung auf einen religiösen Aspekt erscheint mir in diesem Zusammenhang unsinnig. Denn auch in den Natur- oder Sozialwissenschaften ist es heute nicht anders. Die heutigen Oberdenker würden als Biologen den Elefanten in Taxonomien einordnen, die Biochemiker sein Blut analysieren, die Zoologen oder Dermatologen würden sich um die Haut kümmern, die Physiker oder Evolutionsbiologen die Kräfteverteilung innerhalb des Skeletts bestimmen. Außer der religiösen Blindheit kommt hier also auch die wissenschaftliche hinzu. Egal, ob unter dem Mikroskop oder mit dem Herumtasten von Händen blinder Männer – der Elefant in seiner Gesamtheit wird mit keiner dieser Methoden erfaßt.
In Wahrheit zeigt diese Geschichte ein grundlegendes Problem in der Art und Weise auf, wie Mensch die Welt begreift. Die angesprochene Blindheit ist Teil von uns.
Manchmal wird sie uns anerzogen, manchmal beruht sie auf einem Mangel an Erfahrung. Am gefährlichsten sind aber die Blindheiten, die immer unausgesprochen innerhalb unserer Kultur mitschwingen.
Wir sind Reduktionisten, wir Menschen. Die einen reden nur über Politik, die anderen nur über Wirtschaft, wobei sie hierbei nur irgendwelche Finanzen meinen oder krakelige Linien auf digitalen Dashboards, die irgendwie anzeigen sollen, was denn die Welt so wert ist. Wobei nur der Teil der Welt angezeigt wird, der auch an der Börse gehandelt wird in dem Moment. Aber das macht die Sache ja nicht weniger reduktionistisch.
Auch die religösen Blinden sind nicht weniger reduktionistisch. Früher gab es mal hunderte von Göttern, so was gehörte zur Grundausstattung eines ordentlichen Volkes dazu. Ob das jetzt griechische Typen auf dem Olymp waren oder römische Typen, die nicht auf so einem Berg wohnen, sondern woanders. Ob jetzt ägyptische Götter oder babylonische – wer in der Antike ein ordnungsgemäßes Imperium gründen wollte, brauchte einen ordentlichen Pantheon.
Das haben wir heute auch sehr viel einfacher gestaltet. Irgendwann kam die Idee auf, daß ja ein Gott für alles zuständig sein könnte. Was kein Problem ist, man muß den Typen nur allmächtig machen. Gut, wäre man einer der anderen Götter, würde man dadurch schlagartig arbeitslos, aber das ist ja dann mehr ein Problem der himmlischen Sphären und keins der Menschen.
Die heutigen religlös Blinden haben das noch weiter auf die Spitze getrieben mit dem Reduktionismus. Alle, die im Besitz des einen „wahren“ Glaubens sind, haben kein Problem mit dem Elefanten, denn der ist mit Zauberstab und magischem Staub natürlich vom jeweiligen Gott erschaffen worden. Damit hat man auch jedes wissenschaftliche Problem gleich mit wegreduziert, was das eigene Weltbild deutlich übersichtlicher gestaltet.
Echte Wissenschaftler sind zumindest meistens noch in der Lage zuzugeben, daß die Sache mit dem Elefanten wohl doch etwas kompliziert ist.
Am besten sind aber auch hier die Wirtschafts„wissenschaftler“. Die stehen immer rum und sagen: „Lautes Trompeten? Ich höre kein lautes Trompeten!“
Nein, so etwas wie die Wahrheit ist auf jeden Fall keine Frage des Reduzierens, soviel ist sicher. Ich bin natürlich auch nicht dagegen gefeit. Im Gegenteil, komplexe Fragestellungen müssen einfach im Kopf auf einfache Dinge heruntergebrochen werden, sonst kann man sie nicht gut erfassen.
Was aber die meisten Menschen nicht tun, ist, die erhaltenen Puzzleteile auch wieder zusammenzusetzen. Denn nur dann kann man den Elefanten sehen. Ein Großteil aller Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftler und der ganze andere Haufen, der vorgibt, er wäre dafür gemacht, die Welt zu regieren, analysiert immer nur ein Puzzlestück und behauptet anschließend, das jeweilige Problem sei total gelöst.
