,,Die Zukunft vorherzusagen ist etwa wie der Versuch, ohne Licht eine Landstraße runterzufahren und dabei aus dem Heckfenster zu sehen.“
Peter Drucker
Schon immer hat Mensch versucht, etwas über die Zukunft zu wissen. Daran hat sich nichts geändert, seitdem der erste Typ in irgendeinem Wald oder an irgendeiner Höhlenwand lustige Pilze gefunden, sich das Zeug eingeworfen und danach noch lustigere Visionen bekommen hat, die er unbedingt mit seiner Umwelt teilen mußte.
In Anbetracht der gerade wieder aktuellen Drogendiskussion rund um Cannabis: Man kann den Konsum von Drogen offiziell verbieten. Aber senkt das den Drogenkonsum?
Nach allem, was man bisher weiß, ist die Antwort ein klares Nein.
Die USA haben versucht, das Trinken von Alkohol zu verbieten, damals, 1920.
Als Folge davon gab es illegale Herstellung von Alkohol und die Anzahl der speakeasys, der Flüsterkneipen, stieg alleine in New York von ungefähr 5.000 auf 30-100.000, so genau kann das niemand sagen. Die Flüsterkneipen hießen übrigens so, weil sie natürlich illegal waren und nur unter der Hand weitergeflüstert werden konnte, wo man denn noch was zu Trinken kriegt in der Stadt.
Tatsache ist, daß Menschen eben Drogen nehmen, seitdem einer unserer Vorfahren vom Baum gefallen ist.
Meine Hypothese ist ja, daß diese Vorfahren aus dem Baum gefallen sind, weil sie Drogen genommen haben.
Aber zurück in die Zukunft, oder besser, zur Vorhersehbarkeit derselben.
Das ein Typ wie Johannes von Patmos – das ist der mit der Apokalypse in der Bibel – definitv zuviel von den lustigen Pilzen eingeworfen haben muß, bevor er das schrieb, was man ihm zuschreibt, erscheint mir offensichtlich.
Drogen helfen ungemein beim Blick in die Zukunft, bringen aber zweifelhafte Ergebnisse.
Aber Zukunft hatte schon immer gutes Kundenpotential, auch ohne die Pilze.
Generäle unzähliger Zeitalter haben versucht, herauszufinden, was man denn jetzt am nächsten Tag tun könne, um den garstigen Feind möglichst wirksam dahinzumeucheln.
Der jeweilige Feind versuchte natürlich genau dasselbe.
Pragmatische Feldherren wie ein Cäsar oder ein Napoleon haben vorher das Gelände, das sie zum Schlachtfeld erkoren hatten, genau unter die Lupe genommen und so einen Plan entworfen, der nicht auf Drogen, sondern auf Fakten beruhte. Eine Methode, auf die ich noch einmal zurückkommen werde.
Kaufleute in Persien haben sich von irgendwelchen Priestern mit Hilfe der Astrologie exakt die beste Stunde ausrechnen lassen, an der das eigene Schiff von der Kaimauer ablegen sollte, auch bei den Phöniziern war diese Vorgehensweise bekannt. Die gleiche Sitte gab es in China.
Noch heute lesen Millionen Menschen morgens ihre Horospkope, in denen dann drinsteht, daß sie besser zu Hause bleiben und mit ihrer Topfpflanze reden sollten, weil sonst bestimmt etwas Unangenehmes passiert.
Was dann auch manchmal stimmt, denn wenn man bei 130 Sachen auf der Autobahn auf seinem Smartphone das Horoskop liest, passieren möglicherweise unangenehme Dinge. Smarte Phones reichen eben nicht aus, smarte Fahrer wären da hilfreicher.
Ich persönlich bin übrigens ein Widder mit Asszendent Widder, was immer das genau auch für grauenvolle Folgen für meine Zukunft haben mag.
Ich habe das mal vor grob 30 Jahren nachgeschlagen. In einem dicken Buch in der Bücherei mit etwa einer Million astronomischer Tabellen drin, die genau beschreiben, welcher Planet gerade wo rumlungerte zur Stunde der eigenen Geburt.
Solche Tabellen gab es übrigens auch schon vor ein paar tausend Jahren. Im Tempel, nicht in der Bücherei, aber ansonsten ist da kein Unterschied. Obwohl – wir haben heute mehr Planeten in den Tabellen.
Auch Schiffe werden noch heute bei ihrem Stapellauf üblicherweise mit einer symbolischen Flasche Alkohol betäubt, um irgendwelches Unglück von ihnen fernzuhalten. Eisberge und Leonardo di Caprio, zum Beispiel. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier.
Warum aber irgendwelche Sternbewegungen am Himmel einen Einfluß darauf haben sollten, wie ich mich benehme oder wie mein Charakter so ist, konnte mir noch nie jemand schlüssig erläutern.
Immerhin bewegen sich die Sterne und Planeten ja gar nicht um die Erde. Nur so zur beiläufigen Info: Es ist die Erde, die sich bewegt. Um die Sonne herum. Mit allen anderen Planeten. Sterne bewegen sich eigentlich gar nicht, wir sehen das nur so, denn wir bewegen uns.
