„Der Mensch bringt sogar die Wüsten zum Blühen. Die einzige Wüste, die ihm noch Widerstand
leistet, befindet sich in seinem Kopf.“
Ephraim Kishon
Ich hatte hier bereits einmal angedeutet, daß das Problem der Überbevölkerung des Planeten Erde in Wirklichkeit gar nicht so groß ist, wie viele Menschen immer gerne annehmen. Nun, natürlich ist das ganze ein Problem, denn zweifellos wird die Bevölkerung der Erde in den nächsten Jahrzehnten weiterhin zunehmen. Also, an Kopfzahl, nicht wie ich an Gewicht. Aber diese Tatsache ist nicht das Hauptproblem, dem sich Mensch in weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts gegenübersieht.
Für mich ist das aktuelle Jahr, nach einem recht weit verbreiteten Kalender das Jahr 2015, ein etwas besonderes Jahr. Denn die derzeitige Weltbevölkerung besteht aus ungefähr 7.322.430.400 Exemplaren des Homo sapiens.
Meine quasi ganz persönliche Zahl ist 3.674.766.677. Solche Spielereien kann man übrigens hier nachschlagen.
Mit ein wenig Berechnung läßt sich feststellen, daß in etwa 121 Tagen, am
16. Oktober des Jahres 2015, die Weltbevölkerung exakt doppelt so groß sein wird wie am Tag meiner Geburt. Schon viermal hat die Masse Mensch eine weitere Milliarde hinter sich gelassen, seitdem ich selber Teil dieser Masse geworden bin. Da sage noch einer, man kann die Zukunft nicht vorhersagen.
Bereits 1798 ndZ erschien ein in dieser Hinsicht durchaus wichtiges Werk, nämlich Essay on the Principle of Population, geschrieben von einem gewissen Thomas Malthus.
Der Mann war nicht etwa Evolutionsbiologe, denn die Evolution war noch nicht erfunden. Er war Ökonom, also Wirtschaftswissenschaftler. Aber das war zu einer anderen Zeit, deshalb schreibe ich den Herrn nicht in Anführungszeichen.
Malthus‘ Essay läßt sich recht kurz und bündig zusammenfassen: Menschliche Bevölkerung wächst exponentiell, die Erträge des Ackerbaus aber nicht. Zwar ließe sich, so Malthus, der Ertrag von Ackerflächen durch Bewässerung um etwa 20% steigern, aber dieser Zuwachs erzeuge dann wiederum keinen weiteren Zuwachs. Irgendwann muß also, rein logisch fortgesetzt, der Menschheit die Nahrung ausgehen.
Malthus zog dann daraus die Schlußfolgerung, daß Menschen, die halt das Pech haben, zu einem Zeitpunkt geboren zu werden, an dem es nicht mehr genug zu essen gibt, leider auch keine Lebensberechtigung hätten:
„Ein Mensch, sagte er, der in einer schon occupirten Welt geboren wird, wenn seine Familie nicht die Mittel hat, ihn zu ernähren oder wenn die Gesellschaft seine Arbeit nicht nötig hat, dieser Mensch hat nicht das mindeste Recht, irgend einen Teil von Nahrung zu verlangen, und er ist wirklich zu viel auf der Erde. Bei dem großen Gastmahle der Natur ist durchaus kein Gedecke für ihn gelegt. Die Natur gebietet ihm abzutreten, und sie säumt nicht, selbst diesen Befehl zur Ausführung zu bringen.“
Ganz ökonomisch-herzlich hier der Gedanke, daß natürlich nur denen das Leben verweigert wird, deren Erzeuger sich ihre Ernährung nicht leisten können. Für die Reichen und Mächtigen stellt also die Grenze der Ernährung kein Problem dar, man hat ja Geld. Wenn man damit ein paar anderen armen Schweinen das Notwendigste wegkauft, ist das ja nicht weiter tragisch.
Unter anderem auf Grund dieser Passage hat die spätere Geschichte Malthus die Liebe entzogen und das Wort ,,Malthusianer“ gilt heutzutage unter Wissenschaftlern als eindeutige Beschimpfung.
Aber es gibt einen weiteren Grund dafür, daß Malthus in die staubige Kommode auf dem Dachboden der Wissenschaftsgeschichte verbannt worden ist.