Dabei ist auch das Zusammensetzen der Puzzlestücke noch nicht alles.
Denn danach muß man sich fragen, wie sich die Teile gegenseitig beeinflussen. Erst dann beginnt man zu verstehen, was „Elefant“ eigentlich ist, anstatt ihn nur in seiner ganzen Gestalt zu sehen.
Aber auch hier ist die Angelegenheit noch nicht vorbei. Denn der Elefant an sich steht nicht allein in der Gegend rum. Der muß ja irgendwo leben. Und was fressen. Sich irgendwie vermehren, was vermutlich mindestens einen weiteren Elefanten erfordert, der irgendwo existieren muß.
Zumindest hier kann die reduktionistische Weltsicht unserer sogenannten Wissenschaften durchaus weiterhelfen: Die Zoologen und die anderen können auf jeden Fall herausfinden, ob der Elefant sich nun mit Sex oder ohne vermehrt. Insofern ist also diese Art Forschung und Wissenserwerb, die wir heute als die völlig normale Methode ansehen, nicht völlig unnütz.
Allerdings hätte man diese Frage auch beantworten können, indem man den verdammten Elefanten einfach lange genug beobachtet. Und zwar in seinem verdammten Dschungel oder auf seiner verdammten Savanne, wenn es sich um ein Exemplar aus Afrika handeln sollte.
Wissenschaft gibt vor, das Bild der Welt insgesamt zu erfassen. In Wirklichkeit zertrümmert sie es.
Der zentrale Ansatz, um so etwas wie die Wahrheit™ zu finden, ist also das, was man Holismus nennt. Alles hängt irgendwo mit allem zusammen.
Die modernen Wirtschafts„wissenschaften“ scheitern hier üblicherweise schon an der Basis, da sie davon ausgehen, daß so was wie „Natur“ etwas vollkommen Abstraktes ist, das außerdem nur eine untergeordnete Teilmenge der Wirtschaftstheorie darstellt. Denn für Ökonomen ist Wirtschaft das alles beherrschende System.
Echte Wissenschaften verhalten sich ganz ähnlich, wenn auch meistens nicht so komplett idiotisch oder ignorant wie die Wirtschaftler.
Aber auch hier wird fleißig reduziert. Eine große Sache wird in kleine Teile zerlegt, diese werden untersucht und am Ende behauptet einer, er habe das Problem gelöst. Was, wie schon erwähnt, dummerweise nicht stimmt, da man sich eben die ganze Zeit gar nicht mit dem Elefanten befaßt hat, sondern nur mit dem Rüssel. Oder dem Bein.
Letztlich haben die Naturwissenschaften das Bemühen, alles zu erklären, indem sie das uns umgebende Universum in immer kleinere Splitter zerlegen, die man dann zu deuten versucht. Auch vor den Geisteswissenschaften macht dieser Hang zur Quantifizierung von eigentlich allem nicht mehr länger halt.
Überall wimmelt es von statistischen Kenngrößen, von Markern für irgendwelche Dinge und von Formelkram. Nichts soll mehr unbeschreibbar bleiben und dazu muß man es in irgendwelchen Formeln und Zahlen erfassen können. Alles ist vorherbestimmt und greift ineinander. Diese Auffassung der Welt als einer großen Maschine geht zurück auf Zeiten eines Galilei, eines Newton, eines Descartes. Wie bei einer Maschine sind in dieser Weltsicht alle Ereignisse durch ihre jeweiligen Vorbedingungen eindeutig festgelegt. Aus dem, was war, wird das, was ist. Und daraus kann man das erschließen, was werden wird.
Auf den ersten Blick scheint das ja exakt das zu sein, was ich hier in diesem Blog tue und auch meine Grundeinstellung wiederzugeben, nämlich eine naturwissenschaftliche. Allerdings gibt es da ein kleines Problem: Das Wort „eindeutig“. Gerade, wenn es um die Zukunft geht, ist das mit der Eindeutigkeit so eine Sache.
