Imperium des Öls

,,Um 1870 erzeugten die Dampfmaschinen Großbritanniens etwa 4 Millionen Pferdestärken, die Arbeit von 40 Millionen Männern, die – wäre die Industrie noch immer von Muskelkraft abhängig gewesen – mehr als das Dreifache der damaligen Weizenernte des Landes verzehrt hätten.“

Ian Morris, Wer regiert die Welt

Jura. Vor etwa 150 Millionen Jahren plusminus ein bißchen. Genauer gesagt, Oberjura. Was für Nicht-Geologen also bedeutet, dieses Erdzeitalter geht gerade zu Ende. Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre beträgt etwa 26%, etwa ein Viertel mehr als heute. Der CO2-Anteil ist mit fast 2000 ppm gut 5mal so hoch. Durchschnittstemperatur global aktuell etwa 17°C, sonnig, die Frisur sitzt. Warum das nicht viel wärmer ist, trotz des hohen CO2-Gehalts?
Bin ich Klimatologe? Vielleicht hat der hohe Gehalt an Sauerstoff was damit zu tun. Außerdem ist unsere Sonne noch 150 Millionen Jahre jünger. Da müssen Sie mal die Astronomen von damals fragen.

Gut, die Astronomen von damals sind etwa 20 Meter groß und diverse Tonnen schwer, ihr Lebendgewicht liegt im groben Durchschnitt irgendwo zwischen einer halben und 10 Tonnen. Einige Prachtexemplare sind bis zu 30 Metern lang und wiegen an die 100 Tonnen, der Diplodocus hallorum zum Beispiel.
Außerdem sind die Astronomen natürlich Dinosaurier, also Reptilien, und interessieren sich nicht für den Bau von Observatorien. Ohne Zeitmaschine werden wir also nie wissen, ob die Sonne damals einen Zacken kühler war als heute. Aller Wahrscheinlichkeit nach ja.

Willkommen auf der Erde. Nicht unserer Erde, aber die Erde.

Jurassic Earth 150 MY

Die Erde. Dinosaurier-Version. Vor etwa 150 Millionen Jahren, im Oberjura.
Grafik von Prof. Dr. Ron Blakey, Northern Arizona University
CC by SA 3.0

Der Superkontinent Pangaea hat gerade begonnen zu zerbrechen, so vor etwa 70 Millionen Jahren hat das angefangen, ist also noch nicht so lange her, nach geologischen Maßstäben war das vorletzte Woche.
Wenn ich da stehe, wo mal Deutschland sein wird, stehe ich im Wasser, meistens jedenfalls. Falls ich in Köln stehe, stehe ich an Land. Die ersten Dinosaurier lernen gerade fliegen, es ist das Zeitalter des Archaeopteryx.
Diese wärmere Welt ist voll mit Leben in jeglicher Form. Noch relativ unbelästigt von Säugetieren, obwohl es zu diesem Zeitpunkt bereits einige vielversprechende Ansätze gibt, dreht der Planet seine Runden um das Zentralgestirn und läßt sich die Sonne auf den Pelz…nein, das ist ein Säugetiermerkmal…ins Wasser scheinen.

Der größte Anteil an Biomasse lebt auch auf dieser Version der Erde genau dort, nämlich im Wasser, was wenig verwunderlich ist, wenn man sich die Erde mal so anschaut, die eigentlich Aqua heißen müßte, wären Menschen denn logisch. Aber Menschen sind nun mal eher egoistisch, außerdem existieren wir noch gar nicht und wir haben nicht die geringste Ahnung, wie die Dinosaurier den Planeten genannt haben.
Mehrere Bazillionen Tonnen an Phytoplankton, an Zooplankton und vor allem an Algen treiben sich also in den Meeren der Erde herum und tun das, was Algen und Plankton so tun. Genaugenommen ist es ein einziges Meer, denn die Landmassen hängen noch derartig dicht zusammen, daß ein Großteil des Planeten aus einem einzigen Ozean besteht. Das Mittelmeer ist noch nicht erfunden und auch der Atlantik wartet noch in der Zukunft auf sein Entstehen.

