Blick über den Tellerrand

Das Welternährungsprogramm der UN hat bis zum Jahresende 237 Millionen Dollar zu wenig in seinen Kassen. Als Konsequenz hieraus werden in Flüchtlingslagern jetzt die ohnehin knappen Rationen gekürzt.
Wohlgemerkt: Es geht um Millionen. Und Dollar. Als vor ein paar Jahren 500, 600, 700 Milliarden aufgerufen wurden, um systemrelevante betrügerische Korruptionsarschlöcher samt ihrer Banken und Hedgefonds zu retten, da hat die Welt nicht eine Sekunde gezögert. Gut, die Welt vielleicht schon. Die Politik hat nicht eine Sekunde gezögert, das jeweilige Volk wird ja normalerweise nicht gefragt bei sowas. Und da ging es auch noch um Euro, als der $1,30 wert war. Die Zahlen für Nordamerika sind nicht kleiner, da haben die QE-Programme der Fed bisher etwa 3,5 Billionen Dollar in den Markt gedrückt – echte Billionen, also 3.500 Milliarden, das ist jetzt kein Übersetzungsfehler meinerseits.
Aber den UN fehlen in diesem Programm 237 Millionen. Ich schätze, das ist etwa die Summe, die Amerikaner zum Bewässern der Golfplätze im notorisch trockenen Kalifornien ausgeben pro Jahr. Oder die Kohle, die alle Amis für den Thanksgiving-Truthahn raushauen, an einem einzigen Wochenende im Einkauf. Da wundert sich noch irgendwer, wenn die sich auf die Socken machen, wobei die meistens nicht mal Socken haben, und hierher flüchten wollen, die Flüchtlinge?
Wenn ich ein Flüchtling wär, und nichts zu beißen hätt‘, flöh ich zu dir…

Rußland ist derweil wieder mal böse. Erst haben sich der Obama und der Putin auf dem UN-Generalversammlung neulich zwar unterhalten, aber nicht besonders liebevoll. Denn der eine will den bösen, bösen Diktator Assad weghaben. Der andere sagt, wir müßten uns erst mal um den IS kümmern und dafür muß man halt mal mit dem Assad reden.
Der eine nennt den Assad einen Diktator – was durchaus ja korrekt ist – der andere ist wohl der eher pragmatischen Auffassung, daß ein Diktator, den man kennt, immer noch besser ist als ein Haufen Irrer mit Koransprüchen auf der schwarzen Flagge.
Aktuell sind die Russen wieder böse, weil russische Flieger den IS in Syrien mit Bomben bewerfen. Dummerweise treffen sie dabei auch die syrischen Rebellen. Sagen die Rebellen. Wobei Rebellen in Syrien alle sind, die gegen den Assad kämpfen. Außer die Jungs vom IS, die kämpfen ja gegen alles, auch gegen Tempel und Steine.
Jetzt findet der Westen, also die USA und die europäischen Pickel am Arsch des amerikanischen Imperiums, das russische Vorgehen aber nicht gut, obwohl es sich vom eigenen nicht wirklich unterscheidet. Die New York Times macht den Erklärbär und sagt, wer wo wen mit Bomben bewirft. Ist schwierig, denn es gibt auch noch gemäßigte Rebellen und andere, die sind dann wohl nicht gemäßigt, was immer das genau heißen soll.
Dabei wird betont, daß die bösen Russen ja auch von Kreuzern im Kaspischen Meer aus feuern, also quasi mit Cruise Missiles. Wenn Amerikaner sowas machen, während sie den Irak überfallen, ist das westlichen Medien nur mehr Applaus wert, das gibt so schöne Bilder in der Nachtaufnahme. ,,Embedded Journalism“ FTW, sage ich da nur. Das sind aber tapfere amerikanische Rebellen, die da bombardiert werden, zumindest wurden die vorher von den USA ausgebildet. Das hat schon immer prima geklappt, den Feinden der Feinde Waffen in die Hand zu drücken.
Und hat eigentlich eine einzige deutsche Zeitung erwähnt, daß Rußland schon 2012 vorgeschlagen hatte, man könne Assad ja zurücktreten lassen im Rahmen eines Friedensplans? Andere Zeitungen haben es. Den Friedensplan hat der Westen dann ignoriert, wäre bei Erfolg ja auch ein Punkt für Rußland gewesen. Wo kamen doch gleich noch mal die Flüchlinge so her?