In konsequenter Ausprägung an diesen festen Glauben, daß alles erfassbar und erklärbar sein muß, suchen Physiker heute nach der Weltformel, der „Theory of Everything“, die die Eigenschaften Einsteinscher Physik und Quantenmechanik verbinden soll. Die ultimative Erklärbär-Formel für alles, was die Welt im Innersten zusammenhält, um mal einen deutschen Dichter zu bemühen.
Es ist nicht so, daß ich einen Physiker wie Stephen Hawking nicht für einen völlig grandiosen Denker halte, aber ich weiß exakt, was seine Jahre des Grübelns letztlich der Physik bringen werden, was die ToE angeht: Nichts.
Ich bin mir sicher, daß irgendwer mal irgendwann den ganzen esoterischen Formelkram durchdringen und dann in seiner revolutionären Arbeit Bezug nehmen wird auf Mr Hawking. Und dann wird man sagen: „Ja, dieser Mann war der Vordenker von etwas Neuem, noch nie Dagewesenen.“
Nur mit der Weltformel hat das eben alles nicht viel zu tun. Hawking, dieser Mann, der seit mehr als vierzig Jahren von geborgter Zeit lebt, weil er nach medizinischem Ermessen an seiner schweren Krankheit längst hätte sterben müssen, ist durchaus irgendwelchen genialen Dingen auf der Spur. Nur werden sich diese als etwas völlig anderes herausstellen, als man das eventuell heute noch glaubt, da bin ich mir völlig sicher.
An dieser Stelle zeigt sich deutlich, wie unsere Auffassung von Zeit als einer meßbaren Basisgröße im Zusammenspiel mit einer reduktionistischen und deterministischen Weltsicht der Wissenschaften zu etwas kristallisiert ist, das man simpel in einem Wort ausdrücken kann: Kontrolle.
Es geht immer um Kontrolle.
Wissenschaften, und damit heutzutage auch so ziemlich alle Menschen unserer globalen modernen Gesellschaft, denken in Kategorien, die nach dem Problem-Lösung-Schema ablaufen. Wenn Pferdedroschken zu viel Lärm verursachen, erfindet halt einer den Verbrennungsmotor und das Auto. Wenn wir zum Mond fliegen wollen, erfinden wir Raketen, führen zwischendurch noch einen Krieg, um das zu perfektionieren und fliegen dann eben zum Mond.
Wir wollen riesige Städte in klimatisch so ungünstige Gegenden bauen wie Dubai oder Florida? Wir erfinden Klimaanlagen.
Wir haben ein Problem mit der Nahrungsmittelerzeugung? Wir ballern giftiges Zeug auf eßbare Pflanzen und geben Dünger in den Boden, bis umliegende Flußläufe in Algen ersticken und man das ganze Zeug kaum noch essen kann. Aber wir ernten pro Hektar die vierfache Menge Getreide.
Wir haben zuviel Müll? Dann verbrennen wir ihn halt einfach.
Da kommen ganz viele Flüchtlinge? Wir schließen die Grenzen. Oder wir öffnen sie einfach. Oder wir bestechen einen Despoten wie Erdogan, damit er seine Grenzen dicht hält.
Im Jahre 1905 veröffentlichte ein Mann, der sich schon länger mit der theoretischen Physik beschäftigte und eigentlich im Patentamt der Stadt Bern arbeitete, einen Aufsatz im Journal „Annalen der Physik“. Der Mann war natürlich Albert Einstein, aber diese erste Arbeit, der Einstein in diesem Annus mirabilis der Physik noch drei weitere folgen lassen würde, hatte nichts mit der später so berühmten Relativität zu tun.
Unter dem gruseligen Titel „Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichts betreffenden heuristischen Gesichtspunkt“ publizierte Einstein seine Arbeit über den photoelektischen Effekt. Allerdings ist diese Arbeit keineswegs weniger sensationell als die späteren Veröffentlichungen zur Relativitätstheorie, denn die Physik hatte anfangs des 20. Jahrhunderts für den Effekt keine Erklärung.
