Krise? Welche Krise?

– I –

Ablenkung vom Wesentlichen

„Then the shit hit the fan.“
John Kenneth Galbraith

Die Ruhe zwischen den Jahren ist Vergangenheit. Das 2016te Jahr nach dem vorherrschenden Kalendersystem unserer Zivilisation ist angebrochen und alle Leute scheinen plötzlich wieder viel weniger Zeit zu haben als noch vor ein paar Tagen.
Was natürlich Unsinn ist, denn eine planetarische Rotation dauert ja exakt genauso lang wie sonst auch. Eben 86.400 Sekunden, auch wenn mir niemand je verraten konnte, wie lang genau denn jetzt eine dieser Sekunden ist. Doch kaum hat die Erde auf ihrer Reise um die kleine, völlig aus der Mode gekommene Sonne Sol in der äußersten Westside der Galaxis erneut begonnen, sich von dieser zu entfernen – was für mich als Bewohner der nördlichen Hemisphäre zunehmende Tageslänge bedeutet – da ist das gerade erst aus der Packung gebröselte Schaltjahr schon dabei, den Wahnsinn der umgebenden Welt wieder auf die übliche irrsinnige Geschwindigkeit und darüber hinaus zu beschleunigen. Wobei ich mich immer öfter frage, welche Fluchtgeschwindigkeit eigentlich Hysterie hat. Und in welcher Einheit wird die dann gemessen? Kilo-Seehofer pro Bundestagssitzung?

Während im letzten Jahr die Versuche der mächtigen Schicksalslenker unserer Nationen, unsere Gesellschaft aus der Krise zu befreien, immer verzweifelter anmuteten, legt eben diese globale Gesellschaft schon wieder nach und haut die Klamotten anständig zusammen.
Die gruseligste Nachricht des Jahres ist dann auch tatsächlich schon draußen, zumindest vermute ich das mal ganz kühn.

Es sind nicht irgendwelche Vollidioten, die in der Silvesternacht in Köln ihre Hände nicht bei sich behalten können und ihren Mangel an Benimm und Verstand damit zu kompensieren versuchen, daß sie wie pubertierende Jugendliche irgendwelche Frauen begrapschen. Meine Empfehlung wäre ja, etwas abweichend von der einer Kölner Oberbürgermeisterin, solchen peinlichen Entschuldigungen für das männliche Geschlecht einfach das angespitzte Knie in die außer Kontrolle geratenen Weichteile zu rammen und das anschließende winselnde Herumgerolle auf dem kühlen Steinboden vor dem Kölner Hauptbahnhof direkt ins Netz zu stellen. Jedem das, was er verdient.
Seltsamerweise sind jetzt alle die wieder vorneweg, die sonst immer laut „Lügenpresse“ brüllen und kritisieren deutsche Medien dafür, daß die nicht sofort in der Silvesternacht mit mindestens einem Liveticker über die Ereignisse berichtet haben. Dabei weiß noch immer keiner so recht, wer da eigentlich beteiligt war und was eigentlich wirklich genau passiert ist. Außerdem frage ich mich, warum gewisse „Zeitungen“ sowas wie „Sex-Mob“ auf ihre beschissenen Titelblätter drucken. Meines Erachtens hatte das in Köln nichts mit Sex zu tun, sondern mit Gewalt.
Jetzt haben diverse Menschen nichts dagegen, beim Sex auch mal etwas Gewalt mit einfließen zu lassen und Klingonen sehen das sogar als festen Bestandteil der Paarung. Trotzdem entspricht das, was da in Köln vor sich ging, eindeutig nicht meiner Vorstellung von Sex. Sex bedeutet nämlich, daß erst einmal alle Beteiligten, deren Anzahl zwischen 2 und 37 beliebig schwanken kann, mit dem, was da so abläuft, generell einverstanden sind. Das war aber offensichtlich nicht der Fall in der Domstadt.