Die Weltbevölkerung wächst nämlich seit seiner Zeit massiv an und trotzdem ist es bisher nicht zu der Mangelsituation gekommen, die der Mann vorausberechnet hat. Offensichtlich lag der Kerl also total falsch. Gut, das ist jetzt nicht verwunderlich, immerhin war er wie erwähnt Ökonom und deren Vorhersagen stimmen ja normalerweise nie.
Andererseits war seine grundlegende Überlegung durchaus richtig, denn Ackerboden ist begrenzt auf der Erde. Übrigens eine Erkenntnis, der sich ein heute noch gerne zitierter Großvater der Wirtschaftstheorie, Adam Smith, ebenfalls nicht verschließen konnte. Der heute als Begründer der Freien Marktwirtschaft gefeierte Smith, der in irgendwelchen Texten immer wieder gerne mit seinem Prinzip der „unsichtbaren Hand“ zitiert wird, spricht in seinem Werk The Wealth of Nations sehr wohl von…Grenzen des Wachstums!
Was daran liegt, daß für Smith eben vor allem der Besitz von Boden ein Maßstab des Wohlstands war und der ist nun einmal begrenzt. Das heute gelieferte Zitat mit der unsichtbaren Hand entspricht übrigens nicht dem Originaltext, was in meinen Augen wieder einmal beweist, daß heutige Wirtschafts,,wissenschaftler“ in den allermeisten Fällen nur das nachquatschen, was ihnen irgendwer erzählt hat, selbst in ihrer eigenen Disziplin.
Die Schlußfolgerung von Malthus, daß die Erzeugung von Nahrung mit dem Wachstum der Weltbevölkerung nicht Schritt hält, ist also eigentlich vollkommen logisch und auch mathematisch korrekt. Sie entspricht ebenfalls den Tatsachen der Geologie und Geographie, hat also sehr wohl eine korrekte naturwissenschaftliche Basis.
Das ist der zweite Grund für die Verbannung von Malthus – er hat sich offensichtlich geirrt, denn bisher ist die Menschheit nicht in dem Ausmaß verhungert, wie er das errechnet hatte. Doch wie kann das sein, wo er sich doch eigentlich an nachvollziehbare Fakten gehalten hat?
Die Zukunft besteht nicht aus dem Heute, nur mehr davon. Fundamental richtige Dinge bleiben trotzdem richtig.
Die Antwort darauf ist ebenso simpel wie kompliziert. Malthus hatte einfach die Zukunft völlig falsch eingeschätzt. Als dieser Mann starb, im Jahr 1834, war die Welt des Menschen noch eine völlig andere als heute.
Die USA hatten es noch nicht geschafft, Mexiko die Hälfte seines Landes zu klauen, das geschah erst ein gutes Jahrzehnt später.
Napoleon Bonaparte war erst etwas über zehn Jahre tot und Europa hatte auf dem Wiener Kongress 1815 die Uhren ins monarchistische Zeitalter zurückgedreht.
Das britische Empire war noch ein echtes Empire, über das sich jeder Brite freudig den Schnurrbart über der steifen Oberlippe kämmen konnte. Und die Thronbesteigung der jugendlichen Prinzessin, die dieses Empire in sein Goldenes Zeitalter führen sollte, das man später nach ihrer fast ewigen Herrschaft benennen würde, lag noch 3 Jahre in der Zukunft. Victoria war nämlich erst 15.
Die Flotte des Empire beherrschte die Wogen des Planeten – und wurde von Segeln angetrieben. Die Welt, in der Malthus seinen Essay schrieb, war zwar bereits in Nahkampfkontakt mit Kohle gekommen und auch die Industrialisierung hatte bereits begonnen – zumindest in England – aber insgesamt schrieb Malthus sein Werk auf einem Agrarplaneten, dessen Hauptarbeit von Menschen verrichtet wurde, nicht von Maschinen.
Hohn und Spott wird heute über Menschen ausgeschüttet, die sagen, das Ewiges Wachstum nicht möglich sei und tatsächlich wird dabei gerne auch der Name Malthus und seine katastrophale Fehleinschätzung als Beleg herangezogen. Meistens sind diese Menschen, die da spotten, Wirtschafts,,wissenschaftler“ und die feine Ironie, daß sie den völligen Irrtum eines der ihren als Beweis für die Korrektheit ihrer heutigen Theorien heranziehen, scheint den meisten dieser Menschen zu entgehen.