Alle gemessenen Daten widersprachen der bis dahin als unverrückbar angesehenen Vorstellung vom Licht als einer Welle. Geklärt wurde dieses heute als Welle-Teilchen-Dualismus des Lichts bekannte Phänomen erst später, von einer Disziplin, der Einstein Zeit seines Lebens eher unfreundlich bis skeptisch gegenüberstand: der Quantenmechanik. Als kleine Anekdote der Geschichte erhielt Einstein 1921 den Nobelpreis für Physik für eben diese Arbeit über den Photoelektrischen Effekt und nicht, wie immer viele Leute annehmen, für seine berühmte Relativitätsformel.
Der Herold dieser neuen Disziplin war ein anderer, nämlich ein Kerl namens Werner Heisenberg. Der formulierte 1925 als erster diese neue Sparte in der Physik in mathematischer Form und formulierte 1927 dann das, wofür er berühmt werden sollte, ein Ding, das sich Unschärferelation nennt. Kurz zusammengefaßt besagt diese Theorie, daß man bei einem Teilchen – Physiker beschäftigen sich ja gerne mit Teilchen, wobei hier Elementar- und nicht Kuchenteilchen gemeint sind – entweder den Ort oder den Impuls genau bestimmen kann.
Das steht in deutlichem Widerspruch zur deterministischen Theorie eines Descartes oder Newton oder auch Einstein. Denn nach dieser Auffassung müßte man ja beides exakt bestimmen können und wenn was nicht paßt, muß man halt nur genauer messen. Nach Heisenbergs Aussage ist das aber nicht möglich.
In der Quantenmechnik werden deshalb nur Wahrscheinlichkeiten für Aufenthaltsräume angegeben, was übersetzt bedeutet: „Wir glauben, das Teilchendingsbums ist jetzt ungefähr genau da“.
Eine weitere Kernaussage der Quantenmechanik ist zudem, daß der jeweilige Beobachter mit seiner Messung das jeweilige System stört. Messe ich also einen Impuls, störe ich damit den Ort und umgekehrt. Bei Kuchenteilchen ist das einfacher. Wenn ich danach greife, erwische ich die normalerweise auch einwandfrei und kann anschließend Konsistenz und Geschmack bestimmen. Aber Kuchen ist eben makroskopisch.
In der Science-Fiction-Welt trifft man immer wieder auf die Auswirkungen dieser Denkweisen. Beim berühmten Beamen in der ebenso berühmten Serie Star Trek werden Dinge – unter anderem Captain Kirk – in ihre winzigkleinsten Teilchen zerlegt. In der ersten Serie aus den 60er Jahren ging man noch davon aus, das wären halt die Atome. Als die zweite Serie startete, in den 80er Jahren, waren die inzwischen zahlreichen Fans natürlich beim Diskutieren längst darauf gekommen, daß Atome ja, im Gegensatz zur griechischen Bedeutung des Wortes, eben nicht unteilbar sind und aus noch kleineren Einheiten bestehen. Um jetzt also Captain Kirk oder den allseits berühmten Bordarzt Dr. „Pille“ McCoy einwandfrei kopieren zu können, muß also der Bordcomputer der Enterprise auch solche Sachen wie Elektronen, Protonen und Neutronen erfassen können.
Exakt auf dieser Ebene wird es schwierig. Wenn jetzt nämlich die Orte und andere Eigenschaften nicht exakt bestimmt werden können, klappt das vielleicht nicht mit der Datenerfassung, was eventuell für lebende Objekte beim Beamen unangenehme Folgen haben könnte. Wie zum Beispiel das Ableben.