Wenn Asylbewerberheime angezündet werden, kriegt die Polizei es hin, bei 800 Vorfällen im Land im Laufe des vergangenen Jahres ganze drei Verhaftungen vorzunehmen. Von Anklagen und Verurteilungen mal abgesehen.
Und hätten jetzt irgendwelche Dortmunder Nazis „ausländisch aussehende“ Frauen, die vermutlich in der 3. Generation aus Gelsenkirchen oder sonstwo herkommen, in der Nacht sexuell belästigt – die haßtriefenden Netznazis würden darüber kein Wort verlieren, bevor sie dann abends wieder bierbesoffen ihre Frauen in der Küche verprügeln oder sowas.
Wir sollten aufhören, uns da was vorzumachen, meine Damen und Herren: Es interessiert hier in unserem Land keine Sau, wenn irgendwo sexuelle Gewalt ausgeübt wird, wie es mancher Beobachter auch völlig richtig feststellt. Das wäre an der Stelle das traurige Thema, über das mal diskutiert werden sollte.
Aber wenn Menschen „nordafrikanischen oder arabischen Aussehens“ in offensichtlich organisierter Art und Weise Gewalt ausüben – auch sexuelle Gewalt – um gleichzeitig auch noch Leute auszurauben, ist die Wutwelle, die in Wirklichkeit nur eine grauenvolle Welle widerwärtiger Xenophobie ist, mal wieder an grenzenloser Beklopptheit nicht zu überbieten. Da ruft auch der Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen schon mal laut in die Runde:

Den Kollegen zufolge wurden von mehreren der kontrollierten Männer Meldebescheinigungen des Bundesamts für Migration vorgelegt. Da waren ganz sicher Flüchtlinge unter den Tätern. (Quelle)*

Ich weise an dieser Stelle auf zwei Dinge hin. Erstens ist niemand ein Täter, bevor er nicht nachweislich was gemacht hat. Zweitens heißt die Tatsache, daß irgendwelche kontrollierten Männer wohl Meldebescheinigungen dabei hatten, ebenfalls nicht, daß sie was verbrochen haben. Auch die Aussage, das sei ein hoher Prozentsatz der Kontrollierten gewesen, läßt keinerlei logische Rückschlüsse zu. Außer dem einen, daß „ausländisch aussehende“ Menschen möglicherweise von Vertretern der deutschen Staatsmacht einfach viel öfter kontrolliert werden als die anderen. Das ist übrigens keine Behauptung, sondern eine Tatsache.

Wir wissen zwar nicht, was passiert ist, aber schuld sind auf jeden Fall die anderen

Aber allen Mitgliedern von Pegida und AfD ist natürlich sofort klar: Das müssen ja wieder die Flüchtlinge gewesen sein. Da wird dann sofort wieder die Schließung der Grenzen gefordert, die Ausweisung sämtlicher Ausländer aus Deutschland oder die Versenkung des afrikanischen Kontinents. Mindestens.
Ist nur seltsam, daß die Leute mit der größten Klappe dann aber nicht an die Grenze geschickt werden möchten, um der ausgebombten syrischen Familie die Einreise zu verweigern, weil die halt dummerweise vergessen hat, die wichtigen Pässe mitzunehmen, während die Armee des eigenen Landes über ihren Köpfen Faßbomben fallen ließ. Den unangenehmen Job sollen dann wieder andere erledigen.
Die meisten der Netznazis, die auf Facebook und auf Twitter wieder die Empöria geben, sind nichts weiter als feige Arschlöcher ohne auch nur den geringsten Ansatz von Eiern in der Hose, so ist mein Eindruck. Lächerliche Repräsentanten ihrer eigenen Kleingeistigkeit.
Ich würde konsequenterweise dafür plädieren, daß wir solche Jobs von Herrn Höcke von der AfD oder so erledigen lassen. Wobei sich mir der Gedanke aufdrängt – wenn wieder alle, die nicht aus unserem Land kommen, pauschal an den Geschehnissen in Köln schuld sein sollen – warum sind dann die AfD und die NPD nicht schuld an den brennenden Asylbewerberheimen im letzten Jahr?
Wieso sind die noch nicht verboten und ihre Mitglieder inhaftiert? Am besten weisen wir diese Leute alle einfach mal aus, ich will solche unintegrierten Gestalten nicht in meinem Land haben. Wenn schon pauschalisieren, dann doch aber bitte richtig.
Ach so – stimmt ja. Sind ja Deutsche. In demokratischen Parteien. Nun ja, ich bin gespannt, wie viele der „arabisch und nordafrikanisch aussehenden“ Täter sich als Deutsche erweisen werden. Oder als Einwanderer aus anderen europäischen Staaten. Der normale Durchschnittsnationalist kann gerade mal seinen überzüchteten Pitbull von einem Schäferhund unterscheiden und hält seine blondierte Freundin für eine reinrassige Arierin – die kamen übrigens aus Indien und dem heutigen Iran, die Arier.