Aber nun ja, Ökonomen haben sich nach meiner Erfahrung noch nie durch feinsinnige Kultur ausgezeichnet.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts geschah etwas, mit dem niemand rechnen konnte und es deshalb auch nicht tat: Mensch entdeckte das Erdöl.
Oder besser, man entdeckte das Erdöl in der Moderne als irgendwie nützliches Zeug. Bekannt war das Erdöl schon im alten Persien und in verschiedenen Gegenden der Welt, in denen antike Fischer es benutzten, um ihre Boote mit dem hier natürlicherweise in Seen zu Tage tretenden Asphalt abzudichten. Schon Asterix und Obelix begeben sich in der entsprechenden Geschichte auf die Suche nach Steinöl für ihren Druiden.
Doch dann machte sich erstmals jemand auf, um dieses Zeug tatsächlich aktiv zu suchen und zu finden. Grund dafür war ein katastrophaler Mangel an Waltran, der bis dahin bei vielen Gelegenheiten benutzt worden war, vom Pflegen des Schuhwerks bis zur Schmierung diverser Teile dieser neumodischen Maschinen, die überall auftauchten. Der Grund für den immer stärkeren Mangel an Tran war ein eklatanter Mangel an Walen.
Denn Mensch hatte mit seinen Walfängern die großen Meeressäuger derartig belästigt, daß Moby Dick und seine Verwandten immer schwerer zu finden waren. Wie das halt so ist, wenn man kurz vor dem Aussterben steht.
Ein gewisser Mr Edward Drake wurde also tatsächlich als erster Mensch beauftragt, mal mehr von diesem seltsamen Zeug zu finden, denn man erhoffte sich hier kommerzielle Alternativen zum häufigsten Verwendungszweck des stetig teurer werdenden Waltrans: Lampenöl.
Drake machte sich also auf, um mehr von diesem lästigen Zeug zu finden, daß gerne mal Salzbohrungen behinderte und deswegen nicht gerade beliebt war. Zuerst versuchte der geologisch völlig unerfahrene Eisenbahnmann Drake, nach dem Öl zu graben, was aber durch Grundwasser sehr schnell beendet wurde.
Dann verfiel er aufs Bohren, wozu er die Ausrüstung benutzte, wie sie auch die Salzbohrer verwendeten. Als kleine Ironie der Geschichte bedeutet das, daß Drakes Bohrausrüstung damals natürlich von einer Dampfmaschine angetrieben wurde. 1859 kam Drake durch eine Kombination aus Hartnäckigkeit, Starrsinn und Glück schließlich zum Erfolg.
Drakes Bohrung bei Titusville, einem Nest im US-Bundesstaat Pennsylvania, erbrachte den erstaunlichen Ertrag von gut 4000 Litern täglich.
Da es keine anderen Behälter gab, um das schwarze Zeug abzufüllen, benutzte man Weinfässer für diesen Zweck und deshalb hat ein Barrel in der Ölindustrie heute 159 Liter und heißt eben auch so wie er heißt.
Nach den Maßstäben der Saudis und aller anderen sind 25 Fässchen pro Tag natürlich lächerlich wenig. Bei aktuell mit Fracking beschäftigten Firmen in den USA sind aber auch wieder Quellen dabei, deren Ergebnisse eher in Litern als in Barrel gemessen eine vierstellige Zahl erreichen und trotzdem als lebensrettend angepriesen werden. Wobei die Marktschreier des neuen Öl„booms“ nie sagen, für wen das lebensrettend sein soll, was sie da treiben.
Vermutlich für die daran beteiligten Firmen und Banken. Tatsächlich gilt jede Fracking-Quelle, die täglich dreistellige Barrel-Ergebnisse einbringt, bereits als „sweet spot“.
Aus dem Erfolg der ersten echten Erdölbohrung in der Geschichte wurde jedenfalls etwas, das zu diesem Zeitpunkt ebenfalls keiner der Beteiligten in seiner kompletten Form hätte erahnen können: Wir. Oder besser, unsere heutige Zivilisation.
Die Welt, wie wir sie kennen, nimmt erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts Form an. Alles andere ist damals™
Der Waltran wurde tatsächlich durch Lampenöl ersetzt, wodurch sich der Aufstieg des ersten gigantischen Industriemonopolisten ergab, nämlich der Standard Oil.