Diese eigentlich recht simple Fehleinschätzung des eigenen Bezugspunkts hat in der menschlichen Geschichte schon immer zu lustigen Irrtümern geführt. Doch zu Apokalypsen und Bezugspunkten komme ich noch einmal später. Viel später, vermutlich.
Natürlich erforderte die Sache mit der Zukunft Experten, und da Experten auch vor ein paar tausend Jahren ein geregeltes Gehalt bekamen, gab es da eine Menge von.
Selbstverständlich gab es dann Differenzierungen, um den Markt zu sichern. So wie es heute Chirurgen gibt, die sich ausschließlich mit Händen beschäftigen, gab es auch unterschiedliche Disziplinen des Weissagens.
Da wäre die Teratomantie zu erwähnen, das ist die Weissagung mit Hilfe von Mißbildungen. Das kann das Schaf mit zwei Köpfen sein oder eben die fehlende Fingerkuppe am linken kleinen Finger bei einem Neugeborenen.
Schließlich wurde aus allem Möglichen geweisssagt. Öl wurde auf Wasser gegossen und seine Form gedeutet, eine Sitte, die sich in Form des Bleigießens zu Silvester noch heute hält.
Es gab das Haruspizium, das ist die Vorhersage der Zukunft aus den Eingeweiden spezieller Opfertiere. Ich bin mir sicher, daß ein guter Priester oder Kultist damals vor allem gesehen hat, daß in Leber und Nieren, zusammen mit dem Rest des korrekt erlegten Tieres, eine Menge leckeres Ragout oder Gulasch verborgen liegt und die Zukunft einige sehr leckere Mahlzeiten bereithält.
Die Römer und ihre Priester orientierten sich an Opfertieren bzw. deren Innereien und am Vogelflug, was auch die Griechen bereits getan hatten.
Deren berühmteste Zukunftsexpertin war wohl die Pythia, das war die Priesterin im Tempel des Apollon in Delphi. Da ist er wieder, dieser miese Verlierergott, der anderswo schon einmal kurz erwähnt worden ist. Ob die Pythia den Verlockungen des Apollon nachgegeben hat und deshalb den Job bekam, wissen wir nicht. Eventuell hängt die Jobausschreibung auch damit zusammen, daß vorher wohl die Erdmutter Gaia in diesem Tempel verehrt worden ist und das war natürlich eine Sache für die Frauen.
Auf jeden Fall saß die Dame auf einem Hocker über einer Erdspalte, aus der lustiges Gas ausströmte, das dann die Visionen auslöste. Pythia war also auch so eine drogensüchtige Schnüfflerin.
Ihr Horoskop für heute: Sie werden ein großes Reich zerstören.
Der wohl berühmteste Orakelspruch einer Pythia – das ist mehr eine Amtsbezeichnung als ein Name – war die Antwort auf die Frage des Königs von Lydien, einem Mann namens Krösus.
Lydien lag in Kleinasien, seine Haupstadt Sardis heißt heute Sardes und seine wohl wichtigste Hafenstadt Smyrna heißt heute Izmir und dürfte manchem Türkeiurlauber bekannt sein.
Krösus selbst, seines Zeichens damaliger Herrscher des Landes, wollte gegen den Perserkönig Kyros II. in den Krieg ziehen und befragte vorher das Orakel von Delphi. Die Antwort des Orakels war laut Überlieferung ,,Wenn du den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören.“
Den Halys, den damals westlichen Grenzfluß des Perserreiches, gibt es heute noch, er heißt Kizilirmak oder Roter Fluß.
Lydien gab es nach dem damaligen Krieg nicht mehr, denn als Krösus fröhlich pfeifend nach Hause zurückkehrte und den Krieg gegen Persien begann, übersah er leider, daß auch Lydien ein großes Reich war. Und so ging Lydien unter. Das Orakel hatte also recht behalten.
Erstaunlicherweise ist die Pythia heute nicht die Schutzherrin aller Horoskopersteller in Tageszeitungen.
Damals wie heute waren es vor allem die Mächtigen in einem Staat, einer Nation, einem Stamm, einem Clan, einer Horde oder wie immer die gerade aktuelle Organisationsstruktur so geheißen haben mag, die an einer Zukunftsdeutung großes Interesse hatten.
Das ist natürlich praktisch, denn somit konnte man als Priester irgendeines blauhäutigen Gottes mit 37 Armen eine Menge Einfluß auf die Tagespolitik nehmen.
Klar hat man da dem miesen Thronräuber, der gerade in einem nächtlichen Blutbad die gesamte Konkurrenz ausgeknipst hatte, auch gerne mal eine grandiose Zukunft vorhergesagt.