Wirres Volk

Bild 1: Plakat der Partei ,,DIE PARTEI“. Endlich mal eine korrekte Feststellung auf einem Wahlplakat.

Doch wo war ich? Ach ja – die schlimmste Nachricht des Jahres. Die besteht eindeutig nicht darin, daß deutsche Nazis mit oder ohne Krawatte noch immer hirnbefreite Zonen sind. Oder CSU-Mitglieder.

Nein, die Nachrichten, die ich meine, kommen aus Saudi-Arabien.
Kaum erwähne ich den alten Wüstenstaat im Jahresvorausblick, gibt sich die herrschende Clique alle Mühe, sämtliche von mir geschätzten Zeitabläufe über den Haufen zu werfen. Ich meine, das Königreich Saudi-Arabien ist ohnehin ein Kandidat für den Untergang. Jeder mit ein wenig geopolitischer Ahnung weiß das recht genau, auch wenn keiner darüber reden möchte, in dem Glauben, der schlafende Löwe werde dann einfach weiterschlafen.
Jetzt gibt es aber nun in Saudi-Arabien gar keine Löwen. Kein Löwe, der was auf sich hält, lungert in so einer Wüste rum. Dafür gibt es da Öl in dieser Wüste. Viel Öl.
Ein besonders intelligenter Zeitgenosse kommentierte die unruhige Lage in dem Golfstaat mit dem Hinweis, das ja nur irgendwie 0,3 Prozent der Ölimporte Deutschlands aus Saudi-Arabien kommen. Derartige Bemerkungen zeigen eindeutig, daß der Form, Tiefe und Gestalt menschlicher Dummheit wahrlich keine Grenzen gesetzt sind.
Das gilt dummerweise auch für den Herscher der Saudis, der nach dem Tod des langjährigen Königs Abdullah zu Beginn des letzten Jahres inzwischen das Ruder übernommen hat. Als könnte so ein Wüstentyp was mit einem Ruder anfangen.
Auf jeden Fall hielten es die Saudis für eine gute Idee, das Neue Jahr feierlich zu begehen, indem man mal ein paar zum Tode Verurteilte endlich von ihren Köpfen befreit. Was man dann auch tat. Unter den 47 Getöteten befand sich dabei auch ein Mann namens Nimr-al-Nimr und der war ein Geistlicher. Ein schiitischer Geistlicher.

Rückblende. Erde, Arabische Halbinsel. Medina. 632 ndZ

Als die Sonne an diesem Abend die Staubschleier, die wie immer in der trockenen Luft hängen, rot verfärbt, macht ein Mann seinen letzten Atemzug. Im Alter von ungefähr 62 Jahren – genau ist das nicht überliefert – stirbt Abu l-Qasim Muhammad ibn Abd Allah ibn Abd al-Muttalib ibn Haschim ibn Abd Manaf al-Quraschi.
Da dieser Name im alltäglichen Gebrauch ebenso unglaublich unpraktisch ist wie der des Kumpels von Kara Ben Nemsi in den Romanen eines Karl May, nennen seine Kumpels den Sterbenden schlicht und einfach Mohammed.
Dieser Mann und sein letztes Ausatmen sind deshalb so bedeutend, da sich Mohammed in seinen früheren Jahren oft auf einem Berg bei Mekka rumgetrieben hatte, um dort Buße zu tun. Ich habe keine Ahnung, für was und im Auftrag welchen Gottes diese Buße erfolgt sein soll. Aber auf jeden Fall hatte sich dieser Mohammed dabei wohl im Schlaf mal vom Erzengel Gabriel anquatschen lassen, der ihn aufforderte, das vorzutragen, was er auf ein Seidentuch gepinselt hatte.
Mohammed, in seinem Traum offensichtlich unlustig, weigerte sich, vorzutragen. Daraufhin wurde Gabriel grob.

