,,Verschwenden Sie keinen Gedanken ans Morgen; das ist ihr gutes Recht. Aber beklagen Sie sich nicht, wenn es plötzlich da ist und Sie haben nichts mitzureden.“
John Brunner, Der Schockwellenreiter
Warum sollte sich ein Normalmensch für etwas Abstraktes wie Peak Oil interessieren?
Schließlich haben ja schon genug Untergangspropheten denselben vorhergesagt und nichts davon ist eingetreten.
In den 80er Jahren sollten die Wälder untergehen und sich in Brennholz verwandeln. Das Ozonloch würde uns alle grillen. Das mit dem Klimawandel sollte in den 70ern noch zu einer neuen Eiszeit führen, heute reden alle was von globaler Erwärmung. Extrem peinliche Geschichte natürlich.
Es gibt heute Klimawissenschaftler, die ernsthaft vehement abstreiten, daß es solche Aussagen jemals gegeben hätte. Das ist natürlich keine besonders gelungene Kommunikationsstrategie und läßt sich anhand diverser Fachartikel und einiger SF- und Fantasy-Romane aus den 70ern problemlos widerlegen, auf deren Einbänden der muskulöse, in Felle gehüllte Held zwischen den Spitzen der im Gletscher versunkenen Wolkenkratzer New Yorks umherzieht, meist begleitet von einer wesentlich weniger fellverhüllten und eher kurvigen Partnerin.
Dazu kämen dann noch solche gut gekühlten Filme wie ,,The day after tomorrow“ oder die recht aktuelle und ebenso stark unterkühlte Vision der Apokalypse namens ,,Snowpiercer“, in der sich das gesamte Geschehen in einem Zug abspielt, der durch endlose Eiswüsten fährt, die mal die Erde waren. Warum sollte man also das Gemurmel der Wissenschaftler nicht einfach ignorieren und so weitermachen wie bisher?
Die Antwort ist ebenso einfach wie kompliziert, wieder einmal. Die Sache mit dem Ozonloch zum Beispiel begann in den 80er Jahren. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, um genau zu sein, denn damals wurde erstmalig mit Benutzung von Absorptionsspektren nachgewiesen, daß die hohe Atmosphäre tatsächlich mehr Ozon enthält als die bodennahe Atmosphäre, was bis dahin nur eine Vermutung gewesen war.
Ab den 1930er Jahren waren Messungen der Ozonmenge bereits Routine, nachdem ein gewisser Mr Dobson das Dobson-Spektrophotometer entwickelt hatte. Dobson erkannte auch Ende der 1950er Jahre die jahreszeitlichen Schwankungen des Ozons. Da war der Mann bereits 70 und lungerte immer noch in der Antarktis rum.
Schon damals fiel den Nerds auf, das irgendwie weniger Ozon da war, als es nach diversen Berechnungen hätte sein sollen. Die logische Schlußfolgerung war natürlich, daß irgendwo was verloren geht und daher machte man sich auf die Suche nach diesen Verlusten. Man wußte bereits, daß das Sonnenlicht das Ozon sowohl entstehen läßt als auch wieder auseinanderbricht, aber da mußte es noch etwas anderes geben.
Es gab übrigens damals niemanden, der Zeitungsartikel darüber geschrieben hätte, daß die ganze Nummer mit dem fehlenden Ozon ja eine Weltverschwörung sein müsse und es ja überhaupt keinen Beweis dafür gebe, daß dieses sagenhafte Ozon tatsächlich existiere.
Heutige Präsidentschaftskandidaten der Republikaner – und nicht nur die – stellen sich in den USA hin und behaupten tatsächlich, da wandle sich überhaupt nichts im Klima und sowieso sei das ja alles noch nicht wirklich bewiesen mit dem Kohlendioxid. Woraus dann messerscharf gefolgert wird, daß das Problem ja nicht existieren kann, solange man selber nicht daran glaubt. Gerade erst hat Jeb Bush, dieser unselige weitere Sproß der Familie des Grauens, der die nächsten Jahre des Niedergangs der USA gerne zur Bereicherung seiner Sponsoren nutzen möchte, dem Papst doch angeraten, er möge sich nicht politisch in die Frage des Klimawandels einmischen, denn der sei ja gar kein Wissenschaftler.