Wenn der NATO-Staat Türkei derweil ansagt, er bombardiere den IS, aber die Kurden dann sagen, „die bombardieren uns, und zwar im Nordirak“ – wo ja seit 2008 eigentlich de facto ein kurdischer Staat existiert – dann sagt da übrigens keine Sau was gegen. Dafür dürfen dann die USA auch türkische Stützpunkte für ihre Angriffe auf den IS nutzen. So wäscht eine Hand die andere in der Politik und beide bleiben schmutzig.
Als sich die beiden Länder noch über eben diese Stützpunkte stritten, war die Türkei auch noch dagegen, irgendwelche Bodentruppen nach Syrien zu schicken. Haben sie dann auch nicht gemacht. Stattdessen hat die Türkei Anfang September die Grenze zum Irak überschritten. Gut, das ist jetzt nicht Syrien, wird sich der scheinbar etwas größenwahnsinnige Herr Erdogan gedacht haben, paßt ja alles.
Um die PKK zu bekämpfen, also diese Terrorgruppe, die sich seit Jahren an den Waffenstillstand mit der Türkei gehalten hatte und die ganz froh zu sein schien, daß es im Nordirak jetzt einen inoffizellen Kurdenstaat gibt.
Ist halt doof, daß die HDP, das ist der politische Arm der PKK in der Türkei, bei der letzten Wahl so viele Prozente bekam, daß Erdogans AKP ihre absolute Mehrheit verlor. Die braucht Erdogan aber, um die Verfassung zu ändern und sich zum Führer ausrufen zu lassen. Ich persönlich vermute, eine direkte Ausrufung zum Gottkaiser und neuen Propheten des Islam wird da auch auf dem Plan stehen, zumindest macht Erdogan auf mich den Eindruck. Ist doch scheiße, so eine Demokratie!

Übrigens haben in diesem Zusammenhang irgendwelche Türken auch die Zeitungsredaktion des Hürriyet angegriffen, das ist eine recht große Zeitung.
Und natürlich auch die Parteizentrale der HDP. Das ist etwa so, als würden Fans von Volker Kauder die taz-Redaktion in Berlin belagern und dann bei der Parteizentrale der Linken Feuer legen. Oder umgekehrt. Die Polizei in der Türkei hielt sich dabei auffallend zurück.
Wenn das woanders passiert, ist unseren Medien das einen Aufschrei wert. Passiert so etwas in einem demokratischen NATO-Land, sehen wir politisch mal drüber hinweg, alles klar auf der Andrea Doria.
Das ist natürlich alles nur Verschwörungstheorie von mir, in Wirklichkeit hat die PKK ja einen Anschlag durchgeführt in der Türkei. Der wurde dann auch tatsächlich überall erwähnt. Stimmt schon, aber Erdogan hat den Waffenstillstand vorher aufgekündigt, nicht die PKK. Die wollte sich eigentlich in Kurdistan zur Ruhe setzen. Der Herr Öcalan, der geistige Führer der PKK, hat sich von der neuerlichen Gewalt übrigens ausdrücklich distanziert und gesagt, das sei nicht der richtige Weg. Zumindest Erdogan hat das nicht gehört, soviel ist sicher.

Ach ja – auf der angesprochenen Generalversammlung der UN hat der Präsident der Ukraine, der Herr Poroschenko, die Russen beschuldigt, sie würden mit mobilen Krematorien ihre Spuren in den Kriegsprovinzen verwischen. Er hat auch gesagt, daß Rußland dabei sei, auf seinen alten imperialen Kurs zurückzukehren. Wobei das wahrscheinlich sogar richtig ist. Allerdings haben die USA den imperialen Kurs nie verlassen und darüber regt sich ja auch keiner auf. Aber soweit dann zu den Vereinten Nationen. Einigkeit wird auch echt überschätzt. Das der Haufen Streithansel keine 237 Millionen zusammenkriegt, wundert mich nicht.

Deutschland kackt währenddessen völlig ab: Die CDU will ihrer heiligen Kanzlerin nicht mehr folgen, weil die plötzlich alle Flüchtlinge ganz doll lieb hat. Das mögen die Bayern gar nicht. Und de Maizière auch nicht. Plötzlich werden Frau Merkels Sprechblasen als „Wohlfühlsprech“ gebrandmarkt.
Ja, hört hört, Freunde der Nacht und des Longdrinks!
Das ist doch aber exakt die Methode, mit der die Größte Kanzlerin aller Zeiten seit 10 Jahren hierzulande Regierungsfähigkeit simuliert. Warum ist das jetzt plötzlich schlecht?