„Ich schlief, als der Erzengel Gabriel  mit einem beschriebenen Seidentuch zu mir kam und sprach: ‚Trag vor!‘ Ich antwortete: ‚Ich trage nicht vor.‘ Daraufhin drückte er mich in das (Tuch), daß ich glaubte, sterben zu müssen“.
Nach viermaliger Aufforderung fragte dann Mohammed: „Was soll ich vortragen? – und ich sagte dies nur aus Furcht, er werde mich wieder so fürchterlich bedrängen. Daraufhin sprach er …“  (Quelle)

Dieses Ereignis bestimmt dann später den Inhalt einer der zentralen Suren im späteren Heiligen Buch der Religion, die Mohammed gründete, nämlich des Islam. Religionsstifter können halt normalerweise ihre Klappe nicht halten und auch Mohammed bildete da keine Ausnahme. Erst erzählte er allen, was er da geträumt hatte, dann glaubte ihm keiner, dann schrieb er es auf und dann kam immer mehr Zeug dazu, denn wie alle anderen hatte auch dieser Mann natürlich Visionen.
Ja, auch der christliche Oberprophet hatte Visionen, die heißen im Christentum eben nur göttliche Eingebungen. Auch Erzengel sind den christlichen Verkündern und Schreibern sehr wohl bekannt. Irgendwo in Spanien pilgern heute noch tausende geistig stark verwirrter Menschen zu irgendeiner Stadtmauer, weil irgendwelche Hirtenkinder da vor ein paar Jahrhunderten eine Marienerscheinung hatten.
Ich persönlich traue Menschen nicht, die nach einem langen Tag unter knallender Wüstensonne Erzengeln mit Seidentüchern begegnen. Oder nach einem ebenso langen Tag mit der Schafherde die Mutter Gottes an einer Stadtmauer treffen. Ich hätte jetzt eindeutig diagnostiziert: Das waren die falschen Pilze. Beziehungsweise zuviel Sonne aufs Hirn. Aber darüber kann man ja unterschiedlicher Auffassung sein.
Natürlich ist das in-Seidentücher-drücken des Erzengels ganz klar Folter im Sinne des heutigen Waterboardings, das von demokratischen Staaten gerne mal durchgeführt wird. Aber immerhin stirbt der islamische Prophet dann ein paar Jahrzehnte später einfach mal an Altersschwäche. Die Juden haben ihren ein paar Jahrhunderte vorher an die Römer verkauft und kreuzigen lassen, womit sie dummerweise einer Konkurrenzreligion Tür und Tor geöffnet haben. Sehr ungeschickte Geschäftsentscheidung im Nachhinein. Und was haben die Römer schon jemals für uns getan, frage ich mich?

Ich frage mich auch, wie wenig Selbstvertrauen ein Gott haben muß, der einen schlafenden Büßertypen erst von einem Schergen foltern lassen muß, bevor er ihn überreden kann, die Größe und Erhabenheit Gottes zu preisen.
Wenn ich ein Gott wäre – oder in diesem speziellen Falle sogar der Gott – würde ich ja einfach mit Donner und Blitz auf dem Marktplatz aufschlagen, mir einen Kaffee und einen Eisbecher bestellen und schlicht und einfach durch meine Größe und Erhabenheit klarstellen, wer da jetzt besser auf der Stelle angebetet werden sollte, weil es sonst furchtbar Dresche gibt. Ich könnte natürlich auch beschließen, einfach allen einen Kaffee und einen Eisbecher auszugeben, immerhin wäre ich ja Gott, da sollte das echt kein Thema sein.
Aber so sind Menschen: Stellen sich die seltsamsten Sachen vor, schreiben es auf und denken dann: „Oh, was geschrieben steht, muß auch genau so passiert sein. Kein Zweifel, dies ist das Wort Gottes!“

Sag, wie hältst Du’s mit der Religion?