Eine sehr scharfsinnige Bemerkung und auch ein immer wieder gerne vorgebrachtes Pseudoargument der Republikaner in Sachen Klimadiskussion. Natürlich hindert das wissenschaftlich völlig ungebildete Volltrottel in dieser Partei nicht daran, fleißig selber ihren Senf zum Thema dazuzugeben, wenn es darum geht, die Existenz des Klimawandels abzustreiten. Aber das ist natürlich was völlig anderes, nicht wahr?
Erstens ist der Papst Oberhaupt der katholischen Kirche, und wer behauptet, die Kirche sei nicht politisch, muß die letzten paar Jahrhunderte eindeutig auf einem anderen Planeten verbracht haben. Was man bei Jeb mal dringend prüfen sollte, vielleicht ist der gar nicht in den USA geboren?
,,Jeb“ übrigens deswegen, da sich Mr Bush III exakt so in seinem Wahlkampf nennen läßt und jede noch so kleine Erwähnung seines Nachnamens in der Kampagne vermeidet. Das sagt schon alles über den Mann, wie ich finde.
Zweitens ist der Papst außerdem oberster Big Boss des Vatikanstaates, der, wie das Wort schon andeutet, tatsächlich ein Staat im Sinne eines völkerrechtlichen Subjekts ist. Der gute Franziskus ist also quasi das, was Jeb noch werden will: Ein Staatschef, wenn man so will, ein Präsident. Der Staat Vatikanstadt hat sogar eine eigene Top-Level-Domain im Internet.
Drittens hat dieser Papst, als er noch keiner war und auch auch keiner werden wollte, mal Chemie studiert. Nicht an einer Universität, denn da hat das Bildungssystem Argentiniens in den 50er Jahren wohl diverse Schranken enthalten, die der Mann nicht überwinden konnte. Aber an einer Technischen Hochschule ist der damalige Jorge Mario Bergoglio rumgefallen und hat am Ende einen Abschluß gemacht, der zwar keinem deutschen Diplom entspricht, aber nach US-Maßstäben etwa zwischen einem Collegeabschluß und einem Masters Degree liegt.
Zusätzlich ist der Mann Jesuit und die standen der Existenz der Wissenschaften schon immer durchaus aufgeschlossen gegenüber.
Der tolle Jeb hat übrigens einen Bachelor of Arts hingekriegt, im Fach Latin America Studies, was einen natürlich automatisch auch zum Klima-Experten macht, immerhin gibt’s ja in Lateinamerika ein Klima. Im Gegensatz zu seinem Idioten-Bruder spricht Jeb nicht nur fließend Spanisch, sondern sogar Englisch. Immerhin.
Doch zurück zum Ozon, über das damals jeder was sagen durfte, genug Interesse vorausgesetzt, und das keine Weltverschwörungswahnsinnigen auf den Plan rief. Irgendwie verschwand das Zeug und im Laufe der Jahrzehnte stellte man dann auch fest, wie genau dieser Prozeß ablief. Was dazu führte, daß man die ursprünglich einmal angenommene Dicke der Ozonschicht auf ein Drittel reduzieren mußte. Trotzdem sprang niemand auf, um entrüstet darauf hinzuweisen, daß das ja wohl völlig unglaubwürdig sei und man mit dieser Datenmanipulation eindeutig bestätigt hätte, daß ja diese ganze Ozontheorie nur eine wissenschaftliche Erfindung sein könne.
In Bezug auf Peak Oil, Klimawandel und andere wissenschaftliche Hypothesen passiert genau das regelmäßig. Geistige Flachzangen empören sich über irgendwelche Dinge, die sie nicht annähernd verstanden haben, weil ihnen die Konsequenzen nicht in den Kram passen, und gehen davon aus, daß Wissenschaft ja eine Sache von Mehrheitsmeinung durch die gesamte Bevölkerung sein muß, wo kämen wir da sonst schließlich hin?