Aber es gibt Dinge, die ändern sich nie. Ebenso wie Plankton und anderes Getier haben auch Algen einen Lebenszyklus und der endet irgendwann.
Wobei Plankton ja nicht zwingend Getier sein muß und außerdem unterscheiden die Spezial-Nerds auch noch zwischen Plankton und anderem Glibber, der weiter oben rumtreibt.
Aber egal, wo die ganzen Viecher wohnen, sie sterben irgendwann und da beginnt eine erstaunliche Geschichte. Tote Algen können schlecht schwimmen und sinken daher zu Boden – der in den Meeren dieser Zeit durchaus recht weit entfernt sein kann, die Thetys-See ist tief.
Zusammen mit Tonpartikeln und anderem Zeug sinken die Algen zu Boden und landen durch die Bedeckung mit Sediment in einer recht sauerstoffarmen oder -freien Umgebung. Es entsteht das, was man in einem Klärwerk auch kennt: Faulschlamm. Nach ein, zwei Millonen Jahren hat sich hier und da eine ziemlich mächtige Sedimentfolge abgelagert, wie die Geo-Nerds das so nennen. Der Anteil an organischer Materie ist hoch.

Was nun folgt, hat eine Weile gedauert, aber was sind schon ein paar Millionen weitere Jahre. Die Natur hat es meistens nicht so eilig, Hektik ist eine rein menschliche Angewohnheit. Die Sedimentschichten lagern sich also weiter ab, der Druck erhöht sich und Druck erzeugt Wärme. Das Wasser wird aus dem Sediment herausgedrückt und bei ordnungsgemäßer Temperatur von etwa 60°C verwandelt sich die organische Substanz, die in den Algen enthaltenen Lipide, Proteine und Kohlehydrate, in etwas, das die Chemie-Nerds Kerogene nennen.
Ein schleimiges Zeug, wasserunlöslich und eher ein Feststoff. Das muß noch weiter erhitzt werden, bevor das entstehen kann, was wir heute so salopp als Erdöl bezeichnen, also flüssige Kohlenwasserstoffe.

Je nach Temperatur, Druck und Dauer entsteht so eine Lagerstätte, die aus Erdgas, also Methan, oder Erdöl, also flüssigen Kohlenwasserstoffen, besteht. Meistens findet sich beides in einem, man kennt die Bilder von Ölplattformen, die auf einem Ausleger oder einem Extraturm das dort zu findende Gas abfackeln. Das nennt sich in der Fachsprache ,,flaring“, was soviel bedeutet wie ,,wir sind zu doof, es wirtschaftlich zu nutzen, also verbrennen wir’s“.
Im Allgemeinen finden sich diese Lagerstätten in Tiefen von 2000 bis 4000 Metern, dem sogenannten Erdölfenster. Denn hier sind die Bedingungen eben gut genug, um aus dem ganzen urzeitlichen Algenmatsch Erdöl werden zu lassen.
Außerdem quetscht sich der ehemalige Schlamm im Laufe der Zeit zu Gestein zusammen und aus ihm wird das, was man als Erdölmuttergestein bezeichnet, im Fachlichen heißt das source rocks.
Je nachdem, woraus der Schlamm vorher genau bestanden hat, hat man natürlich andere Gesteine als Ergebnis, aber dafür gibt es andere Spezialisten, die sich mit sowas auskennen. Diese Gesteine, die stark kohlenwasserstoffhaltig sind, werden kein Erdöl, sie enthalten nur welches.
Was man später unter uns Säugetieren als Erdöl bezeichnen wird, sammelt sich, indem es seine ursprüngliche Position verläßt und in das Nebengestein übertritt, das natürlich entsprechend durchlässig sein muß.
Wenn man so will, verlassen die Kohlenwasserstoffe den Ort ihrer Geburt und ziehen um. Das Ganze verteilt sich nur deshalb nicht diffus im Gestein, weil es sogenannte geologische Fallen gibt.
Hier haben wir dieselbe Funktionalität wie bei Grundwasseradern: Das Öl trifft auf eine undurchlässige Gesteinsformation und sammelt sich an, wenn es nicht – durch eben diese Grundwasseradern – noch lateral verschleppt werden kann. Das ist nerdisch für ,,das Öl kann auch nicht mehr zur Seitentür raus“.
Ein sogenanntes Speichergestein, ein reservoir rock, entsteht. Der ganze Prozeß nennt sich Migration. Wenn man so will, besteht Erdöl also aus illegalen Einwanderern von anno dazumals.