Auf jeden Fall ergab sich mit dem Tod Mohammeds ein Problem. Das der Nachfolge nämlich. Immerhin sind Prophet-des-Herrn-Stellen nicht so häufig und erfordern gewisse Skills, die nicht jeder so mit sich bringt.
Da gab es damals einerseits einen Mann namens Abu Bakr, der zusätzlich auch noch Schwiegervater des Propheten war. Oder besser, einer der Schwiegerväter, denn Mohammed hatte zehn Frauen und die Tochter des besagten Abu Bakr war wohl die dritte im Reigen. Nach dem Tod des Propheten sollte dieser Mann über die Gemeinschaft der Gläubigen herrschen. Ich habe keine Ahnung, warum die anderen neun Schwiegerväter dazu nichts gesagt haben, ich bin kein islamischer Theologe. Aber vielleicht hatten die einfach nicht die nötigen Fähigkeiten wie z. B. Skrupellosigkeit und schnelles Zuschlagen, die zur Erlangung des Jobs sicherlich erforderlich waren. Vielleicht waren die auch gerade einfach nicht da, und in den Zeiten vor der eMail, dem Telefon und dem Telegrafen war persönliche Anwesenheit sicherlich von enormen strategischem Wert und die Sache schon längst erledigt, als die anderen Jungs mal wieder in Medina vorbeischauten.
Auf jeden Fall sind die Leute, die Abu Bakr für den korrekten Nachfolger des Propheten halten und hielten, heute im Islam die Sunniten. Die arabische Bezeichnung bedeutet etwa soviel wie „Volk der Tradition und Einheit“, denn die Sunnis betrachten sich als Einheit. Deswegen gibt es auch mehrere differierende Glaubensschulen.
Die zweite Gruppe bilden die Schiiten. Das sind diejenigen, die einen Mann namens Abu l-Hasan Ali ibn Abi Talib für fähiger beziehungsweise berechtigter hielten und halten, die Nachfolge des Propheten anzutreten. Dieser Mann war ein Cousin des Propheten. Außerdem war er wohl auch der erste Anhänger desselben und heiratete dessen einzige Tochter Fatima.
Dieser Mann ist also quasi der Gründer des Familienbetriebs Religion. Wobei sich aus dieser Überlegung ergibt, daß die Schiiten ihren Anspruch auf Gefolgschaft über die weibliche Linie aufrechterhalten. Bedenkt man die nach meiner Auffassung stellenweise doch stark anachronistische Rechtsstellung der Frau gerade in Staaten wie Saudi-Arabien, ist das eigentlich ziemlich erstaunlich.
Englische Könige haben den Hundertjährigen Krieg mit Frankreich vom Zaun gebrochen und dabei den Franzosen vorgeworfen, ihren Herrschaftsanspruch ja nur auf eine weibliche Linie gründen zu können. Wenn die mal Elisabeth I. getroffen hätten!

Schnitt. Zurück ins 21. Jahrhundert ndZ. Jahr 2016.

Aber die katholische Kirche verehrt ja auch die Mutter Gottes und hat keine Priesterinnen. Religion halt. Ähnlich wie bei den Katholiken und den Protestanten in der christlichen Welt bilden Schia und Sunnis also zwei Konfessionen in der islamischen Religion.
Kompliziert wird es dadurch, daß die Sunniten heute die Mehrheit innerhalb des Islam stellen. Nur eben in Saudi-Arabien und Bahrain nicht. Im Nachbarstaat der Saudis sind gute 75 Prozent der Bevölkerung Schiiten. Beherrscht werden die aber von einer Gruppe Sunniten, die die Führungselite stellen. Bereits im Jahre 2011 befürchtete man in Bahrain und auch in Saudi-Arabien eine Ansteckung durch den grassierenden Arabischen Frühling.
In Bahrain kam es zu ausgedehnten Aufständen und Demonstrationen, woraufhin die Herrscherclique mal die Kollegen im anderen Wüstenstaat zu Hilfe rief. Diese wurde von den Saudis gerne gewährt und deshalb sichern seit 2011 saudische Panzer, die wahrscheinlich aus deutscher Produktion stammen, den Fortbestand des Satellitenstaates Bahrain.
Direkt nebenan liegen die östlichen Provinzen von Saudi-Arabien, in denen – wie es der Zufall will – die etwa 2,5 Millionen Schiiten Saudi-Arabiens wohnen, das eigentlich mehrheitlich ein sunnitischer Staat ist. Oder besser, ein wahabitischer Staat. Ebenso wie im Christentum gibt es bei Sunni und Schia nämlich noch diverse Untergeschmacksrichtungen. Der Wahabitismus ist etwa das, was der „Islamische Staat“ auch mit sich durch die Wüste trägt. Köpfe abschlagen. Frauen verschleiern, vergewaltigen oder versklaven. Kulturdenkmäler in die Luft sprengen. Oder Leute wohin schicken, damit die sich in die Luft sprengen und dabei möglichst viele andere Leute mitnehmen.
Alles nach dem Motto: „Wenn wir die Welt schon nicht beherrschen, sind wir durchaus glücklich damit, sie anzuzünden.“