Was eindeutig beweist, daß zumindest das amerikanische Volk im Laufe der letzten 60 Jahre nicht klüger geworden ist. Die meisten anderen bedauerlicherweise auch nicht, wenn ich es recht überdenke.
Wissenschaftliche Erkenntnisbildung ist zutiefst undemokratisch. Die Mehrheit der Fakten gewinnt, nicht die Mehrheit der Meinungen.
1974 dann hob eine Bande Wissenschaftler den Zeigefinger und wies darauf hin, daß die Verwendung von gewissen Chemikalien, den Fluorchlorkohlenwasserstoffen, möglicherweise für den Fortbestand der Ozonschicht sehr bedenklich sein könnte. Denn die vielfach eingesetzten Mittelchen sind sehr stabil und können in die hohe Atmosphäre aufsteigen, wo sie wiederum eine im wahrsten Sinn des Wortes zersetzende Wirkung auf das Ozon ausüben.
Kein Mensch nahm diese Bedenken ernst, denn die FCKWe konnten seit Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt werden, was man ab den 1930ern auch großtechnisch tat. Verwendet wurden sie als Kältemittel in damals neu als Massenware aufkommenden Kühlschränken, als Treibmittel bei der Schaumstoffherstellung, in Lösungsmitteln und natürlich als Treibmittel in der berühmten Spraydose – übrigens ein fast 90 Jahre altes Patent.
Die Dinger waren ungiftig und unbrennbar, also eigentlich prima geeignet für ihren Zweck. Deswegen hörte auch keiner auf die Bande Nerds, die da plötzlich Bedenken äußerte. Einer dieser Warner war ein gewisser Paul Crutzen, der sich auch besorgt über den Effekt von Überschallflugzeugen auf die Stratosphäre äußerte.
Die Concorde, das technische Wunderkind dieser Zeit, war nämlich in großen Stückzahlen geplant und natürlich wußte jeder, daß wir alle spätestens 1985 nur noch mit Überschalljets durch die Gegend fliegen würden, um in sechs Stunden in Australien zu sein. Schließlich ist der technologische Fortschritt unaufhaltsam.
Professor Crutzen ist ein hochintelligenter Mensch, der Mann war in den 90ern Leiter des Max-Planck-Instituts für Chemie an der Universität Mainz und erhielt 1995 zusammen mit seinen Kollegen Mario Molina und Sherwood Rowland den Nobelpreis für seine Forschungen auf dem Gebiet der Atmosphärenchemie, namentlich der Mechanismen der Entstehung des Ozonlochs. Man kann sich also durchaus über die Zukunft des Luftverkehrs irren und trotzdem bahnbrechende wissenschaftliche Arbeit leisten. Vielleicht irrt man sich aber auch nur, weil einfach nicht genug Leute nach Australien wollen. Ich hatte mal das Vergnügen, Professor Crutzen bei einer Vortragsveranstaltung in Mainz die Hand zu schütteln, das war nämlich die Zeit, an der ich auch an der Alma Mater rumgefallen bin. Aber das ist eine andere Geschichte.
Auf jeden Fall ging das Ozon immer mehr zurück, von einem ,,Ozonloch“ war plötzlich die Rede und es wurde größer. Und größer. So groß, daß es schließlich bis nach Südamerika und Australien reichte und andere Nerds damit begannen, sich mit den Folgen des Ozonlochs zu beschäftigen, das offiziell noch immer nicht anerkannt war. Also von Politikern und Wirtschafts,,wissenschaftlern“. Alles Leute, die üblicherweise von Naturwissenschaften keine Ahnung haben, aber trotzdem vehement abstritten, daß dieses Ozon irgendwie wichtig sein solle. Wenn das Jeb gewußt hätte!