Schnitt.
Die Kameraeinstellung zeigt eine Sonne, die über herumtrampelnden Dinos über den Himmel zieht. Sie beschleunigt ihre Bahn, bis sie sich in einen durchgehenden, gleißenden Strich verwandelt. Irgendwas fällt vom Himmel, riesige Flammenwolken grillen die Dinos, noch riesigere Rauchwolken steigen in die Atmosphäre.
Die Kamera zoomt zurück, Erde aus dem Orbit, eingehüllt in graue Wolken, wir sehen die Oberfläche nicht mehr. Dann klärt sich die Lage auf, Kontinente schwimmen eifrig auseinander, während von Nord und Süd riesige Eismassen über den Planeten schrammen und sich wieder zurückziehen. Das wiederholt sich mehrfach.
Schnitt.

Erde. Anthropozän. Juni des Jahres 2015 menschlicher Zeitrechnung.

The_Earth_seen_from_Apollo_17

Die Erde. Diesmal in der aktuellen Säugetier-Version.
Foto: ,,Blue Marble“ von Apollo 17, 7. Dezember 1972, Entfernung ca. 45.000 km.

Willlkommen zurück.
An dieser Stelle muß ich einmal kurz abschweifen, denn es muß im Rahmen wissenschaftlicher Genauigkeit erwähnt werden, daß es da auch noch eine andere Hypothese gibt. Die besagt, daß alles, was ich gerade beschrieben habe, Mumpitz ist und Erdöl eigentlich tief im Inneren der Erde aus geheimnisvollen chemischen Prozessen geboren wird. Nach dieser Hypothese – der sogenannten abiotischen Entstehung – ist Erdöl unendlich vorhanden.

,,Audiatur et altera pars!“ wie der Römer so sagt. Ein kleiner Ausflug in die Medienkompetenz.

Gut, falls das stimmt, können wir also morgen das neue SUV kaufen für die Tochter, damit die auch noch fleißig durch die Gegend fahren kann. Jetzt müßten mir die Anhänger der abiotischen Nummer also nur noch erklären, wie wir das mit dem Klimawandel in den Griff kriegen, schon wären alle Menschheitsprobleme gelöst.
Machen die aber nicht, denn sinnigerweise glauben die Anhänger der Abiotik auch nicht daran, daß CO2 überhaupt irgendeine Auswirkung auf die Erdatmosphäre haben kann. Wie überaus praktisch.

Die Hypothese abiotischer Ölentstehung hat so einige Schwächen. Da wären zunächst mal die Anhänger, die meistens aus kompletten Vollspinnern bestehen, die auch an Chemtrails glauben oder an eine Erde, die 6000 Jahre alt ist.
Diese Anhänger behaupten gerne, daß Erdöl nur künstlich knapp gehalten wird und die Ölkonzerne die Spitze einer Weltverschwörung sind. Ihrer Ansicht nach weinen die Ölkonzerne ständig rum ,,Mein Gott, wir haben so wenig Öl, wir müssen das teuer verkaufen.“
Seltsamerweise existieren diese Ölkonzerne aber nirgendwo auf meinem Planeten. Ich kenne nur Ölkonzerne, die ständig behaupten: ,,Das Zeug reicht noch mindestens 50 Jahre. Fahrt weiter SUVs und stellt keine Fragen.“
Irgendwie erkenne ich da eine andere Grundaussage als die von den Abiotikern unterstellte.

Eine weitere Aussage, die gerne gemacht wird, ist die, daß es ja nirgendwo Beweise gäbe für die Annahme, daß tote Algen aus Urzeiten überhaupt was mit dem Erdöl zu tun hätten. Denn – so die Argumentation – das bißchen fossile Material im Erdöl könne ja auch im Laufe der Zeit als Verschmutzung hineingelangt sein.