Der Reichtum des Firmengründers, ein Herr Rockefeller, sollte sprichwörtlich werden. Tatsächlich leben seine Enkel und Urenkel noch heute von dem Vermögen, das vor mehr als einem Jahrhundert geschaffen worden ist.
Rockefeller monopolisierte nicht etwa die Bohrungen nach Öl, die sich nach den ersten Funden rasch vermehren sollten – tatsächlich löste Drakes Erfolg einen echten Ölboom aus, der dem Goldrausch ein Jahrzehnt zuvor in Kalifornien in nichts nachstand.
Rockefeller monopolisierte stattdessen den Transport dieses Öls auf dem damals besten Transportmittel, der Eisenbahn. Sehr weise von ihm, ich persönlich hätte ja in einer der Goldgräberstädte auch einen Laden für Schaufeln und Spitzhacken gegründet und nicht etwa nach Gold gegraben.
Außerdem behauptete er, ein Öl stets gleichbleibender Qualität zu liefern, das man am besten in den dazugehörigen Lampen verbrannte. Die Lampen gab es fast umsonst, das dazu notwendige Öl natürlich nicht.
Diese Marketingstrategie mag einem bei kurzem Nachdenken sehr bekannt vorkommen, ich denke da an Druckerpatronen und anderes Zeug der heutigen Zeit. Rockefeller gelang es tatsächlich, den neuen Markt aufzurollen wie weiland Microsoft das Internetsurfen. Das strahlende Licht einer Kerosinlampe war im ländlichen Amerika des Jahres 1880 nicht etwa ein Zeichen von Rückständigkeit, wie wir das heute empfinden würden, sondern eines von Fortschritt.
Eine sichere, nicht zu teure Lichtquelle zur Verfügung zu haben, ist eine Veränderung von derartiger Tragweite, daß wir sie uns in unserer lichtdurchfluteten Zeit kaum noch vorzustellen vermögen.
In den großen Städten aber erwuchs Rockefeller bald eine unangenehme Konkurrenz, die ebenfalls keiner vorhersehen konnte: Elektrisches Licht. Nachdem Thomas Alva Edison die Glühbirne erfunden hatte, ging der umtriebige Erfinder daran, dieses neue Produkt in großen Mengen herzustellen, was wiederum eine weitere Entwicklung erforderte, nämlich das eben erwähnte elektrische Licht, oder besser, die dafür notwendige Infrastruktur.
Das New York der damaligen Zeit glänzte des Nachts eben mit Gasbeleuchtung, aber Edison brauchte Strom für seine Glühbirnen.
Insgesamt eine schwierige Aufgabe, denn Fachpersonal gab es natürlich noch nicht wirklich, Kabel auch nicht und außerdem mußte man sich erst einmal darauf einigen, welchen Strom man denn nun eigentlich haben wollte, den Gleichstrom oder den Wechselstrom. Allein über diese Geschichte könnte man ein ganzes Buch schreiben, was andere auch bereits getan haben.
Dazu kommt natürlich die Problematik, daß man den Strom ja irgendwo erzeugen muß, aber Kraftwerke dafür eben nicht verfügbar waren. Auch die mußten erst einmal erbaut werden, wozu man aber genug Leute braucht, die eben elektrisches Licht verwenden, denn sonst baut ja kein Mensch Kraftwerke. Auch hier ist wieder deutlich dieselbe Problematik zu sehen, die die Einführung eines wirklich umwälzenden Produktes mit sich bringt.
Ähnlich wie bei der Lasertechnik mag sich auch damals so mancher gedacht haben: „Nette Lösung, aber wo ist das Problem?“
Deshalb waren Edisons erste Erfolge in Sachen Elektrifizierung meistens spektakuläre Einzelaktionen, die Beleuchtung eines Theaters oder andere Dinge, wofür dann jeweils vor Ort der Strom erzeugt wurde.
Und so gehörte der Kerosinlampe weiterhin das Land, aber die Städte gehörten den Gaslaternen und – ab und zu jedenfalls – dem elektrischen Licht. Rockefellers Lampenimperium war bedroht.
Doch Rettung nahte in Gestalt deutschen Erfindergeistes. Gottlieb Daimler meldete 1883 einen ausgereiften Verbrennungsmotor zum Patent an, ein anderer Typ namens Carl Benz schraubte das ganze unter eine Kutsche und erschuf so 1886 patentmäßig besichert den ersten Benz-Motorwagen, was heute als Geburtsstunde des Automobils gilt. Ob das jetzt ein glorreicher Moment der Geschichte war oder eher ein grauenvoller, darüber ließe sich streiten.