Mit Beginn der 80er ließ sich aber die ganze Sache nicht mehr schönreden. Zum sterbenden Wald auf dem Titel eines Magazins wie Stern kam dann also auch noch das Ozonloch hinzu, außerdem wurden in Deutschland Atomwaffen nachgerüstet, weil die Russen böse waren – übrigens ein auch wieder topaktuelles Problem – und natürlich war der Regen sauer vor lauter Abgasen, irgendwoher mußte das Waldsterben ja kommen. Der Tod für das vor mörderischen UV-Strahlen schützende Ozon kam derweil aus der Spraydose. Mein Bac, dein Bac.
Abgesehen von diesen ständigen Bedrohungen hatte ich eine prima Kindheit, danke der Nachfrage. Mit Wäldern, in denen man auf eindeutig lebendigen Bäumen rumklettern und in Wassergräben fallen konnte. Volle natürlich, sonst ist ja der Effekt weg.
1985 schließlich flogen diverse Wissenschaftler mit einem Flugzeug in der Antarktis herum und erbrachten den eindeutigen Beweis dafür, daß die FCKWe vom Sonnenlicht aufgespalten werden und sich dann in Ozonkiller verwandeln. Und zwar in Killer, die auf jeden Fall eine ganze Reihe an O3-Molekülen meuchelten, bevor es sie selber erwischte, quasi molekulare Rote Khmer.
Die Industrienationen der Welt kamen also zusammen und beschlossen, wenn auch widerwillig, das man da wohl was tun müsse. Die Nicht-Industrienationen nörgelten wieder was von Imperialismus und das sie den Dreck ja nicht gemacht hätten und ja wohl das Recht hätten, eben auch welchen zu machen, aber die Beweise waren eindeutig zu eindeutig.
Man beschloß also 1987 das Protokoll von Montreal, das 1989 in Kraft trat. FCKWe wurden sowohl in der Herstellung als auch in der Verwendung verbannt, wir kennen das alle als den ,,Tod der Spraydose“, die aber seltsamerweise heute noch hergestellt wird.
Tatsächlich tauchte vor einiger Zeit die Meldung auf, daß das Ozonloch ausnahmsweise kleiner wird und nicht größer. In kleiner Schrift und auf Seite 5, aber die Meldungen existieren. Das Ozonloch schließt sich wieder
und das ist auch gut so, denn in einer Welt ohne diesen Strahlenschutz hätte es sich eindeutig unangenehmer gelebt, wie andere Wissenschaftler derweil simuliert haben. Sollte die derzeit vorherrschende Tendenz weiter anhalten, dürfte sich das Thema bis 2050 erledigt haben.
Warum erzähle ich das eigentlich alles?
Weil hieraus mehrere Dinge klar werden sollten: Das Ozonloch ist heute nicht weg, es ist immer noch da, auch wenn die Aussichten positiv sind. Dieser Zustand ist nicht eingetreten, weil man nichts getan hätte, sondern weil Wissenschaftler – echte Wissenschaftler, keine Ökonomen – beharrlich darauf bestanden haben, daß es hier ein bedrohliches Problem gibt und sich Politik und Wirtschaft doch bitte mal drum zu kümmern hätten.
Es zeigt deutlich, daß Mensch durchaus in der Lage ist, einen Schaden, der durch sein Verhalten entstanden ist, zu erkennen und sogar im globalen Maßstab zu reparieren. Es zeigt aber ebenfalls, daß hierzu Zeit erforderlich ist. Von den ersten Sorgenfalten auf den Stirnen der Naturwissenschaftler bis hin zum Montreal-Protokoll sind 15 Jahre ins Land gegangen. Bis die Auswirkungen unseres destruktiven Verhaltens beseitigt sind, wird es noch 3 oder 4 Dekaden dauern. Insgesamt hat Mensch dann also vom Erkenntnisgewinn bis zur erfolgreichen Korrektur seines Verhaltens runde 70 bis 80 Jahre gebraucht. Ein menschliches Leben.
Mensch ist global durchaus zur Kooperation fähig. Aber nur, wenn er keine andere Wahl hat.