Dieses überaus aufgeklärte Verhalten ist also ein Markenzeichen der fortschrittlichen Auslegung des Islam durch die Wahabiten. Also Saudi-Arabiens Haus Saud. Also die Kameltreiber, die halt damals als erste mit den Amerikanern verhandelt haben, als es um das ganze Öl ging. Womit wir wieder beim Problem sind in Saudi-Arabien. Denn das verdammte saudische Öl liegt vor allem im Osten des Landes. Da also, wo die Schiiten wohnen.
Also diese Schiiten, die jetzt über die Hinrichtung dieses al-Nimr extrem angepißt sind, könnte man sagen. Und die direkt auf dem Öl wohnen und direkt neben etwa 1,2 Millionen Kollegen mit gleichen religiösen Ansichten, nämlich den Leuten in Bahrain. Dazu kommt die Tatsache, daß es einen Staat in Nahost gibt, in dem die Schia die Bevölkerungsmehrheit stellt: Iran.

Das ist der Iran, in dem eine aufgebrachte Menge nach der Hinrichtung die Botschaft der Saudis in Schutt und Asche gelegt hat. Der Iran, zu dem die Saudis daraufhin die diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben. Ebenso wie Bahrain, Kuwait und der Sudan, die allesamt Klientelstaaten oder Vasallen von Saudi-Arabien sind.
Es ist derselbe Iran, der im südlichen Nachbarland Jemen eine Rebellengruppe namens Huthi unterstützt hat. Diese wiederum sind Schiiten und Anhänger des ehemaligen Staatspräsidenten. Die Rebellion verlief so erfolgreich, daß sich Saudi-Arabien im März 2015 in die Sache einmischte und begann, den jemenitischen Wüstensand mit teuren amerikanischen Laser-Lenkwaffen zu durchlöchern, um den aktuellen Präsidenten zu verteidigen. In Wahrheit geht es natürlich darum, einen schiitischen Jemen als Klientelstaat des Iran an der eigenen Südgrenze zu verhindern.
Seitdem der alte König Abdullah im Januar 2015 mit 90 Jahren in die Ewigen Ölfelder einging, geht es bei den Saudis intern drunter und drüber. Dem neuen Mann an der Spitze wird nachgesagt, daß er womöglich ein gewisses Problem mit Demenz haben könnte. Auf jeden Fall agiert der 80jährige König Salman nicht sonderlich souverän, wie der esakalierende Stellvertreterkrieg im Jemen zeigt. Ebenso wie die unbedachte Hinrichtung und die ebenso unbedachte diplomatische Eskalation der Ereignisse danach. Erschwerend kommt hinzu, daß sich Saudi-Arabien mit einem Defizit von gut 90 Milliarden Dollar in der Staatskasse befassen muß, das wiederum durch die seit achtzehn Monaten massiv sinkenden Ölpreise verursacht wird.