Sicher ist nur, daß die Firma Daimler-Benz für ihre überkandidelten Motorkutschen noch heute einigen Leuten viel Geld aus der Tasche zieht.
Ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts war das neu erfundene Auto die Maschine, die einen Rockefeller davor bewahrte, womöglich als verarmter Geldadel zu enden. Denn die neuen Maschinen brauchten Benzin und anfangs mußte man das noch in der Apotheke kaufen, was mit wachsender Fahrzeugzahl keine gangbare Lösung mehr war. Rockefeller konnte da mit seinen Raffinerieprodukten in die Bresche springen.
Der Erste Weltkrieg mit seinen ersten Flugzeugen und ersten Panzern war auch der erste Konflikt, der von fossiler Energie getragen wurde. Noch bevor Europa sich in seinen Untergang stürzte, erfand ein Henry Ford das Fließbandprinzip und installierte es in seinen Fabriken. 1913 kostete ein Ford Modell T etwa 3400 Dollar.
Kaum war das Morden in Europa beendet, hatte die Massenproduktion diesen Preis etwa gedrittelt, das Modell T war 1920 für ungefähr 850 Dollar zu haben. Amerikas Städte verwandelten sich in die ersten Verkehrsstaus der Welt.
Überall entstand Veränderung. Das Pferd verschwand mit Anfang des 20. Jahrhunderts langsam aus den Städten, mit Anbruch der 1920er Jahre verschwand es dann auch langsam vom Land. Der Traktor wurde erstmals in großem Stil produziert – nach dem Fordschen Prinzip – und an amerikanische Farmer ausgeliefert. Tatsächlich war der Fordson Typ F der erste in großen Stückzahlen produzierte Traktor der Welt. Traktoren hatte es schon seit Erfindung der Dampfmaschine gegeben, aber das Verhältnis von Leistung zu Eigengewicht ist bei einer Dampfmaschine eben massiv schlechter als bei einem Verbrennungsmotor, weshalb die frühen Dampftraktoren normalerweise nur einen sehr begrenzten Einsatzbereich hatten – wer will schon sein tonnenschweres Gerät aus dem Boden ausbuddeln, in dem es vorher versackt ist?
Die solchermaßen mit einem neuen Zuggerät beglückten Farmer wiederum düngten ihre Felder nach und nach mit einem weiteren Wundermittel der damaligen Zeit: Stickstoffdünger.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte das Deutsche Kaiserreich mit Problemen bei seinen Ernteerträgen zu kämpfen gehabt, denn der Welt ging der Guano aus. Diese Berge von natürlichem Dünger – um es salopp zu sagen, Vogelscheiße – waren etwa seit den 1840er Jahren eine Quelle des Reichtums für das sich industrialisierende Europa und Nordamerika gewesen. Die Exkremente aus zig Jahrzehnten, angehäuft von Seevögeln auf diversen Inseln vor Chile, Peru, Bolivien oder Westafrika hatten viele Felder in den USA und Europa mit dem so wichtigen Stickstoff versorgt. Doch auch hier war es nicht möglich, dem Schicksal einer jeden nicht erneuerbaren Ressource zu entrinnen, nämlich der Erschöpfung der Vorräte.
Schon 1898 wurde klar, daß die Vorkommen des „Chilesalpeters“, wie der Guano damals genannt wurde, den steigenden Bedarf nicht würden decken können.
Sir William Crookes, der Präsident der British Association for the Advancement of Science, sprach in einer Rede von seiner Besorgnis, daß die zivilisierten Nationen – also natürlich besonders und vor allem England – bald nicht mehr genügend Nahrung produzieren könnten. Malthus hätte in dem Moment bestimmt genickt.
Crooke zeichnete auch eine Lösung vor, mit Hinweis auf die Tatsache, daß die Erdatmosphäre ja nun reichlich Stickstoff enthält.
Die Umwandlung von Luftstickstoff in etwas, womit man Pflanzen düngen kann, wurde unter der Formel „Brot aus der Luft“ einer der Forschungsschwerpunkte der damaligen Zeit. Da Stickstoff so verdammt träge ist, nehmen Pflanzen ihn nämlich nicht einfach aus der Luft auf, was ja an der Stelle viel einfacher wäre.