Ähnlich positiv – oder negativ – verhält es sich mit dem Sterben der Wälder. Die Tatsache, daß die letzte Regierung Kohl den ,,Waldschadensbericht“ in ,,Waldzustandsbericht“ umgetauft hat, ändert nichts an der Tatsache, daß es dem Wald in Deutschland und Europa noch immer eher lausig geht.
Auch hier ist das apokalyptische Stern-Titelbild mit toten Zahnstocherbäumen oder die nicht weniger dramatische Aufmachung eines Spiegel-Titels nicht eingetreten, weil man nichts getan hätte. Man hat Waldböden gekalkt, daß es nur so gestaubt hat, das Blei aus dem Benzin verbannt und Autos mit Katalysatoren ausgestattet. Natürlich nicht ohne massive Proteste der Autoindustrie, die selbstverständlich davon ausging, daß der Untergang des Abendlandes bevorstünde – also ein Rückgang der Gewinne in der Bilanz – wenn man denn auch nur eine Sekunde daran dächte, Autos weniger Dreck machen zu lassen. Noch heute ist diese Klage ja bei jeder neuen Abgasnorm zu hören, ebenso die Drohung der wegfallenden Arbeitsplätze. Offensichtlich braucht man weniger Leute zur Autoherstellung, wenn hinten weniger Dreck rauskommt.
Gleiche Töne kamen aus der Industrie, denn auch Rauchgasentschwefelung wurde angeordnet, da Schwefel den Regen übersäuert und das eine der Hauptursachen für das Waldsterben war. Also mußten Filteranlagen installiert werden, alles unter dem Geweine der Geschäftemacher, die sich außerstande sahen, aus ihren vorher gemachten Milliardengewinnen irgendwelches Geld abzuzweigen, um womöglich die Umwelt zu schonen. Quartalsberichte sind selbstredend wichtiger als die Zukunft der nächsten Generationen und wer braucht Umwelt, wenn er Rendite haben kann?
Und hier komme ich wieder zurück auf Peak Oil. Es gibt nämlich kein Thema, das für die Zukunft wichtiger wäre, darum sollte man sich dafür interessieren.
Ganz entgegen der Schreierei diverser Ökonomen oder anderer Leute, daß es sich ja ,,nur um eine Theorie“ handle, ist es eben genau das – eine Theorie. Also eine wissenschaftlich klar nachweisbare und erkennbare Sache, die doch sehr stark mit der Realität zu tun hat. Denn nur das wird in den Wissenschaften als Theorie bezeichnet. Alles andere ist Politik, Wirtschaftsvoodoo oder Kreationismus.
Dafür, daß Peak Oil schon mehrfach totgesagt wurde – auch aktuell wieder gerne – ist es erstaunlich hartnäckig, das Thema.
Aber die Medien berichten eben lieber über eine ,,Ölschwemme“ als darüber, woher diese scheinbare Schwemme eigentlich kommt, nämlich durch verzweifelt gegen die Pleite anfördernde Frackingfirmen und stagnierende Nachfrage.
Es erklärt auch keiner, daß das aktuelle Überangebot an Öl auf dem Weltmarkt keinesfalls bedeutet, daß wir jetzt mehr Öl hätten als vor 20 Jahren. Und es bedeutet schon gar nicht, daß wir dieses Zeug als unendlich voraussetzen können.
Das ist eine weitere Parallele zu den vorherigen, als Katastrophe angekündigten Ereignissen wie Waldsterben: Ebenso wie sterbende Wälder ist Peak Oil gar kein Ereignis, an dieser Stelle ist die Bezeichnung mißverständlich und ebenso schlecht gewählt wie früher ,,Klimaerwärmung“.
Inzwischen ist längst klar, daß sich das Klima nicht überall erwärmen wird auf unserem Planeten. Wärme ist nur ein Aspekt dieses komplexen Systems. An einigen Stellen wird es trockener, an einigen feuchter, hier und da wird es zwangsläufig sogar Gewinner des Klimawandels geben. Kanada wäre so ein Kandidat.