Es gibt auch Quellen, die das Staatsdefizit auf eher 140 Milliarden Dollar einschätzen. Auf jeden Fall hat die zuständige Stelle angekündigt, daß man die schwer subventionierten Spritpreise anheben wird. Saudi-Arabien subventioniert ebenfalls die Preise für Grundnahrungsmittel, auch für Wasser und Elektrizität, von der der Wüstenstaat einiges braucht, um das Meerwasser zu entsalzen. Das Leben für die Saudis wird also deutlich teurer werden.
Weiterhin ist es ein Problem, daß so ziemlich jeder Job in diesem Land von einem angeheuerten Ausländer durchgeführt wird. Der normale Saudi arbeitet nämlich nicht. Er wird vom Staat bestochen, nichts zu tun und die Klappe zu halten.
Jetzt ist es nicht so, daß Saudi-Arabien keine gefüllte Kriegskasse hat. Aber bei diesem Tempo wird es keine fünf Jahre dauern, bis die Reserven verbrannt sind. Ebenso wie das Öl, aus dem Saudi-Arabien tatsächlich noch heute Strom erzeugt und von dem die wachsende einheimische Bevölkerung mehr und mehr selbst verbraucht. Dazu kommt der Faktor, daß die Förderung im Land seit 2005 nicht mehr wirklich steigt, wenn man Rohöl als das auffaßt, was es vor der Umdefinition von 2005 gewesen ist. Seit diesem Jahr wird nämlich weltweit alles Mögliche zu „Öl“ gezählt, damit man die Tatsache besser verschleiern kann, daß die konventionelle Förderung auf dem absteigenden Ast ist. Die Saudis bilden hier keine Ausnahme, ihre Monsterfelder sind ebenso im Abstieg begriffen wie andere alte Ölfelder auch.

Innerhalb der ersten Woche dieses Jahres haben die Instabilitätsfaktoren in Nahost somit um eine oder zwei Größenordnungen zugenommen.
Sollte es in Saudi-Arabien zu einem Bürgerkrieg kommen, werden die Nachbarn dabei kaum ruhig auf den Sesseln sitzen bleiben können. Insgesamt ergibt sich hier eine gute Mischung, die den Nahen Osten in baldiger Zukunft ähnlich aussehen lassen könnte wie Europa oder das HRRDN zu Beginn des 30jährigen Krieges. Auch damals ging es vorgeblich um einen Konfessionsstreit und dann haben sich alle anderen auch bemüßigt gefühlt, da mal mitzumachen.

0050-01 Aint got no future

Bild 2: Aller Ablenkung durch hysterische Mediendebatten zum Trotz beeinflussen wirklich wichtige Dinge den Verlauf der baldigen Zukunft. Und zwar eindeutig nicht zum Besseren.

Trotz allem medialen Jubelgeschrei über den Fracking-Boom importieren die USA noch immer mehr als eine Million Barrel Öl täglich aus dem saudischen Sand, völlig unbeachtlich der Tatsache, daß der US-Kongress neulich das mehr als vierzig Jahre alte Exportverbot für Öl aufgehoben hat. Was in diversen Medienkreisen wieder bejubelt wurde als handfester Beweis, daß wir ja für immer Öl haben werden. Manche Menschen spotten in ihrer Dummheit halt jeder Beschreibung.
In der Realität, in der ich wohne, importieren die USA noch immer gute 25 Prozent ihres Ölbedarfs. Jeden Tag. Wenn die US-Förderzahlen mit der erwarteten Geschwindigkeit zu sinken beginnen, könnten die Amerikaner am Jahresende mehr als 2 Millionen Barrel weniger pro Tag haben als jetzt, sollte sich das saudische Problem weiter verschärfen. Bei etwas über 18 Millionen Barrel aktuellem Tagesdurst ist das also etwa ein Neuntel der Tagesmenge, sagen wir schlicht 11 Prozent.
In der Krise des Ölembargos 1973, als die OPEC nach dem US-amerikanischen Peak Oil erstmalig ihre Macht ausspielen konnte, gab es auch innerhalb kurzer Zeit etwa 10 Prozent weniger Stoff für die Süchtigen. Das jetzt wieder aufgehobene Exportverbot war eine Folge davon. Auch eine Folge davon war, daß sich US-Amerikaner daran gewöhnen mußten, ihre Autonummer als Ausweis beim Tanken zu kennen. Einen Tag die geraden Nummern, einen Tag die ungeraden.
Es kam damals zu Schießereien an Tankstellen, die gesamte westliche Wirtschaft stürzte ab. Eine relativ geringe Veränderung des bis dahin stetigen Energieflusses hatte also weitreichende Folgen. Dieses Theater zog sich bis Ende der 70er Jahre hin. Dann hatten die USA Alaska und den Golf von Mexiko angezapft und Europa hatte das Nordseeöl, das endlich reichlich zu sprudeln begann. Auf dieser Ölwelle surften dann ein Ronald Reagan und eine Maggie Thatcher in ihre Ämter und begannen ihr unheilvolles Werk.