Wie viele Pseudoargumente ist dieses auf den ersten Blick stichhaltig. Allerdings ist es auf den zweiten Blick eben falsch. Denn es behauptet überhaupt niemand, daß man den fossilen Nachweis für die Entstehung im Erdöl findet. Man findet ihn im unliegenden Gestein.
Seit zig Jahrzehnten stellt die Erdölindustrie hochbezahlte Spezialisten ein, die einem einzigen Job nachgehen: Öl zu finden anhand von fossilen Biomarkern. So heißen die Überreste von kleinen Lebensformen von damals, die sich natürlich im umliegenden Gestein befinden müssen an Stellen, an denen es Öl gibt.
Wann immer also eine Explorationsbohrung stattfindet, entnehmen diese Typen Proben des Bohrschlamms, der mit nach oben kommt, und untersuchen ihn. Dann sagen sie dem Bohrteam die Richtung an: Mehr nach unten, mehr nach rechts, mehr nach links.
Und dann – wenn es da Öl gibt an der Stelle – treffen sie die ölführende Schicht. Ich bezweifle, daß die Ölindustrie diese Leute bezahlen würde, hätten sie keinen Erfolg. Und die arbeiten alle nach den Erkenntnissen der fossilen Theorie.
Soweit also zum ,,nirgendwo vorhandenen“ Beweis für den Zusammenhang zwischen Fossilien und Öl. Wir erinnern uns kurz: Eine Hypothese, die korrekt Dinge vorhersagen kann, muß eine gewisse Gültigkeit haben und wird zur Theorie erhoben.

Ein weiteres Scheinargument der Abiotiker ist es, einfach mal zu sagen, die fossile Theorie würde ja annehmen, daß aus einer endlichen Menge organischen Materials eine unendliche Menge an Erdöl entstanden sei. Klingt auch lustig, ist aber eben eine Unterstellung.

Niemand – also genau 0,0 Personen – der irgendwie Ahnung von Erdöl hat, hat jemals behauptet, die Erdölvorräte seien unendlich. Die Abiotiker behaupten das selber, die Fossiliker nicht.
Wirtschafts,,wissenschaftler“ behaupten ebenfalls, das Öl unendlich sei, aber die haben eben auch keine Ahnung von Öl. Das einzige, was auf dieser Welt unendlich vorhanden ist, ist Dummheit in den Köpfen mancher Menschen, ganz besonders von Ökonomen.
Es ist eine beliebte Methodik von Leuten, die keine wissenschaftlich haltbaren Argumente besitzen, der Gegenseite einfach mal etwas zu unterstellen. Diese Behauptung wird dann ,,widerlegt“ und daraus wird dann der Schluß gezogen, daß natürlich alles, was die anderen sagen, Unsinn sein muß. Daraus wird dann ebenfalls wiederum der Schluß gezogen, daß alles, was man selber sagt, selbstverständlich richtig sein muß.
Man kennt derartige Methoden aus der Politik, die ja bekanntlich auch ein Hort der Intelligenz ist. Funktioniert rhetorisch durchaus, wenn die Zuhörer nicht im entsprechenden Maß gebildet sind und den Durchblick bewahren. Wissenschaftlich bleibt es trotzdem schwachsinnig.

Ein weiteres – und ganz wichtiges Argument – der Abiotiker ist die Aussage, daß man ja Öl in bis zu 10.000 Metern Tiefe finden würde und da könne es ja nicht entstanden sein. Die gleichen Leute haben kein Problem damit, drei Sätze weiter zu behaupten, daß Erdöl in 100 Kilometern Tiefe in der Erde entsteht.
Ich verweise einfach mal nach oben – natürlich findet man Erdöl heute nicht da, wo es entstanden ist. Man findet es sogar ausdrücklich meistens nicht da, wo es entstanden ist. Das nennt man Migration und dafür braucht es Zeit und Geologie.

Manche dieser lustigen Menschen weisen dann auch noch – meistens sehr empört – darauf hin, daß man ja draußen im All schon Milliarden Tonnen Erdöl entdeckt hätte (mindestens!) und wie das denn sein könne, wo es doch auf dem Saturnmond Titan kein Leben gibt?
Was diese chemischen und auch sonst naturwissenschaftlichen Analphabeten dabei unterschlagen – oder eben nicht wissen – ist das Faktum, daß es auf dem Saturnmond Titan große Vorkommen von Methan gibt. Das ist das, was wir als ,,Erdgas“ kennen. Nun, daß Methan möglicherweise auch anorganisch entstehen kann, streitet niemand ab. Denn das wissen wir seit der Entdeckung der sogenannten Black Smoker am Boden der irdischen Ozeane. Hier findet sich ab und an – in geringen Mengen – auch Methangas.
So weit, so gut. Aber erstens wissen wir gar nicht, ob Titan unbewohnt ist. Vielleicht lebt da ja doch irgendwas. Zugegeben, das scheint unwahrscheinlich. Aber auf der Erde hat Leben die entnervende Tendenz, quasi überall aufzutauchen, wo sich dafür auch nur der Ansatz einer Möglichkeit bietet.
Zweitens – und hier kommt der Spaß ins Spiel – reden die Abiotiker in einem Satz von Erdöl, im anderen von Methan. Und zwar immer, wenn dieses Pseudoargument auftaucht. Beides sind aber unterschiedliche Dinge.
Erdöl besteht aus langkettigen Kohlenwasserstoffen. Methan heißt chemisch CH4, da binden sich also 4 Wasserstöffchen an einen Kohlenstoff, der – man erinnert sich vielleicht aus dem Schulunterricht – 4 Bindungsstellen frei hat.
Anders gesagt: Methan ist der allereinfachste und kürzeste Kohlenwasserstoff, den es überhaupt geben kann und eindeutig kein Erdöl. Der einzige Planet, auf dem man bisher Erdöl gefunden hat, heißt Erde.