Auch ,,Klimawandel“ ist nicht besonders gut gewählt als Schlagwort, denn verändert hat sich das Klima im Laufe der Erdgeschichte immer wieder. Was ja auch ein Punkt ist, auf den die selbsternannten ,,Skeptiker“ immer wieder hinweisen. Ich bezeichne diese Leute als antiwissenschaftliche Vollpfosten, nicht als Klima,,skeptiker“. Es sind Wissenschaftsleugner, sonst nichts.
Denn Skepsis bedeutet, Fragen zu stellen wie: ,,Sind die Dinge wirklich, wie wir sie sehen und messen können?“ und ,,Sind unsere Interpretationen dessen, was wir da sehen und messen, auch korrekt im Einklang mit unseren Hypothesen?“
Wissenschaften in Zweifel zu ziehen, weil man selber zu doof ist oder nicht daran ,,glauben“ will, ist keine Skepsis. Es ist Realitätsabstinenz.
Skepsis dieser Art ist unabdingbarer Teil der Wissenschaften, im Grunde eigentlich sogar der Kern der wissenschaftlichen Methodik an sich.
Einfach alles in Abrede zu stellen, sich die Finger in die Ohren zu stecken und zu sagen, das mit dem Klimawandel sei natürlich nur eine bösartige sozialistische (wahlweise auch faschistische) Erfindung, um den guten Kapitalismus und seine heilige Mission der Mehrung des Weltwohlstands in Mißkredit zu bringen, ist keine Skepsis, sondern offen zur Schau gestellte Ignoranz planetarischen Ausmaßes.
Auch lautes Rumgebrülle, das sei natürlich alles nur eine Weltverschwörung, um dem armen, notleidenen US-Amerikaner mit CO2-Zertifikaten und höheren Spritpreisen Geld aus der Tasche zu ziehen, ist keine Skepsis. Hier handelt es sich um die geistige Totalunfähigkeit, irgendetwas jenseits des Komplexes von 1+1=2 auch nur annähernd zu verstehen.
Wenn ein Staat seinen Bürgern mehr Geld aus der Tasche ziehen will, dann erfindet er keinen Klimawandel. Er erfindet neue Steuern oder erhöht alte, zum Beispiel die auf den Besitz eines Autos. Das ist viel einfacher und funktioniert prima.
Wenn Wissenschaftler viel Geld für die Forschung kriegen wollen, erfinden sie auch keinen Klimawandel, dann forschen sie für die Industrie und beweisen mit windigen Methoden, daß Rauchen gesund ist, oder man so etwas wie Kohle in ,,clean coal“ verwandeln kann, die dann total umweltfreundlich verbrannt wird. Das ist zwar alles Blödsinn, aber dafür zahlt die Industrie Geld. Für Klimawandel-Forschung eher nicht.
Auch hier haben wir Parallelen zu Peak Oil. Das Thema wird nicht gerne gehört, die Industrie feindet es schon aus Gewohnheit an, die Methoden, um es zu diskreditieren, sind dieselben, die man schon mehr als einmal erfolgreich benutzt hat und der Ausdruck ist nicht exakt, wie ich schon erwähnte. Bedauerlicherweise vermittelt ,,Peak Oil“ den Eindruck eines festen Datums, eines Ereignisses, eines Moments, in dem etwas Dramatisches geschieht.
Das ist auf der einen Seite richtig, aber auf der anderen, der öffentlichen Seite, völlig falsch. Es gibt da kein Feuerwerk oder ein Erdbeben, nach dem Kalifornien im Meer versinkt wie bei Emmerichs 2012 oder sowas.
Es ist einfach der ,,Moment“, in dem die globale Erdölförderung zu sinken beginnt. Ein Knick in einer mathematischen Kurve, für die meisten Menschen – mich eingeschlossen – also das denkbar Undramatischste und Langweiligste, was sie sich vorstellen können. Dieser Moment war so undramatisch, daß er schon lange vorbei ist.