In Polen nebenan wollen sie inzwischen dann doch Flüchtlinge aufnehmen. Aber nur Christen, ist klar. Wahrscheinlich am besten nur Katholiken. Von denen gibt es in Nahost nicht besonders viele, da sind ja viele eher orthodox oder koptisch oder so. Das führt dann in Deutschland dazu, daß sich irgendwelche CSUler darüber Gedanken machen, ob man nicht die Flüchtlinge nach Religion trennen soll. Weil es da eine Schlägerei gegeben hat.

Zum Glück kommt dieser Spruch, für mich der beste Anwärter auf den Volldeppenpreis des Monats Oktober, vom anerkannt durchblickenden Meister des Scharfsinns, dem Herrn Friedrich. Ja, der ehemalige Innenminister Friedrich, den dieser Antiamerikanismus so angekotzt hat, als irgendwer behauptete, die USA würden uns ausspionieren. Was sich ja inzwischen tatsächlich als reine Propaganda herausgestellt hat. Von Friedrich.
Don „Supergrundrecht“ Friedrich hat also messerscharf erkannt, daß das alles nur an dieser Religion liegen kann. Bildlich stelle ich mir vor, wie unser umfassend gebildeter und fließend Arabisch parlierende Ex-Innenminister persönlich jeden Flüchtling interviewt, der ins Land möchte, um ihn dann seines Wegs zu schicken:
„Sunniten nach links, Schiiten nach rechts, die Kopten nehmen bitte den Mittelgang, die Orthodoxen warten bitte noch einen Moment. Und jeder nur ein Kreuz!“
Ich bin ja allmählich der Meinung, daß man CSU-Politker getrennt vom Rest der deutschen Bevölkerung halten sollte. Womöglich ist sowas ansteckend?
Wenn ich mit 4000 Mann in einer Bude hocken würde, die Platz für 750 bietet, ein Dutzend Sprachen um mich rum, keiner kümmert sich um was, keine Arbeit, kein Geld, keine Ahnung, wie es weitergehen soll – da sind doch Ausraster und Gruppensolidarisierungen zu erwarten in so einem psychologischen Pulverfaß.
Ich meine, wer von uns hatte nach einem Nahkampfkontakt mit deutscher Bürokratie nicht schon mal Bock drauf, singend mit einer Kettensäge bewaffnet durch die Amtsstuben zu ziehen?

Und während die einen keinen Platz haben, wandern die anderen unregistriert über die Grenze. Bis zu 290.000 sollen es sein, die in den offiziellen Zahlen quasi nicht vorkommen, weil die Grenzer nicht mehr nachkommen. Aber das Bundesamt für Migration ist ja jetzt in den Händen des Herrn Weise. Der konnte vorher als Chef der Bundesagentur für Arbeitslosigkeit fleißig an Hartz IV-Beziehern üben, wie man Menschen in Massen demütigen kann und sich dabei an die Gesetze hält. Da sind die Flüchtlinge bestimmt in besten Händen.

Diese Hände reiben sich die Rechten inzwischen ganz fleißig, denn die konservativen Parteien, also alle außer den Linken, machen im Moment genau das, was die faschistischen Pöbler gewollt haben. Jetzt sehen die sich natürlich in ihrer Linie bestätigt, war ja klar. Wie ich es schon vermutet hatte, bekommen die XY-Gidas wieder mehr Zulauf. In Pegida-City, also Dresden, waren es derzeit etwa 10.000.
Das hat dazu geführt, daß Kanada seine Staatsbürger davor warnt, im Osten Deutschlands einfach unvorsichtig rumzulaufen und ausländisch zu gucken.
Nein, keine Reisewarnung, aber fast. Darüber ist dann die CDU in Sachsen nicht fast, sondern ganz empört und findet das enorm rufschädigend. Die CDU regiert in Sachsen seit 25 Jahren, sprich, seit der Wiedervereinigung. Kein weiterer Kommentar meinerseits.

Ich frage mich allen Ernstes, wer unseren politischen Führern eigentlich die Medikamente weggenommen hat vor einiger Zeit. Oder wichteln die die schon? Immerhin ist ja bald Weihnachten.

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