Abiotiker behaupten also in Essenz, die Erde sei quasi ein mit Erdöl gefülltes Sahnekaramellbonbon.
Übrigens wird Erdöl in Raffinerien unter Druck gesetzt und in verschiedene Komponenten verkocht. Dieselöl, Kerosin, Benzin, Asphalt und anderes Zeug. Man nennt das ,,cracken“, weil hierbei die langkettigen Kohlenwasserstoffe zerbrechen und sich in kurzkettigere verwandeln.
Man sieht das daran, daß Benzin einen Verbrennungsmotor antreiben kann, weil es recht reaktionsfreudig ist. Rohöl kann man in großen Stahltanks ein Jahrzehnt lagern, da passiert überhaupt nichts. Und man könnte es auch nicht in den Tank füllen. Aber natürlich entsteht Rohöl im Inneren unseres Planeten und – ein immer erwähnter Punkt der Abiotiker – steigt nach oben, um auf geheimnisvolle Weise Erdölfelder wieder aufzufüllen.
Ich frage mich ernsthaft, warum mir dann niemand auch nur ein nachweisfähiges Beispiel für diese Behauptung nennen kann. Oder warum die USA immer noch Erdöl aus Nahost importieren und dafür viel Geld bezahlen. Oder in Kanada Teersand abgebaut wird. Wieso überhaupt mehrere Ölfelder? Eins würde doch für die USA genügen, füllt sich ja immer wieder auf.

Nein, auf diesem Planeten ist Erdöl aus fossilem Material entstanden, da kann man recht sicher sein. So wie die dreckige Kohle auch. Und wir haben davon keine unbegrenzten Vorräte und wir können auch nicht endlos viel Dreck in die Atmosphäre jagen.

Die Menschheit hat vor knapp 160 Jahren das ganz große Los gezogen. Ungezählte Tonnen an gespeichertem Sonnenlicht aus mehreren Dutzend Millionen Jahren standen plötzlich zur Verfügung, als der bereits einmal erwähnte Mr Drake in Pennsylvania 1859 auf Öl stieß und die Welt in ein neues Zeitalter eintrat.

Wir sind alle Lottogewinner. Öl hat uns dazu gemacht und die Welt verändert.

Nur ein knappes halbes Jahrhundert später war die Welt des Menschen bereits anders, als sie das jemals zuvor gewesen war.
Schiffe wurden nicht mehr von Kohle angetrieben, sondern von Erdöl. Die britische Flotte wurde im Vorfeld des Ersten Weltkriegs von einem Herrn namens Churchill extra auf Ölfeuerung umgestellt. Damit ergab sich eine höhere Geschwindigkeit und auch eine wesentlich höhere Reichweite auf See, denn Öl hat im selben Volumen einfach mehr Energie gespeichert als Kohle.
Gleichzeitig wurde die Kohle und vor allem ihre Förderung durch das massive Aufkommen des Öls so billig, daß ganze deutsche Industrielandschaften nach dem preußisch-französischem Krieg von 1871 damit befeuert wurden. In gigantischen Fabriken entstand der Stahl, in dem eine neue Generation an Artilleriegeschützen für den nächsten großen Krieg vorbereitet werden sollte.