Wie man dieser kleinen Grafik deutlich entnehmen kann, sinkt die Ölförderung weltweit seit etwa 2008 bereits ab. Wir fördern nicht jedes Jahr mehr und mehr von dem Zeug, wir fördern weniger. Man beachte auch besonders den graublauen und türkisen Bereich der Grafik. Hier wird mit Öl gerechnet, das erst noch gefunden werden muß, also eine rein fiktive Größe. Ebenfalls mit Öl, das erst noch ,,entwickelt“ werden muß. Diese Größe ist nicht ganz so fiktiv, aber fast. Auf diesem Wunschdenken in Grafikform basiert also die Planung der globalen Energiezukunft auch auf politischer Ebene.
Eine exakte Vorhersage eines Datums für Peak Oil war nie möglich, dieser Punkt läßt sich erst in der Rückschau genauer festlegen. Nach diesem Punkt in der Kurve geht es unweigerlich abwärts, egal was geschieht. Wir haben also das dramatische, historische Ereignis des Peak Oil bereits hinter uns.
Ähnlich dramatisch wie das Blubbern einiger Eimer Erdöl in einem eigens angefertigten Bohrloch im Jahre 1859 oder die Wahl eines erfolglosen und giftgasgeschädigten Postkartenmalers zum Chef einer selbst für die Weimarer Republik obskuren und lächerlichen Radikalenpartei ist Peak Oil längst Geschichte geworden, ohne daß man das groß bemerkt hätte. Der historische Moment in der Entstehung des Imperium Romanum war nicht der, in dem Cäsar seine Legionen ein kleines Flüßchen in Norditalien namens Rubikon überschreiten ließ. Der historische Moment war der, in dem Sulla ein paar Jahrzehnte vorher seinen Unterstützern das römische Bürgerrecht versprach, was exakt die Forderung derer war, die gegen Sulla kämpften. Hier entsteht der imperiale geistige Anspruch einer Siedlung, die bis dahin trotz allem nur eine Stadt war. Erst das sollte einen Cäsar überhaupt erst ermöglichen.
Historische Ereignisse sind also meistens unauffällig und werden erst im Nachhinein historisch. In den allerwenigsten Fällen wissen die Beteiligten, daß sie da eben an geschichtswirksamen Dingen teilgenommen haben. Als 1914 ein serbischer Radikaler auf ein Sportcoupé schoß, in dem der Thronfolger Österreich-Ungarns mit seiner Ehefrau auf Besuch durch die Stadt Sarajevo kurvte, mögen die Umstehenden ein gewisses Gefühl der Dramatik gehabt haben. Aber keiner der Beteiligten dürfte auch nur annähernd die historische Dimension dieses politischen Attentats erahnt haben.
Wir leben also bereits im Zeitalter der Ölerschöpfung, das von vielen so beharrlich angekündigte und von noch viel mehr Menschen beharrlich ignorierte Drama ist bereits vorbei. Ich werde diesen Ausdruck also im Weiteren benutzen, statt ständig Peak Oil zu sagen. Klimatologen sprechen auch inzwischen von ,,climate disruption“, also der Zerstörung eines mehrere hunderttausend Jahre alten Musters durch menschliche Aktivitäten. Klimawandel war gestern, Klimazerstörung ist der korrekte Kommunikationsbegriff. Wissenschaftler sind halt meistens lausige PR-Typen.
Ich weise darauf hin, daß ich es bisher auch tunlichst vermieden habe, von ,,Erdölproduktion“ zu reden, wie das eigentlich in allen Quellen der Fall ist, besonders den englischsprachigen. Noch nie hat irgendwer auch nur einen Tropfen Erdöl produziert auf diesem Planeten, sieht man von der Kriegswirtschaft der Nazis mal ab. Erdöl, Erdgas und Kohle sind da und wir fördern das Zeug. Wir produzieren da gar nichts, so viel Zeit haben wir überhaupt nicht.