Die Dunkle Seite der Macht ist manchmal dieselbe wie die helle. Das hat Yoda uns nie verraten.
Die Lösung kam 1908, allerdings nicht aus dem zivilisierten England, sondern einer der anderen unzivilisierten Barbarennationen des Planeten Erde, nämlich Deutschland. Die Herren Fritz Haber und Carl Bosch erfanden eine Möglichkeit, Stickstoff aus der Atmosphäre künstlich zu fixieren, das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren war geboren.
Haber erhielt 1918 für seine „Katalytische Synthese von Ammoniak“ den Nobelpreis für Chemie, ein nicht unbeträchtlicher Teil der aktuellen Weltbevölkerung verdankt seine Existenz und sein Essen dieser Erfindung.
Gleichzeitig ist Haber der Mann, der auch als „Vater des Gaskrieges“ in die Geschichte eingegangen ist, denn er war es, der während des Krieges die deutschen Gastruppen leitete, eine neue Pioniereinheit innerhalb des kaiserlichen Heeres. Die Einsätze von Chlorgas oder Phosgen gegen alliierte Truppen haben Militärgeschichte geschrieben. Außerdem war es mit dem Haber-Bosch-Verfahren möglich, Sprengstoff ohne natürlichen Salpeter zu produzieren.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde das Verfahren in industriellem Maßstab genutzt, um immer mehr Felder zu düngen. Es war das eingetreten, was in den heutigen Wirtschafts„wissenschaften“ zu einem Gesetz erhoben worden ist.
Geht einem ein wichtiger Rohstoff aus, dann wird die Macht des Marktes dafür sorgen, daß irgendwoher ein Ersatzstoff kommt. Man nennt das Substitution und heute ist diese Annahme ein festes Dogma der meisten Ökonomen, die ihre Expertenmeinung über von ihnen ausgelöste Wirtschaftskrisen verbreiten.
Was dann folgte war ein weiterer Krieg, der Aufstieg der USA zu einer Supermacht und die 50er Jahre mit ihren Pestiziden, Herbiziden, mehr Kunstdünger, mehr Menschen, mehr Ackerfläche, mehr Kriegen, mehr Bewässerung und mehr Traktoren, diesmal auf allen Feldern der westlichen Welt, von Kalifornien bis Kassel. Die Weltbevölkerung begann, in beängstigender Geschwindigkeit zu wachsen und trotzdem verhungerte sie nicht.
Zumindest nicht, wenn man das Glück hatte, in einem der sogenannten „entwickelten Länder“ aufzuwachsen. In meiner Schulzeit sagte man da noch die Wahrheit, da hießen diese Staaten nämlich „Erste Welt“.
Heute gilt das nicht mehr als korrekt, also zu ehrlich. Außerdem macht damit ja ganz deutlich, daß wir uns in unserem Wohlstand den anderen als überlegen betrachten.
Wir müssen diesen Typen ja überlegen sein, immerhin suhlen wir uns im Luxus und die nicht. So ist auch heute noch das Weltbild vieler Menschen – ähnlich wie die Auffassung der Bewohner des Britischen Empire über „zivilisierte Nationen“ gewesen sein dürfte – aber wir heucheln das einfach besser weg, indem wir solche Sachen wie „aufstrebende Länder“ (Zweite Welt) oder „sich entwickelnde Volkswirtschaften“ (Dritte Welt) benutzen.
Malthus hätte aus der Tiefe seines Grabes sicherlich Protest dagegen erhoben, daß man ihn wissenschaftlich so derartig kaltgestellt hat. Vermutlich hätte der Herr darauf hingewiesen, daß wir mit diesem ganzen Maschinenkram und den anderen Wundermitteln ja eindeutig schummeln, und überhaupt – woher hätte er das denn ahnen sollen? Und damit hätte Malthus auch völlig recht.
Wir leben in der festen Überzeugung, daß wir, zumindest in unserem Teil der Welt, den Hunger für immer gebannt haben. Nahrungsmittel werden im Überfluß erzeugt und verteilt.
Der alte Feind des Menschen, dieser vielleicht älteste der Apokalyptischen Reiter*, hat seit Jahrzehnten über uns keine Macht mehr, wie es scheint.