Pferdekarren verwandelten sich in Lastwagen, in den USA verwandelten sich Mähmaschinen mit sechs PS – nämlich sechs Pferden davor – in Bilder, wie man sie heute von der Geteideernte kennt:

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Getreideernte im 21. Jahrhundert. Erde, Provinz USA.
Bildquelle

Städte verwandelten sich von lauten, stinkenden Orten mit Hufgetrappel in laute, anders stinkende Orte mit Automotoren und Hupgeräuschen. Was für ein Fortschritt.
Die Elektrizität, die sich schließlich in ihrer wechselstromigen Form durchsetzte, wurde gerne durch das Verbrennen von Erdöl gewonnen und trieb Straßenbahnen an. Die Erzeugung von Aluminium im industriellen Maßstab erfordert riesige Mengen an Strom, denn das Basismaterial wird mit Schmelzflußelektrolyse aufbereitet. Zwischen 13 und 18 KWh pro Kilogramm Aluminium sind erforderlich.
Kaum war das Flugzeug erfunden, bombardierte man damit Städte, anfangs noch dilletantisch, aber bald darauf schon wesentlich professioneller.
1927 flog ein Kerl namens Lindbergh erstmals über den Atlantik. Wieviel Sprit er dabei verbraucht hat, ist mir nicht überliefert. Aber nur ein paar Jahrzehnte später flogen mit Düsenantrieben ausgerüstete Riesendinger mit hunderten Passagieren ebenfalls über den Atlantik. Statt Flugbenzin, wie der Antrieb von Lindberghs Spirit of St. Louis, verbrauchten die Düsentriebwerke Kerosin, aber beides entstammt dem Öl.
Zwischendurch wurde nach dem Ersten ein Zweiter Weltkrieg ausgefochten, ganze Flotten zogen über den Pazifik und durch die Luft, um den Erfindungsreichtum der Menschheit beim gegenseitigen sich-das-Licht-ausblasen ausgiebig zu feiern.
Nach Schätzungen haben die USA im Zweiten Weltkrieg ein Drittel ihrer gesamten Ölvorräte verbraucht. Energie treibt Produktion an, und es war die Produktion, die den Krieg gewann.

Heute leben wir endgültig im Imperium des Öls. Egal, ob wir das wollen oder nicht. Im fossilen Imperium geht die Sonne niemals unter und die Uhren bleiben nie stehen.

90% des Transportwesens auf unserem Planeten laufen über die Ozeane ab. Gigantische Containerschiffe schaffen Waren aus allen Kontinenten auf alle anderen Kontinente. Der einzige Ort, an dem Menschen nicht in einem Supermarkt Dinge kaufen können, die auf ihrer Landmasse gar nicht wachsen, ist meines Wissens die Antarktis mit ihren Forschungsstationen, aber ich kann mich da irren.
Die Stationen selber gäbe es ohne Erdöl auch nicht, denn natürlich fiegen dort unten Hubschrauber. Diese Erfindung wiederum erreichte erst in den 50er und 60er Jahren ihre echte und heute bekannte Einsatzreife, als der bis dahin verwendete Verbrennungsmotor – groß und schwer – durch eine Gasturbine ersetzt werden konnte – klein und leicht.
Damit standen dem Drehflügler plötzlich all die Einsatzmöglichkeiten offen, die Hubschrauber heute so haben, von der Beobachtung ertrinkender Eisbären über Menschenrettung in den Bergen bis hin zur Brandbekämfung in Kalifornien oder Spanien aus der Luft.

Die Kleidung, die wir tragen, ist wahrscheinlich zumindest teilweise aus Kunstfasern gemacht, die wiederum aus Erdöl entstehen. Selbst wenn die Klamotten aus ökologisch angebauter Biobaumwolle bestehen, ist die unter Einsatz fossiler Kräfte geerntet worden. Denn statt Sklaven ernten heute Maschinen das ganze Zeug und diese Maschinen werden von Dieselmotoren angetrieben.
Außerdem ist Baumwolle schweinemäßig unökologisch, denn sie verbraucht geradezu unglaublich viel Wasser, wenn sie nicht da angebaut wird, wo sie ohnehin natürlich vorkommt. Die Pumpen des Bewässerungssystems werden elektrisch angetrieben, zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit. Und dieser Strom wird, ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit, fossil erzeugt, wahrscheinlich aus Kohle.

Wir sind alle Sklavenhalter in einem globalen Imperium aus Öl. Das verschafft uns eine Freiheit, die noch nie zuvor existierte. Und macht uns zu Sklaven.