Da sich Star Trek in den 80ern längst zu einer Kultserie entwickelt hatte und dann auch so etwas wie elektronische Post aufkam – denn die gab es schon vor dem Internet – wiesen mehrere Milliarden Fans der Serie die Paramount Studios darauf hin, daß die Sache mit dem Beamen so nicht funktionieren würde. Die Antwort der Seriendesigner ist ein Gerät, das sich sinnigerweise „Heisenberg-Kompensator“ nennt und in der Serie „Next Generation“ erstmals auftauchte, wo es dann Ingenieuren wie einem Geordi LaForge oder einem Chief Miles Edward O’Brien Ärger bereiten durfte.
„Beam mich bloß nicht, Scotty!“
Warum man doch lieber das Shuttle nehmen sollte.
Hier kann man wiederum sehr schön erkennen, wie das Gehirn von Drehbuchschreibern funktioniert. Wenn Heisenberg sowas gesagt hat, kompensieren wir ihn eben einfach weg. Problem erkannt, Problem gebannt. Gefragt nach dem „Wie funktioniert das Ding?“ mußten die Paramount Studios natürlich mit den Achseln zucken, denn darum hatten sich die Seriendesigner nicht gekümmert. Schade eigentlich, denn mit einer ausführlichen Erläuterung hätten sie den Nobelpreis für Physik gewonnen, und zwar auf der Stelle. Aber natürlich muß es in einem reduktionistischen Universum eine Lösung geben für ein Problem, klare Sache.
Ich merke ausdrücklich an, daß man für die Zerlegung des Objektes beim Beamen die atomaren Bindungskräfte aufheben müßte, was dasselbe ist, was in einer Atombombe ebenfalls geschieht, und zwar sehr schlagartig. Anders gesagt würde die Umgebungtemperatur schlagartig auf Werte ansteigen, die sowohl das Transportobjekt als auch besagte Umgebung sauber vernichten dürften.
Dr. McCoy hatte also immer vollkommen recht, wenn er darauf bestanden hat, sich mit einem Shuttle transportieren zu lassen. Nein, ich bin ein Star-Trek-Fan, aber das mit dem Beamen würde so nicht klappen, da machen wir uns mal nichts vor.
Der kleine Witz am Rande ist hierbei, daß der Erfinder von Star Trek, Gene Rodenberry, das Beamen extra erfunden hatte, um in der Serie die sonst notwendigen Landeszenen mit einer Raumfähre zu sparen. Diese wären nämlich aufwendig gewesen und somit auch teuer, das Budget gab das aber nicht her.
Die Zerstörung der Vorbestimmtheit der Welt nahm dann in den 60er Jahren konkretere Züge an, als die Chaostheorie aufkam. Diese Theorie entsteht exakt aus dem Zusammenprall der üblichen Sicht des Universums und der Tatsache, daß sich das Univerum eben nicht immer so verhält.
Die von mir schon einmal erwähnte Wetterforschung hatte in den 40er Jahren, der sogenannten Goldenen Zeit der Science-Fiction, immer wieder Romanautoren dazu verleitet, ihre jeweiligen Sternenreiche mit der Möglichkeit der Wetterkontrolle auszustatten. Eines der berühmtesten Beispiele dürfte zweifellos der Planet Kaitain sein, auf dem der Imperator des bekannten Universums sitzt und auf dem ein Satellitennetzwerk dafür sorgt, daß über dem Imperialen Palast immer das richtige Wetter bestellt werden kann.
Frank Herbert war hier mit seinem ersten Roman des Dune-Universums spät dran, denn der erschien 1965. Zu diesem Zeitpunkt wurde aber zunehmend deutlich, daß es eben makroskopische Systeme gibt, die in ihren Ausgangsbedingungen zwar linear sind, deren weitere Entwicklung sich aber trotzdem nicht exakt vorhersagen läßt. Das Wetter ist ein solches System. Bekannt geworden ist diese Erkenntnis letztlich als der berühmte Schmetterling, der mit den Flügen schlägt und damit Stürme auslöst.
Kein SF-Autor würde es heute noch wagen, so etwas wie Wetterkontrolle in seine Romane zu schreiben. Solche Dinge kommen heute nur noch im Kopf von Leuten vor, die an Chemtrails glauben oder die so etwas wie die Tatsache, daß man Wolken im gewissen Maße zum Abregnen zwingen kann, indem man sie mit Siberjodid impft, für echte Wetterkontrolle halten.