Eine weitere Parallele hat die Ölerschöpfung zu Themen wie Waldsterben oder Löchern im Ozon: Sie wird sich über eine Zeitspanne erstrecken, die – zumindest für meine Person – den Rest meines Lebens umfassen wird. Ähnlich wie es ein Leben braucht, um den Schaden am Ozon wieder rückgängig zu machen.
In der Beziehung hat Mensch allerdings Pech mit dem Öl und den anderen fossilen Brennstoffen. Im Gegensatz zu saurem Regen oder FCKWen gibt es hier keine Lösung für ein recht klar umrissenes Problem. Die zur Verfügung stehende Ölmenge und damit die Energiemenge wird abnehmen, völlig unabhängig davon, ob Mensch jetzt panikartig etwas zu tun versucht oder sich zurücklehnt und sagt ,,Mir Wurscht“.
Im Gegensatz zu Spraydosen ist hier das Fundament unserer Zivilisation betroffen, die Basis unseres gesamten Lebensstils auf diesem Planeten. Die Abschaffung der FCKWe haben wir alle ohne Trennungsschmerz überstanden, beim Öl sieht das eindeutig nicht so rosig aus. Wieder ein Grund, sich dafür zu interessieren.
Mit allen Mitteln wird derweil versucht, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Ob dafür in Kanada Teersande, die relativ wenig mit Öl zu tun haben, unter enormen ökologischen Verwüstungen ausgebeutet werden oder ob man dafür mit Hilfe des Hydraulic Fracturing, also Fracking, dichte Gesteine aufbricht, ohne eine Ahnung zu haben, was denn die in den Boden gepumpte Chemiebrühe so anrichten kann. Der industriell-politische™ Komplex wird nichts unversucht lassen, das Boot der Zivilisation noch eine Weile auf dem bisher üblichen Kurs zu halten.
Wenn man dafür den Steuermann erschießen muß, um seine toten Hände weiter das Ruder umklammern zu lassen, dann wird das auch irgendwer als Vorschlag bringen, da bin ich mir völlig sicher. Die außerhalb Deutschlands gerne herbeibeschworene Renaissance der Kernenergie ist so ein Symptom. Die Tatsache, daß man mit den beschriebenen Methoden ,,unkonventionelles“ Erdöl fördert und so tut, als wäre man ein Produktionsheld, ist ein weiteres. Das Fundament aus Lügen ist sehr umfangreich geworden.
Die Comic-Vorlage für den genannten Film ,,Snowpiercer“ datiert übrigens aus den 80er Jahren. Im Film wurde die Eiszeit allerdings nicht durch den Klimawandel ausgelöst, sondern durch das Versprühen von Chemikalien in der hohen Atmosphäre, die dann für eine viel zu starke Abkühlung sorgten. Die kühle Katastrophe entsteht hier also infolge der Antwort wissenschaftlich ahnungsloser Staatschefs auf die von ihnen mitverantwortete Klimazerstörung und dem Zwang der politischen Eliten, doch Handlungsfähigkeit zeigen zu müssen, um ihre goldenen Nasen zu retten, mit denen sie im Arsch der Wirtschaft stecken.
Was wie Science Fiction klingt, ist unter dem Begriff Geo-Engineering längst in gewissen Kreisen in der Diskussion. Um hier Verwechslungen vorzubeugen: Das hat nicht das Geringste mit den Chemtrails-Spinnern zu tun.
In ,,The day after tomorrow“ tritt die eiszeitliche Katastrophe durch eine kritische Aussüßung des Meerwassers im Nordatlantik ein, die zum Zusammenbruch des globalen Strömungssystems führt. Der Witz ist, daß Emmerich es hier eigentlich nur mit der Zeitskala übertrieben hat. Bereits seit den 70er Jahren wird deutlich, daß die Kraft des Golfstroms wohl bereits nachläßt, auch wenn die Nerds hier natürlich noch zanken. Immerhin ist sowas schwierig zu quantifizieren.
Sollte diese Strömung tatsächlich mal ausfallen, kriegen wir in Mitteleuropa auf jeden Fall sehr kalte Füße. Die Zukunft beginnt eben doch sehr oft am Tag vor dem Morgen.