Das 20. und 21. Jahrhunderts hat die Sklaven, die in großer Menge auf römischen Latifundien arbeiteten, für jeden von uns, der in einem Land der G7 oder G20 wohnt, durch einen beständig wachsenden Zustrom an fossiler Energie ersetzt.
Statt menschlicher Sklaven schuften heute überall verdeckte Kilowattstunden für uns, egal was wir tun.
Aus Muskelarbeit oder mechanischer Energie in Form von Wind- und Wassermühlen sind Stromrechnungen geworden, aus Pferden vor dem Pflug oder dem Balkenmäher Pferdestärken des Mähdreschers oder des Traktors. Aus den Feldgrößen eines ,,Morgen“, der so heißt, weil ein Bauer mit einem Pferd diese Fläche an einem Morgen gut bearbeiten konnte, sind Felder geworden, die so groß sind wie ganze Bundesländer Deutschlands und die von gigantischen Maschinen abgeerntet werden.
Ein kräftiger Sklave, der mit seinen schweißglänzenden Muskeln 12 Stunden täglich schwer schuftet, liegt bei etwa 2,4 KWh oder 200 Watt pro Stunde.
Der gesamte Energieumsatz der Menschheit liegt bei etwa 14 Terawatt pro Jahr. Wie in der Computerindustrie folgt die Vorsilbe ,,Tera“ hier dem ,,Giga“, bedeutet also 1000 Milliarden oder 1012 Watt.

Wir fahren mit Autos, in denen 120 Pferdestärken vor sich hin werkeln, über Autobahnen, die übrigens auch mit fossilen Brennstoffen hergestellt werden und aus fossilen Materialien bestehen. Die Energiemenge, die hier der Arbeit von 500 Menschen entspricht, die das Fahrzeug ziehen, kaufen wir für einen fast symbolischen Betrag an der Tankstelle.
80% aller Mandeln kommen aus Kalifornien, einem Staat, der zu großen Teilen aus Wüste und Halbwüste besteht. Die Hälfte des in der USA verkauften Gemüses kommt von dort. Energiesklaven bewässern das Land, sie ernten das Gemüse und die Mandeln, sie verladen die Ernte in Schiffe und in Lastwagen, sie bringen die Schiffe über das Meer und ziehen die Lastwagen über die Straße. Andere Energiesklaven kühlen dabei die Fracht, bis diese schließlich in unseren Supermärkten landet, die wir mit den besagten Autos ansteuern, um dort frisches Obst und Gemüse zu erwerben. Ebenfalls für einen eher symbolischen Betrag.

Es gibt über eine Milliarde Autos auf der Welt. Niedrige Schätzungen gehen davon aus, daß Mensch täglich die Arbeit von 22 Milliarden Energiesklaven benutzt. Schon angesichts der Anzahl an Fahrzeugen erscheint das übertrieben optimistisch.
Andere Schätzungen gehen von 122 Milliarden Energiesklaven aus, was bereits deutlich realistischer aussieht. Etwa 17 Energiesklaven für jeden Menschen der Erde, wobei die sich natürlich völlig ungleich verteilen.

Ebenso wie sich auf den römischen Latifundien, den riesigen Landbesitzen der in der Stadt lebenden Römer, viel mehr Sklaven als Herren aufhielten, halten sich auch heute viel mehr Sklaven als Herren auf unserem Planeten auf.
Aber diese Sklaven können nicht weglaufen. Sie revoltieren nicht. Sie haben keine Ansprüche und keine Bedürfnisse.
Die Basis unserer gesamten Zivilisation ist der größte Lottogewinn der Geschichte. Wir mußten nichts tun, um den größten Schatz zu erzeugen, den es auf unserem Planeten jemals gegeben hat: Fossile Brennstoffe.
Alle dafür nötige Arbeit ist lange vor dem Erscheinen des ersten Menschen auf der Bühne bereits erledigt worden. Sonne, Schlamm, Algen, Plankton und Zeit haben alles für uns getan, was getan werden mußte.

Ebenso wie die Römer mit ihren riesigen Landgütern von ihren Sklaven abhängig waren, sind wir abhängig von unseren. Wir sind abhängig auch im Sinne des Süchtigen, denn alles, was wir Zivilisation nennen, beruht auf dem gefundenen Schatz. Unsere Städte trinken Energie und atmen CO2 aus, während wir, festlich beleuchtet von fossilen Brennstoffen, zum Essen Platz nehmen und darangehen, unsere tägliche Portion Öl zu verspeisen. Unser täglich Öl gib uns heute.

Ab einem gewissen Punkt beherrscht der Sklave seinen Herrn womöglich mehr als es umgekehrt der Fall ist.

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