Auch die aktuelle Klimazerstörung, der große Bruder der Wettervorhersage, ist ein nichtlineares System. Wir können also sagen, was in den Ozeanen so vor sich geht, beispielsweise, daß das Wasser hier immer saurer wird. Wir können auch sagen, daß sich diese Übersäuerung negativ auf die Korallenriffe auswirkt und auf diverse Planktonarten, die dadurch ihre Kalkpanzer nicht mehr ordentlich ausbilden können.
Es sind übrigens diese winzigkleinen Lebewesen, die etwa 50% des Sauerstoffs in der irdischen Atmosphäre liefern. Sollten die also alle mal beschließen, jetzt tot umzufallen, wird das Auswirkungen auf den gesamten Planeten haben. Das ist ein bißchen wie mit den Honigbienen.
Was wir nicht genau wissen, ist eben, wie schnell dieser Prozeß sich fortsetzen wird, denn erst neulich hat sich herausgestellt, daß sich in größeren Meerestiefen die sogenannten Methanhydrate destabilisieren. Wenn aber Methan durch mehrere hundert Meter Meerwasser blubbert, kommt es zwar nicht an die Oberfläche und kann das Klima erwärmen, aber es säuert den Ozean in seinem Zerfallsprozeß.
Der fundamentale Gedanke unserer wissenschaftlichen Weltsicht ist Kontrolle. Das hat handfeste Auswirkungen auf die Realität, in der wir leben.
Wir leben gar nicht, wie die Wissenschaften seit Jahrhunderten angenommen haben, in einem linearen Universum, das eine große Maschine ist. Wir leben in einem unscharfen Universum, in dem Mensch sich einer großen und unangenehmen Erkenntnis stellen muß: Kontrolle ist eine Illusion. Absolute Kontrolle ist eine absolute Illusion.
Die in uns allen fest eingebaute und anerzogene Sicht der Welt als etwas, das man in mathematische Formeln zerlegen kann, um es dann besser kontrollieren zu können, ist falsch.
Diese Art des Denkens führt zu Geheimdiensten und Politikern, denen es nicht gelingt, irgendeine neue Technologie nicht zur Überwachung der Bevölkerung einzusetzen, da es für diese Menschen schlicht unmöglich ist, sich eine Welt vorzustellen, in der es Ereignisse gibt, die sie nicht kontrollieren können.
Morgen wird die Kanzlerin aller Deutschen ihre große Konferenz auf europäischer Ebene abhalten, um diese Sache mit den Flüchtlingen in den Griff zu bekommen. Denn vor sechs Monaten hatte sie ja gesagt, daß wir das schaffen, wir Deutschen.
Daran habe ich persönlich auch wenig Zweifel, denn ein Land, das Hitler überlebt hat, wird auch mit ein oder zwei Millionen Flüchtlingen fertig.
Dummerweise hatte Frau Merkel halt vergessen, uns allen mal mitzuteilen, wie man das denn alles schaffen soll. Wäre ich Kämmerer einer faktisch längst völlig insolventen Kreisstadt im Ruhrgebiet und kriegte vom Land nur die Hälfte meiner Kosten erstattet, die die Flüchtlinge nun einmal so mit sich bringen, würde ich da mal nachfragen wollen.
Auch sonst ist alles aus den Fugen geraten. Ausgerechnet der türkische Sultan Erdogan, der von Menschenrechten und Pressefreiheit so gar nichts hält, wird mächtig hofiert und diktiert der Kanzlerin seine Bedingungen, damit die Türkei sich irgendwie darum kümmert, die ganzen aus Syrien und dem Irak flüchtenden Menschen aufzuhalten und zu verwahren. Unser toller Innenminister hat auch schon angesagt, daß wir in Deutschland ja nicht immer so als Schiedsrichter für Menschenrechte auftreten sollten.