Doch ebenso wie sich resistente Tuberkulose wieder in den Industrieländern ausbreitet, da die Wirksamkeit von Antibiotika verloren geht, ebenso wie das Sterben eines kleinen Insekts ein Vorbote wesentlich größerer Katastrophen sein kann – ebenso könnte sich diese Sicherheit, in der wir alle uns wiegen, als ein sehr fataler Selbstbetrug erweisen. Denn fundamental richtige Dinge bleiben richtig.
Am Ende könnte Malthus doch das letzte Wort haben, wenn die Zukunft uns unvorbereitet trifft. Das falsche Morgen könnte auch das letzte Morgen sein.
*Natürlich weiß ich, daß TOD schon vor allem anderen da war, wie man ja bei Terry Pratchett nachlesen kann – den ich übrigens sehr vermissen werde. Aber hier ist die Rede von vorzeitigem Tod aus vermeidbaren Gründen, zum Beispiel durch Hunger.
Liebe Kassandra,
auch ich bin über das vorzeitige Treffen von TOD und Terry immer noch betrübt.
Nick Mogavero hat hierzu diesen wunderbaren Nachruf verfasst. Ist zwar off topic aber naja, ich setz es einfach mal hier hin.
„I would like my pudding now nurse. And then I think I’d like to… write… something… I don’t remember what.“
Standing in the corner, he waits. The sand slowly flows, but it nears it’s end. The old man still glows, as thousands of threads spread away from him.
SQUEAK.
I AGREE. IT IS A SHAME TO SEE HIM THIS WAY.
SQUEAK.
NO. I DO NOT KNOW WHAT WILL HAPPEN…. BUT I CANNOT WAIT TO ASK HIM HOW IT ALL ENDS.
The old man looks up, through them at first… and then he sees them. For once, the smile on the hooded figure’s skull is genuine.
„I… I remember you. The anth… ant…“
ANTHROPOMORPHIC PERSONIFICATION.
„Yes, that. We knew each other?“
ONCE. AND WILL AGAIN, SIR.
He so rarely said it, and these feelings… remembering his young aprentice, and beloved daughter. The beautiful child they have.
„There… is a girl, yes?“
SHE IS SPEAKING TO THE AUDITORS, SIR. THEY ARE UNWILLING TO LISTEN.
„Well then. You know what they say, two things you cannot avoid. Taxes and…“ He looks into the firey blue eyes, and becomes aware.
SQUEAK.
„Quite right. Is it time already? I have so much left to do.“
YOU HAVE GIVEN ALL YOU CAN SIR.
„No, not cancer. Alzheimers.“
I AM AWARE.
„So, where is the boy? I remember a boy.“
CARRIAGE ACCIDENT.
„Ahh. Never much trusted cars. Or horses.“
THEY GET YOU WHERE YOU WANT TO GO.
„Must I?“
SOON. BUT WE MAY SIT HERE AWHILE.
SQUEAK
DO YOU HAVE ANY BISCUITS?
„No. Shame really.“
YES.
„Is it truely turtles?“
ALL THE WAY DOWN. I HAVE SEEN THEM.
„Ahh. I would love to see it. Perhaps a small trip before?“
IT WOULD BE MY PLEASURE.
„The light is slower there… and there’s a monkey….“
ORANGUTAN. SAME PRINCIPLE.
„Yes… will they remember me?“
SQUEAK.
„What was that? I could not hear you.“
HE SAYS WE WILL, SIR.
„I never much liked the trouble people had with you. You seem like a nice fellow.“
I HAVE MY DAYS.
„Don’t we all?“
SOME LESS THAN OTHERS.
„Is it quick?“
YES. AND I BROUGHT THE SWORD. CEREMONY DICTATES IT.
„Ahh. How about a cup of tea?“
I WOULD ENJOY IT. DO YOU PLAY CHESS?
„No. how about checkers?“
And so they sat, two old friends regaling each other, though the old man could not remember all of the details, the cloaked man and his rat filled him in, when it was needed.
Wundervoller Nachruf. Danke. * SQUEAK *
I AM TRUELY GRIEVED. GUESS YOU’RE RIGHT!
Das sollten Großbuchstaben sein (wurde nicht übernommen). Damn! Und überhaupt wurde das von Lord Vetinari zensiert. TOD würde sich niemals so joval mit „you´re“ erniedrigen.
Übrigens könnte die Verbreitung eines anderen kleinen Insekts die „lange Dämmerung“ etwas beschleunigen.
Die Stechmücke? Wird noch erwähnt werden. Irgendwann. Zum richtigen Zeitpunkt 😉