Die Römer waren allerdings etwas pragmatischer als die Griechen, denn die Latiner interessierten sich vor allem für die unmittelbare Zukunft und die Sachfrage, wie man sich das Wohlwollen der Götter am besten sichern könne. Ein cleverer Hohepriester hat darauf vermutlich geantwortet: ,,Habt ihr diesen prächtigen Ochsen noch in eurem Stall, der vorletzte Woche auf dem Markt prämiert worden ist? Der würde gut auf den Altar passen.“
In der Geschichte der Menschheit ist das Wissen um die Zukunft und die Deutung von Zeichen auch unmittelbar mit Macht verbunden.
Jeder kennt die berühmte Geschichte von Konstantin dem Großen, seines Zeichens Gegner von Maxentius. Der wiederum hat keinen Beinamen, vermutlich, weil er bei der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 ertrank, in der er und Konstantin sich um die Kaiserkrone des Römischen Reiches stritten.
Konstantin gewann, so will es die Legende, weil er seinen Soldaten vorher befahl, ein Symbol auf ihre Schilde zu malen, das ihm als Vision am Himmel erschienen war. Die Kombination aus Chi und Rho, also X und P, bedeutet entweder Christos oder, wegen der Ähnlichkeit mit den lateinischen Buchstaben, P(a)X, also Frieden im Sinne von Pax Christi. Das kommt auf die Quellen an.
Sehr oft besteht Geschichte…aus Geschichten.
Auf jeden Fall hatte ein Mann eine Vision und wurde daraufhin römischer Kaiser.
Gut, man weiß nicht so recht, ob das jetzt vor der Schlacht gegen Maxentius gewesen sein soll oder doch vor der Schlacht gegen Licinus bei Chrysopolis.
Aber Konstantin wurde zweifellos Kaiser und das von ihm umbenannte griechische Städtchen Byzantion wurde so zu Konstantinopel und zur Hauptstadt des späteren byzantinischen Reiches, das letztlich den Zusammenbruch Westroms noch um ein gutes Jahrtausend überleben sollte und seine ganz eigenen Spuren in der Geschichte hinterließ, wobei es das Symbol auf der Fahne führte, das laut Legende für den Sieg des Konstantin gesorgt hatte.
Persönlich macht mich mißtrauisch, daß dieser Bericht ausgerechnet bei einem Herrn namens Eusebius auftaucht. Dieser war Bischof und Kirchenschriftsteller und außerdem diverse Jahrzehnte später damit beschäftigt, des Kaisers Biographie zu schreiben, die Vita Constantini. Bezeichnenderweise taucht diese doch sehr nette Geschichte auch vorher in keiner anderen Quelle auf.
Irgendwann kamen Menschen dann aber darauf, daß Vögel vielleicht eben beim Rumfliegen viele Dinge ignorieren, ganz besonders Priester, die ihnen vom Boden aus nachstarren. Oder das man den leckeren Ochsen vielleicht besser selber grillen sollte.
Außerdem nahm natürlich die Anzahl der Priester, die irgendwelchen Vögeln auf die Flügel oder dem Ochsen in die Eingeweide starren konnten, sehr deutlich ab, denn in Europa breitete sich das Christentum immer weiter aus, was auf dem sakralen Arbeitsmarkt nicht ohne Folgen blieb.
Die Pythien im Orakel von Delphi verloren ihren Job endgültig im Jahr 391, als ein Edikt des Kaisers Theodosius I. dafür sorgte, daß alle Orakelstätten im immer noch als solchen bezeichneten Römischen Reich geschlossen werden mußten.
Die alte Wahrsagerei geriet so nach und nach in Verruf und wurde zu Zeiten der Rennaissance durch die als verläßlicher geltende Astrologie ersetzt.
Wahrsagen ist nicht mehr modern. Die Zukunft sehen wollen Menschen aber noch immer.
Selbst mit dem Aufkeimen der modernen Wissenschaften verschwand Astrologie nicht. Ein Kopf wie Isaac Newton glaubte Ende des 17. Jahrhunderts noch an diese Zukunftsmethodik und er war da in bester Gesellschaft. Dabei gilt Newton als Vater der modernen Physik und das auch zu Recht.
Heute noch sind Menschen vorsichtig, wenn ein Freitag auf den 13. fällt, wobei solche Unglückstage stark vom Kulturkreis abhängig sind.
Oder sie lassen sich von der Zigeunerin auf dem Volksfest im Zelt aus der Kristallkugel die Zukunft vorhersagen. Oder aus ihren Handlinien. Wobei das zumindest nicht ganz unwissenschaftlich ist, denn die Linien in einer Handinnenfläche werden irgendwie von Genen bestimmt und die wiederum haben einen deutlichen Einfluß darauf, was wir werden und wie wir werden.
Wobei auch die Gene eher überschätzt und die meisten Wahrsagerinnen vermutlich ganz lausige Genetikerinnen sind. Abgesehen davon, daß Handlinien etwa so hilfreich sein dürften wie scheinbare Sternbewegungen am Himmel.
Aber der Mensch möchte eben an die Möglichkeit von Zukunftsvorhersage glauben.
Das es hier durchaus Möglichkeiten geben könnte, die über Sterne, Hände und Drogen hinausgehen, werde ich nächste Woche erörtern.