Womit Herr de Maizière Menschenrechte mal eben als optional betrachtet, mehr so unverbindliche Vereinbarungen. Humanismus? War halt auch nur so eine Idee – hahaha! Ich kann kaum noch in Worten ausdrücken, wie sehr ich diesen Mann eigentlich verachte. Übrigens sollte diese Auffassung auch Journalisten in Deutschland sehr zu denken geben.
In ihrem Verlangen, weiterhin Kontrolle auszuüben und ein „Problem“ mit einer Lösung zu versehen, trampelt die Politik in den letzten Monaten über alle Prinzipien hinweg, auf die unsere Gesellschaft gegründet sein sollte.
Dabei übersieht sie völlig, daß da eben keine Probleme vor der Tür stehen, sondern Menschen. Sie übersieht völlig, daß auch europäische Politik der letzten Jahrzehnte dafür verantwortlich ist, daß die Lage sich so präsentiert wie heute. Die ausgehandelte Waffenruhe in Syrien scheint hier die Ursachen von Flucht zu bekämpfen und ist sicherlich auch begrüßenswert.
Allerdings hatte Rußland schon 2012 vorgeschlagen, man könne Assad ja durch jemand anderen ersetzen und den Krieg beenden, solange denn Rußlands Einfluß in der Region nicht geschwächt werde. Aber damals wollte niemand darauf hören und jetzt würde Assad bei einem Friedensschluß eben bleiben, wo er ist. Da aber Assad eine der Ursachen für Flucht ist, würde sich daran also auch mit einem Frieden wenig ändern. Die Flucht würde nur langsamer verlaufen.
Auch aus anderen Ländern flüchten Menschen nach Norden und somit nach Europa. Sei es Libyen oder weiter südlich gelegene Länder, die vor lauter klimatischem Streß nicht mehr wissen, wie sie ihre Bevölkerung ernähren oder mit Wasser versorgen sollen.
Diese Ursachen für Fluchtbewegungen werden weiter erhalten bleiben und entziehen sich einer politischen Lösung. Klimawandel, oder besser, Klimazerstörung, ist eben kein Problem. Es ist ein Dilemma, und Dilemmata haben keine Lösung.
Frau Merkel wird sich hinstellen und einem Diktator wie Erdogan alle Zugeständnisse machen, die es braucht, um den Flüchtlingsandrang abzumildern. Sie wird auf dem EU-Gipfel die anderen Länder auffordern, sich an bestehende Regelungen zu halten, ohne zu erkennen, daß alleine die Tatsache, daß man so etwas tun muß, bereits alles über den aktuellen Zustand der EU sagt. Weder Ungarn noch Polen, weder Frankreich noch Großbritannien haben großes Interesse an einer Verteilung der Flüchtlinge auf ihre Länder. Diese Länder wollen das schlicht nicht.
Am Ende wird man wenig erreichen und der Verrat Europas an den eigenen Prinzipien wird das Mißtrauen gegen die etablierte Politik hierzulande weiter verstärken und das zu Recht.
Oder Frau Merkel hat Erfolg, dann wird aber dieser Erfolg den unwilligen Ländern als etwas erscheinen, daß ihnen wieder einmal von der unbeliebten deutschen Kanzlerin, der ungekrönten Herrscherin Europas, aufgezwungen wurde. Ganz egal, was passiert, Europa wird also weiter auseinanderdriften, so viel ist eigentlich völlig sicher.
Die hier von mir gemachte und eher philosophische erscheinende Feststellung, daß unsere gesamte Weltsicht ein paar schwere Macken hat, ist eben doch keine rein philosophische Sache. Unser Blick auf die Welt mit seinem Hang, die Dinge zu zerbrechen, um ihre Funktion zu ergründen, hat durchaus Auswirkungen im alltäglichen Bereich. Die scheinbaren Paradoxien, von denen wir umgeben sind, ergeben sich aus einer fehlerhaften Auffassung über die Welt an sich.
Das elefantöse Titelbild entstammt der digitalen Feder von MarkVog auf Deviant Art. Alles Lob dorthin.