Heute stehen wir in einer Welt, in der weder der Golf von Mexiko noch Alaska oder die Nordsee besonders viel hergeben. Eine Welt, die trotz 18 Monaten verfallender Energiepreise wirtschaftlich nicht aus dem Quark kommt. Wie eine solche Welt auf durch Krisen und Verknappung steigende Preise reagieren wird, weiß ich nicht genau. Sicherlich aber nicht mit Jubel und Wachstumszahlen, auf die unsere Politiker alle so scharf sind.
Denn die aktuelle Welt ist auch so überschuldet wie noch niemals zuvor.
Selbst mit steigenden Preisen und den natürlich inzwischen angehäuften Reserven an Öl würde sich ein Zerfall Saudi-Arabiens oder der gesamten Nahost-Region insgesamt katastrophal auswirken auf das kapitalistische Experiment der totalen Globalisierung. Wie zerbrechlich die ganze Fassade des halluzinierten Wohlstands ist, sieht man auch wunderbar an dem Börsendebakel des chinesischen Drachen, das sich aktuell abspielt.

Sogar die Weltbank hat gerade von einem „perfekten Sturm“ für das Jahr 2016 gesprochen. Ich hatte ja globale Rezession vorausgesagt für 2016. Aber das die Sache so schnell Fahrt aufnehmen würde, hatte ich nicht erwartet. Ich denke, wir werden interessante Zeiten erleben.

 

* ich verlinke das nur indirekt, denn das Zitat stammt originär wieder mal von Springer 😉

 


Das Titelbild zeigt das Cover der LP „Crisis? What crisis?“ der Band Supertramp aus dem Jahr 1975. Das war zu Ölkrisenzeiten 😉

2 Comments

  1. Sicher, dass nicht irgendwelche Entscheider in SA der instabilen Zukunft des nach-Peak-Oil ähnlich realistisch entgegengesehen haben wie Du? Und dann entschieden haben: Bevor allen klar wird, dass unsere Macht auf Sand gebaut ist, eskalieren wir vielleicht besser, um diese elende Hegemoniefrage endgültig zu entscheiden? Solange Geld, Prestige, und internationale „Gebrauchtheit“ noch mehr oder weniger real vorhanden sind? Solange ein Deutschland oder Frankreich oder UK noch ernsthaft bereit ist, Waffen in großem Stil an UN-anerkannte Staaten zu exportieren, bevor mal jemand auf die Idee kommt, darüber nachzudenken, warum da auf einmal so viele Flüchtlinge angelaufen kommen? Und bevor der Westen am Ende doch noch den IS aufräumt, der so bequem die Nord- und Westflanke deckt?

    Ich meine, wenn alles alles alles in Deinem Land auf Öl basiert, wenn Deine Nation nur ein Haufen Kameltreiber wäre, der sogar inzwischen vergessen hat, wie man Kamele treibt… dann sollte doch hoffentlich irgendjemand in verantwortlicher Position fähig und in der Lage sein, Warnzeichen zu erkennen? Das müsste doch eigentlich der zentrale Job nicht nur des Ölministers sein, den Ölpreis zu beobachten und sich den Kopf zu zerbrechen, was der Weltmarkt so treibt – sondern auch der des Verteidigungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Innen-, Außen-, Sozial-, Kamel-, Luxusmobil-, Golfplatz- und aller sonstiger Minister, oder?

    Antworten

    1. Das müsste doch eigentlich der zentrale Job nicht nur des Ölministers sein, den Ölpreis zu beobachten und sich den Kopf zu zerbrechen, was der Weltmarkt so treibt – sondern auch der des Verteidigungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Innen-, Außen-, Sozial-, Kamel-, Luxusmobil-, Golfplatz- und aller sonstiger Minister, oder?

      Na ja, die Ministerämter sind ja in SA mehr so Familiensache 😀
      Und ich habe keine Ahnung, ob da irgendwelche Entscheider was gedacht haben. Ich vermute aber, daß nicht.

      Ich sehe da blinde Versuche des eigenen Machterhalts. Proxy-Kriege. Das ganze Zeug. Aber ausgeschlossen ist natürlich nichts.

      Antworten

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